Jugendbauhütte Lübeck baut Holzkeller für Ausstellung in Berlin

In Berlin wurde bis Anfang Januar 2019 im Martin-Gropius-Bau ein 850 Jahre alter Holzkeller ausgestellt. Gleichzeitig bauen junge Erwachsene der Jugendbauhütte Lübeck in der Ausstellung einen Holzkeller nach, mit bloßen Händen und den Werkzeugen des Mittelalters. Wir haben die Ausstellung besucht und einen Eindruck von der lebendigen Baustelle erhalten.

Wo gehobelt wird da fallen Späne. Manchmal sind es so viele, dass es einen ganzen Berg ergibt. So wie in einem hellen Raum im Martin-Gropius-Bau in Berlin im Dezember: Ein quadratisch behauener Eichenstamm liegt aufgebockt in der Mitte des Raumes, drei junge Männer und eine Frau arbeiteten hier und behauen den Stamm. Einer von ihnen, Moritz Osterwold, hat einen Beinschutz über das linke Bein gezogen und demonstriert wie das Behauen / „Beilen“ von Hand funktioniert. Mit einem Bein kniet er auf dem Balken, mit dem anderen stützt er sich auf dem Boden ab und schwingt rhythmisch das Beil. Dünne Eichenspäne fallen ab, so nimmt der Holzbalken langsam Form an. Und die Späne am Boden nehmen zu. Die Szenerie erinnert  an eine mittelalterliche Baustelle, im Gegensatz dazu ist der Ausstellungsraum allerdings beheizt und überdacht.

850 Jahre alter Holzkeller

Moritz ist einer von 23 Jugendbauhüttlern, jungen Menschen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) bei der Jugendbauhütte in Lübeck absolvieren. Ab dem Frühjahr 2018 haben sie für die Ausstellung „Bewegte Zeiten. Archäologie in Deutschland“, die am 6.1.2019 zu Ende ging, einen Holzkeller gebaut. Allerdings nicht irgendeinen. Als Vorbild diente ein historischer Holzkeller aus dem Gründungsviertel in Lübeck. Das Viertel wird auf die Zeit um die Mitte des 12. Jahrhunderts datiert, Lübeck wurde 1143 offiziell gegründet. Von 2009 bis 2016 wurden in der Hansestadt in großem Maßstab archäologische Grabungen durchgeführt. Dabei wurden etwa 40 Holzkeller freigelegt, alle aus Eichenholz. Dentrochronologische Untersuchungen des Holzes ergaben ein Alter von rund 850 Jahren.

Für die Ausstellung „Bewegte Zeiten“ im Gropiusbau wurde ein Original-Holzkeller aus Lübeck wieder aufgebaut und gleichzeitig ein Nachbau realisiert. Mächtige, rund 40 cm starke Schwellen bildeten die Grundlage. Daran schlossen sich die Holzständer an. In einen Falz wurden von außen Eichebohlen eingesetzt. Der Keller beziehungsweise die Keller boten zur damaligen Zeit die Grundlage für die neue Stadtsiedlung. Und der Original-Keller, der in der Ausstellung zu sehen war, war erstaunlich gut erhalten: Nicht, dass die Schwellen, Ständer und Zangen nun nicht morsch wären, der Zahn der Zeit hatte natürlich auch hier genagt. Aber sie haben doch der Feuchtigkeit über weite Strecken und über all die Jahrhunderte getrotzt.

Eine Woche in der WG in Berlin

Um den Bau eines solchen Holzkellers erfahrbar zu machen kam die Jugendbauhütte in Lübeck ins Spiel. Dort können FSJler in verschiedenen Bereichen des Denkmalschutzes ein Jahr lang arbeiten und Erfahrungen sammeln. Um die Themenausstellung über die Ausgrabungen in der Lübecker Altstadt den Museumsbesuchern noch näher zu bringen, entschloss sich die Jugendbauhütte, den Holzkeller nachzubauen. „Weil diese Aufgabe so spannend erschien, fragten die Archäologen bei uns an“, erzählt die Leiterin der Jugendbauhütte, Ivalu Vesely. Dazu brauchte es aber genügend Anleiter.


Matthias Posenauer, Diplomrestaurator und Zimmermannsgeselle, war quasi über Nacht zu einem geworden. Er war 2017 für die Restaurierung einer Holztonne für die Ausstellung beauftragt worden und wurde angefragt, das FSJ-Projekt zu begleiten. Daher war der 41jährige als Betreuer für die jungen Erwachsenen bei der Ausstellung dabei. Fünf Anleiter wechselten sich mit der Betreuung der Jugendlichen ab. Immer vier bis fünf FSJler waren für den Bau eine Woche in Berlin, gewohnt haben sie in dieser Zeit in einer WG in Charlottenburg. Alle unter einem Dach, auch die Betreuer. „Das war schon eine sehr spezielle Erfahrung für alle. Denn wir haben gemeinsam gelebt und gearbeitet“, sagt der diplomierte Restaurator.

