Azubi-Tausch im Handwerk

Erfahrungen austauschen, Netzwerke knüpfen und an der Zukunft bauen

Drei Dachdecker- und Zimmereibetriebe aus Mainz, Köln und Bielefeld haben ihre Auszubildenden für eine Woche ausgetauscht. Die Auszubildenden konnten dabei neue Erfahrungen sammeln und ihr Netzwerk erweitern. Das Projekt stieß bei den Auszubildenden und in sozialen Medien auf positive Resonanz und soll 2025 fortgesetzt werden.

Das Thema Fachkräftemangel ist im Handwerk allgegenwärtig. Neben der Herausforderung, Fachkräfte für den eigenen Betrieb zu gewinnen, stehen viele Betriebe vor der Frage, wie sie junge ­Menschen für eine Ausbildung im Handwerk begeistern können. „Der Fachkräftemangel fängt schon in der Ausbildung an: Wenn zu wenig junge Leute motiviert sind, ins Handwerk zu gehen, wird sich der ­Mangel an Fachkräften nicht legen“, sagt Florian ­Hemmersbach, der gemeinsam mit seinem Bruder Lukas den Dachdeckerbetrieb Dein Dach by Hemmersbach GmbH in Köln führt. Im Austausch mit anderen Handwerksbetrieben spiele das Thema Fachkräftemangel immer wieder eine Rolle, meint ­Florian Hemmersbach, so auch auf einem Kongress für Dachdecker im Mai 2024: Dort kamen Florian und Lukas Hemmersbach, Jonas Dämgen, Geschäftsführer der Dach- und Holzbauwerke Dämgen aus Mainz, und Eugen Penner, Geschäftsführer des ZEP-Teams aus Bielefeld, über das Thema Fachkräfte- und Nachwuchsgewinnung im Handwerk ins Gespräch.

Aufmerksamkeit für Ausbildung im Handwerk wecken

Über einen Mangel an Azubis können die drei Betriebe sich derzeit nicht beklagen – an Fachkräften aus dem Dach­decker- und Zimmererhandwerk mangelt es schon eher. „Wir haben uns gefragt, was wir gemeinsam unter­nehmen können, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken“, erklärt Florian Hemmersbach. „Dabei ­entstand die Idee des Azubi-Tauschs, um unseren ­Auszubildenden etwas Besonderes zu bieten und ihnen zu ermöglichen, für eine bestimmte Zeit in einem ­anderen Betrieb neue Erfahrungen zu sammeln. Wir wollten außerdem ein neues Format schaffen, das Aufmerksamkeit erzeugt, damit sich mehr junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk interessieren.“

Die beiden Auszubildenden aus Bielefeld und Köln (hinten im Bild) wurden bei ihrer Ankunft in Mainz von Mitarbeitenden der Dach- und Holzbauwerke Dämgen herzlich empfangen
Foto: Dach- und Holzbauwerke Dämgen

Die beiden Auszubildenden aus Bielefeld und Köln (hinten im Bild) wurden bei ihrer Ankunft in Mainz von Mitarbeitenden der Dach- und Holzbauwerke Dämgen herzlich empfangen
Foto: Dach- und Holzbauwerke Dämgen
„Wir haben uns von Anfang an gut verstanden und so war schnell klar, dass wir das Projekt gemeinsam ­angehen werden“, sagt Jonas Dämgen. „Unsere ­Betriebe haben eine ähnliche Größe, Struktur und Ausrichtung und legen Wert auf eine professionelle Außendarstellung.“ Alle drei Betriebe sind zudem in sozialen Medien aktiv, dabei werden die Social-Media-Inhalte jeweils von professionellen Video- und Marketingteams erstellt. Von Anfang an stand fest, dass das Projekt „Azubi-Tausch“ in sozialen Medien begleitet werden sollte, ein eigener Instagram-Kanal wurde daher gegründet (siehe hier).

