Gondelstation und Motorrad-Museum im Top Mountain Crosspoint in den Alpen
Vier sehr unterschiedliche Funktionen, von der Gondelstation bis zum Motorrad-Museum, wurden im Top Mountain Crosspoint in den österreichischen Alpen unter einem Dach zusammengefasst: zurückhaltend, ästhetisch und tragwerkplanerisch anspruchsvoll.
An der Timmelsjoch-Hochalpenstraße, an der Grenze von Österreich nach Italien, konnte In der Wintersaison 2015/16 mit dem Top Mountain Crosspoint ein multifunktionales Gebäude auf 2200 m Höhe nach nur 10 Monaten Bauzeit fertig gestellt werden. Mautstation, Gondelstation, Restaurantbetrieb und ein Motorradmuseum sind in dem organisch geschwungenen Bau, „unter einem Dach“, zusammengefasst. Und dieses Dach hat es in sich: Bedingt durch die vorgegebene geometrische Form, besteht es aus nicht weniger als 2400 verschiedenen Holzbauteilen! Doch nur so konnte die Entwurfsidee von Michael Brötz, (Architecture Design Artwork), wirklich umgesetzt werden. „Wir haben im Zuge der Kostenkalkulation auch einen Vorschlag mit annähernd gleichen Winkeln und sich wiederholenden Maßen durchgerechnet, aber das wäre dem Entwurf nicht gerecht geworden“, erklärt dazu Martin Martin, Projektleiter der ausführenden Holzbaufirma Rubner Holzbau GmbH. „So, wie es jetzt gebaut wurde, bringt es die Entwurfsidee genau auf den Punkt. Aber man arbeitet wirklich an jeder Stelle mit neuen Längen und Winkeln.“ Und auch Brötz ergänzt: „Durch das sich in mehrere Richtungen neigende Dach mit sich fortlaufend änderndem Winkel, wird jeder Dachträger zum Einzelstück. Von einer Serienfertigung waren wir weit entfernt!“
Idee und Tragwerk
„Die Idee zu der Gesamtform beruht auf den Themen, die sich in und um das Gebäude ereignen: Schwünge spielen sowohl beim Skifahren oder Snowboarden als auch beim Motorradfahren eine wesentliche Rolle“, erklärt der Planer seinen Entwurfsansatz. „Zudem fügt sich die organische Form dezent in die alpine Landschaft ein.“ Tatsächlich übt das Gebäude eine angenehme Zurückhaltung aus, was bei vier so verschiedenen Funktionen und 6060 m2 Gesamtnutzfläche nicht selbstverständlich ist. Die Idee, alle Funktionen in einer Gebäudeform unterzubringen, wirkt in sich schlüssig. Selbst die Mautstation, die auf Grund der Straßenführung im rechten Winkel zur Seilbahnstation angeordnet werden musste, wird geschickt in den Gesamtentwurf eingebunden. In seinem Grundriss beschreibt das Gebäude einen gebogenen, nahezu rechten Winkel, der sich dann nochmals leicht in die entgegen gesetzte Richtung wendet, so dass die Dachaufsicht fast die Kurve eines Fragezeichens andeutet. Auf dieser ungewöhnlichen Grundrissform entwickelt sich dann die Dachlandschaft, die über der südlichen Restaurantseite als Satteldach in Erscheinung tritt, welches dann langsam, dem Kurvenverlauf des Grundrisses folgend gleichzeitig seinen Neigungswinkel von 12° auf 6° reduziert. Zusätzlich verjüngt sich die Gebäudetiefe in Richtung des Gebäudespitz an der Mautstation. Durch diese komplexe geometrische Form, entstand das Holztragwerk mit alleine 1000 verschiedenen Brettschichtholz-Bauteilen. Die Schneelast war an diesem inneralpinen Standort mit 620 KN übrigens kein erschwerender Faktor.