Alles von Hand

Täglich, außer Dienstags, fing pünktlich zur Ausstellungseröffnung um 10 Uhr für das Team die Arbeit an. Ab September 2018 drehte sich dabei alles um das Zurichten der Schwellen, Ständer und Dielen. „Wir haben hier alles von Hand gemacht: Keilen, also den Stamm grob zurichten, Ablängen, Behauen, Zapfenlöcher stemmen und die Dielenbretter richten und das mit Werkzeugen, die man auch im Mittelalter verwendet hat“, erklärt Posenauer. In einem Raum wurde der Abbund gemacht, in einem anderen stand der Holzkeller. Mitte Dezember wurde der letzte Deckenbalken aufgesetzt, dann mussten noch die breiten Holzdielen seitlich in den Falz eingebracht werden. Die erste Hälfte des Holzkellers wurde übrigens in Lübeck abgebunden, das hatten schon die Vorgänger des jetzigen FSJler-Jahrgangs gemacht. Für den Teil, der in Berlin gebaut wurde, wurden bis zu 80 cm dicke Eichestämme nach Berlin geliefert, durch ein Fenster in den Gropiusbau gehievt und dort bearbeitet. Nebenbei gab es während der Ausstellung auch ein museumspädagogisches Programm. Ein Modell im Maßstab 1:10 mit dem Namen Lügo (abgekupfert von Lego) sollte Kinder inspirieren, selbst Hand anzulegen und spielerisch mit dem Bausatz umzugehen. Und das wurde auch angenommen, wie ein Tag in der Ausstellung Mitte Dezember zeigte: Während Mattias Posenauer gerade einer Schulklasse Fragen beantwortet, nehmen einige Schülerinnen ganz selbstverständlich die Holzteile des Modells in die Hand und beginnen zu experimentieren.


Orientierungsphase und Erfahrung sammeln

Während die Kinder sich ausprobieren, erzählen Moritz Osterwold, Nina Stahl, Jonas Johannsen und Paul Höppner von ihren Erfahrungen seit dem Beginn ihres FSJ in der Bauhütte. Nina zum Beispiel möchte Archäologin werden und hat deshalb ganz bewusst ein FSJ in der Denkmalpflege gewählt und das bislang auch noch nicht bereut. „Mein Plan, Archäologin zu werden ist immer noch vorhanden“, sagt sie und schmunzelt. Paul Höppner ist 19 und wollte nach dem Abitur praktische Erfahrungen sammeln und das kommt ihm hier zu Gute. „Und ich möchte eine Vollzeitjoberfahrung machen“, sagt er. Das alles kann er hier bekommen. Jonas ist 18 und möchte nach dem Orientierungsjahr, wie er es bezeichnet, vielleicht Bauingenieurswesen oder Architektur studieren. Moritz, auch 18, bringt handwerkliche Vorerfahrungen mit, war früher bei seinem Opa mit in der Holzwerkstatt gewesen und hat ein weiteres handwerkliches Praktikum gemacht. „Fehlende handwerkliche Erfahrung ist aber kein Nachteil“, sagt Matthias Posenauer, „die meisten fangen bei Null an und lernen dann im Laufe der Zeit die handwerklichen Techniken kennen.“

„Die Erfahrungen lassen sich gar nicht groß genug einschätzen."

So unterschiedliche Motivationen wie die vier jungen Menschen mitbringen so unterschiedlich sind die jungen Menschen, die als FSJler im Laufe eines halben Jahres den Martin-Gropius-Bau belebt haben. „Die Erfahrungen, die die hier machen, lassen sich gar nicht groß genug einschätzen“, sagt Matthias Posenauer. Er freut sich schon darauf, dass das Projekt weitergeführt wird. Nach Ende der Ausstellung in Berlin wird der Holzkeller zurück nach Lübeck transportiert. Dort wird er für eine weitere archäologische Ausstellung zur Verfügung stehen, dann im St. Annen-Museum.

Autor

Rüdiger Sinn ist Redakteur der Zeitschrift dach+holzbau.



Jugendbauhütten in Deutschland

Ein Jahr lang können Jugendliche von 16 bis 26 Jahren im Rahmen einen Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) in einer von bundesweit 14 Jugendbauhütten traditionelle Handwerkstechniken erlernen. Vorbild für die Jugendbauhütten waren die mittelalterlichen Bauhütten, in denen gemeinsam gelebt und gearbeitet wurde.

Die Jugendbauhütten sind ein Projekt der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in Trägerschaft der Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste (ijgd). Weitere Infos unter: https://www.denkmalschutz.de/denkmale-erleben/jugendbauhuetten.html

 

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