Ablauf und Organisation

Im August 2024 beschlossen die vier Betriebsinhaber, den Azubi-Tausch umzusetzen. Dabei wurde vereinbart, dass jeder der drei Betriebe jeweils zwei Auszubildende entsendet, um in einem der anderen Betriebe für eine Woche zu arbeiten. Bei der Dach- und Holzbauwerke Dämgen GmbH arbeiten insgesamt fünf Azubis, davon wählte Jonas Dämgen zwei für den Azubi-Tausch aus. Das ZEP-Team in Bielefeld hat derzeit zehn ­Auszubildende, die eine Ausbildung im Dachdecker- und Zimmererhandwerk machen, zwei davon reisten für den Azubi-Tausch nach Köln und Mainz. Die Firma Dein Dach by Hemmersbach hatte zum Zeitpunkt des Azubi-Tauschs sieben Auszubildende und entschied sich für zwei Azubis aus dem zweiten Lehrjahr. Bevor der Austausch im November 2024 beginnen konnte, mussten noch ­einige organisatorische Dinge geregelt werden: von der Anreise und Unterkunft der Auszubildenden bis hin zur Baustellenplanung. „Wir haben vorab mit der Handwerkskammer und einem Fachanwalt darüber gesprochen, was bei einem Azubi-Tausch zu beachten ist und konnten so die bürokratischen Fragen im ­Vorhinein klären“, sagt Jonas Dämgen.

Für die Auszubildenden mussten vorab Unterkünfte organisiert werden. In Mainz wohnten die beiden Gast-Azubis in einer Ferienwohnung
Foto: Dach- und Holzbauwerke Dämgen

Für die Auszubildenden mussten vorab Unterkünfte organisiert werden. In Mainz wohnten die beiden Gast-Azubis in einer Ferienwohnung
Foto: Dach- und Holzbauwerke Dämgen
Für die sechs Auszubildenden mussten außerdem vorab Unterkünfte organisiert werden. Florian und Lukas Hemmersbach buchten für die beiden Gast-Azubis zwei Zimmer in einem Hotel in der Nähe des Kölner Dachdeckerbetriebs  und stellten ihnen ein ­Fahrzeug zur Verfügung. In Bielefeld bezogen die ­beiden Austausch-Azubis eine Woche lang ein Tiny-House, das seit kurzem auf dem Gelände des ZEP-Teams steht. „Das Tiny House haben wir gekauft, weil wir uns bei der Kernsanierung von Gebäuden stärker aufstellen möchten“, erklärt Eugen Penner. „Wenn wir eine Wohnung oder ein Haus sanieren, können wir den Bewohnern anbieten, während der Sanierungsphase in
dem Tiny House zu wohnen.“ Für den Azubi-Tausch konnte das Haus erstmals genutzt werden. In Mainz wohnten die beiden Gast-Azubis in einer Ferien­wohnung und bekamen ebenfalls ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt.

Die Azubis aus Köln und Bielefeld arbeiteten in Mainz unter anderem auf einer Großbaustelle mit und verlegten dort Blechschindeln auf einem Steildach
Foto: Dach- und Holzbauwerke Dämgen

Die Azubis aus Köln und Bielefeld arbeiteten in Mainz unter anderem auf einer Großbaustelle mit und verlegten dort Blechschindeln auf einem Steildach
Foto: Dach- und Holzbauwerke Dämgen
Für den Azubi-Tausch wurden natürlich vorab einige Baustellen­einsätze geplant. Bei der Firma Dämgen arbeiteten die Azubis beispielsweise auf einer Großbaustelle in Mainz an einer Dachdeckung mit Blechschindeln. Zudem unterstützten sie das Team bei der Sanierung eines Ziegeldachs. An wetterbedingt schlechten Tagen verlagerten sie ihre Arbeit ins Büro, wo sie eine eigene kleine ­Baustelle kalkulierten und dokumentierten. Beim ZEP-Team in Bielefeld suchte man für die Azubis Projekte aus, bei denen sie handwerklich gefordert waren, etwa die ­Erstellung eines Anbaus in Holzrahmenbauweise oder eine Steildachsanierung. Nach Feierabend boten die Betriebe den Azubis ein abwechslungsreiches Programm: So besuchten sie gemeinsam einen Weihnachtsmarkt in Mainz, luden die Azubis zum Bouldern und Kartfahren in Bielefeld ein oder gingen in Köln auf einen Stadtrundgang und gemeinsam ins Kino.