Dachtragwerk auf Stahlbeton
Das Dachtragwerk ruht auf einer Stahlbetonkonstruktion mit Stützen und Wänden. Im Bereich des Museums handelt es sich um eine Konstruktion mit Firstpfette, BSH-Hauptträgern und BSH-Einhängpfetten sowie drei beziehungsweise vier Stützenreihen. Die Firstpfette verläuft dabei außerhalb der Mittelachse. Im Winkel, an dem der Nord-Südriegel der Mautstation und des Museums in den Ost-West-Riegel der Seilbahnstation übergeht, wurde das System um eine weitere Pfette parallel zur Firstpfette ergänzt, um die Auflagerpunkte der Hauptträger zur Traufseite entzerren zu können. Bei gleichbleibendem Grundprinzip, ändern sich dennoch Länge, Form und Ausführung der Brettschichtholzträger bis in das spitz zulaufende Dachende, das auf Grund der auf einen Punkt zulaufenden Form als Stahlkonstruktion ausgeführt wurde. Insgesamt wurde allerdings versucht, den Stahlanteil der Dachkonstruktion so stark wie möglich zu reduzieren.
Über der Seilbahnstation ändert sich dann das Tragwerksystem. Die BSH-Hauptträger spannen hier parallel zur Firstlinie zwischen zwei 26 m voneinander entfernten Betonwänden. Hinter der Seilbahnstation, über dem Restaurantbereich, liegen die Träger ebenfalls auf zwei Stahlbetonwänden, nämlich der inneren Abgrenzung zur Seilbahnstation sowie der gebogenen Außenwand des Restaurants, auf. Zusätzlich ergänzen hier Betonstützen die Konstruktion.
Statische Herausforderungen
Durch das fast umlaufend 4 m auskragende Dach und seine geschwungene Form, ergaben sich stellenweise zusätzliche Ausladungen im 90°-Winkel zur Liegerichtung der Hauptträger. Die Hauptträgerrichtung wurde hier also mit einer senkrecht dazu verlaufenden Pfettenreihe ergänzt. In der Bauphase ergab dieser Punkt in der Untersicht quasi ein Gitter sich kreuzender Pfetten. Für diese Knotenpunkte wählte die Holzbaufirma eine Verbindung mit doppelten Stahlschlitzblechen, um eine ausreichende Druck-Zug-Verbindung herzustellen. Für die Verbindung zwischen Haupt- und Nebenträgern des übrigen Daches entschieden sich die Ingenieure hingegen für eine Holz-Holz-Verbindung. „Hierbei konnten wir nicht nur Kosten durch Materialeinsparung reduzieren“, so Projektleiter Martin, „sondern auch Zeit beim Abbund einsparen. Für eine Stahl-Holz-Verbindung hätten wir alle Stäbe zweimal auf die Maschine legen müssen.“ Die Holz-Holz-Verbindungen wurden anschließend lediglich von oben, also für den Betrachter unsichtbar, verschraubt.
Geschwungener Traufenverlauf
Eine Besonderheit, die es bei Planung und Ausführung des Tragwerks zu berücksichtigen galt, war der geschwungene Traufenverlauf, wie er im Entwurf vorgesehen war. Hierfür war es beispielsweise notwendig, die Kragträger so dicht zu setzen, dass der Schwung des Daches in seiner Form als solcher zu erkennen ist, obwohl er sich aus einzelnen geraden Teilstücken zusammensetzt. Die Traufkante hingegen wurde mit gekrümmten Latten verschalt, ebenso wie die dem Kurvenverlauf folgende, darunter sitzende Betonwand. Um sich dem Gebäudeverlauf anzupassen, wurde die horizontale Lattung aus Lärchenholz sowohl der Fassade als auch der Traufkante, auf der Baustelle gebogen. Die Lattenhöhe nimmt im Verlauf der Verschalung vom westlichen spitzen Eck der Mautstation bis zur südlichen Restaurantseite unregelmäßig, aber mit System zu, um sich der jeweiligen Fassade in seinen Proportionen anzupassen. Sowohl Fassadenverschalung, als auch Traufenan- und Dachuntersicht ergeben ein angenehmes, gleichmäßiges Erscheinungsbild und lassen die Architektur in ihren einzelnen, klar erkennbaren Bauteilen wirken.
Holz auch im Innern
Auch im Inneren dominiert Holz im Zusammenspiel mit Stahl und Stein. Während im Museumsbereich gebürstetes Lärchenholz verwendet wurde, handelt es sich bei Verschalung und Möblierung im Restaurantbereich um Lärchen-Altholz.
Zur Belichtung der relativ tiefen Ausstellungsfläche gibt es zusätzlich zur Glasfassade drei unterschiedlich große Dachgauben. Eine dieser Gauben dient zusätzlich den Auflagen des Brandschutzes und gewährleistet die Entrauchung im Brandfall.
Logistische Herausforderungen
Sowohl auf Grund des Standortes als auch der Komplexität des Tragwerks, waren für den Baustellenbetrieb verschiedene logistische Herausforderungen zu bewältigen. So mussten zunächst die sehr großen, bis zu 26 m langen Holzbauteile mit Sattelschleppern über die enge Serpentinenstraße zur Baustelle gebracht werden. Zudem lief der Betrieb der Mautstation während der gesamten Bauzeit durch. Und schließlich musste sehr viel Material vor Ort sinnvoll gelagert werden ohne die Bauarbeiten zu beeinflussen.
Glück hatten die Ausführenden mit dem Wetter: „Während man hier im September auch schon mal Schnee haben kann, der dann auch liegen bleibt, hatten wir noch bis in den Oktober hinein sonniges Wetter“, so Projektleiter Martin. „Das war auch gut so, denn durch den Rohbau war der Bau insgesamt in Verzug geraten. Dank der guten Witterung konnten wir den Holzbau dennoch vor Beginn des Winters zu Ende bringen.“
Das geschwungene Dach besteht aus 2400 verschiedenen Holzbauteilen
Die Verbindung zwischen Haupt- und Nebenträger wurde bisweilen als Holz-Holz-Verbindung ausgeführt, das sparte Zeit und Material
Baudaten (Auswahl)
Projekt Top Mountain Crosspoint, Skistation,
Museum und Mautstation
Standort Timmelsjoch Hochalpenstraße,
A-6456 Hochgurgl
Bauweise Brettschichtholz-Dachtragwerk auf Stahlbetonwänden und Stützen (sowie in Teilbereichen Wände als Holzriegelkonstruktion)
Brandschutz Unterteilung in Brandabschnitte
Verwendung großer Querschnitte
Bauzeit 04 /2015-10 /2015 (Holzbau),
03 /2015-12 /2015 (Gesamt)
Gesamtnutzfläche 6060 m2
Holzvolumen 1000 m3 Außenwandelemente, 800 m3 Brettschichtholzkonstruktion
Gesamtkosten Rund 20 Mio. Euro
U-Werte Wand = 0,24 W/m2K, Dach = 0,20 W/m2K
Baubeteiligte (Auswahl)
Bauherren Hochgurgler Liftgesellschaft, Alban und Attila Scheiber, Liftgesellschaft, A-6456 Hochgurgl
Architektur Planung ARGE Crosspoint: Architecture Design Artwork Brötz,
Michael Brötz, A-6060 Hall in Tirol, (Architektur und Design)
Plan_B GmbH, A-6111 Volders (Kostenmanagement und Bauleitung)
Madeco Ingenieur GmbH, A-6020 Innsbruck
(AVA-Ausführungsplanung und Projektsteuerung)
Bauleitung Architecture Design Artwork Brötz, Michael Brötz, A-6060 Hall in Tirol
Tragwerksplanung Madeco Ingenieur GmbH,
A-6020 Innsbruck
Holzbau/Ausführung Rubner Holzbau GmbH,
Filiale Villach, A-9584 Finkenstein