Die Auszubildenden, die am Azubi-Tausch teilgenommen haben, zeigten sich im Nachhinein begeistert von dem Projekt, das 2025 erneut durchgeführt werden soll, dann mit anderen Azubis
Foto: Stork Media

Die Auszubildenden, die am Azubi-Tausch teilgenommen haben, zeigten sich im Nachhinein begeistert von dem Projekt, das 2025 erneut durchgeführt werden soll, dann mit anderen Azubis
Foto: Stork Media
„Wir haben von dem Erfahrungsaustausch der Azubis untereinander sehr profitiert“, sagt Florian ­Hemmersbach. „Die Azubis haben eine Persönlichkeitsentwicklung durchgemacht und sind aus ihrer Komfortzone herausgekommen“, ergänzt Lukas ­Hemmersbach. Die sechs Azubis, die an dem ­Austausch beteiligt waren, zeigten sich im Nachhinein begeistert. „Unsere Azubis wussten zwar vorher nicht so genau, was auf sie zukommt, im Nachhinein waren sie aber sehr zufrieden und würden auf jeden Fall wieder an dem Projekt teilnehmen“, sagt Jonas Dämgen. „Die Azubis, die bei uns zu Besuch waren, waren total motiviert und hatten richtig Lust, mit­zuarbeiten. Es war wichtig für die Azubis, neue Erfahrungen zu sammeln und ihr Netzwerk zu erweitern – es sind sogar Freundschaften entstanden“, sagt Jonas Dämgen. Auch wenn der Zeit- und Organisationsaufwand groß war, sind die drei beteiligten Betriebe überzeugt, dass sie das Projekt im kommenden Jahr fortsetzen möchten. Eugen Penner sagt im Rückblick: „Die Zusammen­arbeit der drei Betriebe war gut koordiniert, auch wenn es organisatorisch eine Herausforderung war. Ich bin froh, dieses Projekt gemeinsam mit den beiden anderen Firmen umgesetzt zu haben, da wir die Aufgaben gut untereinander aufteilen konnten. Für die Zukunft sind wir offen für neue Experimente, sehen aber zunächst uns drei Betriebe in der Verantwortung, das Projekt weiterzuentwickeln.“

Nach der Arbeit unternahmen die Betriebe zahlreiche Aktivitäten mit den Azubis, vom Bouldern und Kartfahren über den Weihnachtsmarktbesuch bis hin zum Grillen
Foto: Stork Media

Nach der Arbeit unternahmen die Betriebe zahlreiche Aktivitäten mit den Azubis, vom Bouldern und Kartfahren über den Weihnachtsmarktbesuch bis hin zum Grillen
Foto: Stork Media
Jonas Dämgen sagt: „Wir hoffen, dass unsere ­Aktion andere Betriebe dazu inspiriert, kreativ zu werden und vielleicht ähnliche oder eigene Projekte ins Leben zu rufen. Außerdem planen wir, in Zukunft noch mehr Einblicke und Erfahrungen zu teilen, um das Konzept bekannter zu machen.“

Eine ausführliche Videodokumentation über das ­Projekt ist geplant und soll demnächst auf Youtube veröffentlicht werden. Der Azubi-Tausch wurde außerdem in sozialen Medien begleitet, dafür wurde ein eigener Instagram-Kanal gegründet, siehe online unter: www.instagram.com/azubitausch_handwerk.

Autor

Stephan Thomas ist Chefredakteur der Zeitschrift dach+holzbau.

Mehr über die Betriebe, die den Azubi-Tausch organisiert und durchgeführt haben, lesen Sie hier:

  • Unternehmensporträt über die Dach- und Holzbauwerke Dämgen (siehe hier)
  • Unternehmensporträt über die Dein Dach by Hemmersbach GmbH (siehe hier)
  • Wie Handwerksbetriebe soziale Medien erfolgreich nutzen, zeigt unser Interview mit Carsten Stork (Stork Media) und Eugen Penner vom ZEP-Team (siehe hier ).

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