Fahrradparkhaus mit Holztragwerk in Eberswalde
Seit gut einem Jahr ist das Fahrradparkhaus in Eberswalde im Betrieb. Das zweigeschossige Gebäude wird von vier Reihen rautenförmig angeordneter Brettschichtholzstützen getragen. Für den konstruktiven Holzschutz sorgt das auskragende Holzdach, dessen Auskragung von einem Trägerrost getragen wird.
Die Stadt Eberswalde wächst stetig, die Lage rund 40 km nordöstlich von Berlin lockt viele Pendler in beide Richtungen an. So gewinnt der Eberswalder Hauptbahnhof als Mobilitätsdrehscheibe immer mehr an Bedeutung. Das hatte für den städtischen Raum rund um den Bahnhof, wie in vielen anderen Städten, zur Folge, dass immer mehr Fahrräder wild abgestellt wurden. Um der gestiegenen Nachfrage nach sicheren Bike-and-Ride-Parkplätzen Rechnung zu tragen und dem Parkchaos ein Ende zu bereiten, entschloss die Stadt Eberswalde, im zentralen Bahnhofsbereich ein Fahrradparkhaus zu errichten.
Das Fahrradparkhaus in Eberswalde bietet Abstellplätze für mehr als 600 Fahrräder. Durch die Nähe zum Bahnhof können Nutzer ihr Fahrrad im Parkhaus abstellen und auf die Bahn umsteigen
Foto: Michael O’Ryan
Das neue Fahrradparkhaus in Eberswalde, das 2022 fertiggestellt wurde, bietet 604 Abstellplätze für Zweiräder. Alles, was zwei Räder hat, auch Lastenräder und E-Bikes, findet hier einen trockenen Abstellplatz, zum Teil sogar in abschließbaren Boxen. Zwei Reparaturstationen und Lademöglichkeiten für E-Bikes runden das Angebot ab. Das zweigeschossige Fahrradparkhaus ist etwa 40 m lang und 17 m breit. Es ist nicht unterkellert und verfügt über zwei Parkebenen mit einer Bruttogeschossfläche von insgesamt rund 1290 m².
Verkehrsgünstige Lage in der Nähe de Bahnhofs
Die Stadt hatte vor der Errichtung des Fahrradparkhauses eine Untersuchung und Analyse der aktuellen Parksituation in Auftrag gegeben, um auszuloten, wo Flächen in Bahnhofsnähe zur Verfügung stehen. Als Ergebnis der Untersuchung wurde das heutige Grundstück, rund 50 m Luftlinie vom Bahnhof entfernt, als Standort für das Fahrradparkhaus ausgewählt. Das Berliner Architekturbüro Leitplan wurde im Mai 2019 mit der Planung des Neubaus beauftragt. „Wir hatten bereits ein Fahrradparkhaus in Oranienburg errichtet und konnten somit gewisse Erfahrungen mitbringen“, berichtet Nora Zimmermann vom Büro Leitplan. Die Stadt Eberswalde äußerte gleich zu Beginn der Planungen den Wunsch, nachhaltig zu bauen. Das Thema „Bike and Ride“ und die geplante Verkehrswende sehen die Verantwortlichen in enger Verbindung zu ökologischer Bauweise und nachhaltigen Baustoffen. Außerdem blickt die Stadt traditionsgemäß auf eine prägende Forstwirtschaft zurück – sie wird auch „Waldstadt“ genannt. Die Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde und der Solarpark „Finow Tower“ auf dem Gelände eines ehemaligen Flughafens in der Gemeinde Schorfheide sind weitere Beispiele dafür, dass Umweltschutz und Nachhaltigkeit wichtige Themen für die Stadt Eberswalde sind. Daher stand fest, dass beim Neubau des Fahrradparkhauses ein möglichst hoher Holzanteil in der Konstruktion erreicht werden sollte. Der Bauherr entschied sich schließlich dafür, mit so viel Holz wie möglich zu bauen, dabei aber Bauteile wie die Treppe und die Erschließungsrampe des Parkhauses davon auszunehmen, da bei diesen der Baustoff Holz ungünstig in der Unterhaltung, Wartung und Pflege wäre.
Der Entwurf für die Fassade des Fahrradparkhauses sieht vier Reihen rautenförmig angeordneter Brettschichtholzstützen vor. Die Offenheit und Transparenz dieser Fassade soll eine natürliche Belichtung und Belüftung ermöglichen. Der freie Blick in das Gebäude soll soziale Kontrolle erzeugen und Fahrraddiebstahl und Vandalismus entgegenwirken. Ein Edelstahlnetz, das sich zwischen den Fassadenstützenreihen vom Dachrandbalken bis zum Sockel im Erdgeschoss aufspannt, dient als Absturzsicherung. Die Stahlseilnetze verhindern außerdem, dass Vögel in die Konstruktion einfliegen.
Rautenförmig angeordnete Brettschichtholzstreben
Die tragende Fassade des Fahrradparkhauses ist durch die rautenförmig angelegten Streben aus Brettschichtholz (16/22 BSH GL24h) geprägt. Die Stützen kreuzen sich an zwei Punkten: in der Ebene des Daches und in der Ebene der Decke über dem Erdgeschoss.
Das Tragwerk des Parkhauses wurde aus vier parallelen Reihen schräg gestellter Brettschichtholzstützen errichtet
Foto: Leitplan
Außerdem sind im Innenraum, beidseitig der Fahrradrampe zum Obergeschoss, weitere, rautenförmige Streben eingebaut. So entstehen in Gebäudelängsrichtung vier statisch tragende Achsen. Die rautenförmigen Stützen der Fassade werden bei den Ein- und Ausfahrtöffnungen unterbrochen.
Anschlusspunkt der Brettschichtholstützen im Betonsockel des Erdgeschosses
Foto: Leitplan
Die Gründung des Parkhauses erfolgte auf Streifenfundamenten, sodass die Nutzfläche im Erdgeschoss kostengünstig gepflastert werden konnte. Nur der Haustechnikraum unter der Rampe basiert auf einer Stahlbetonplattengründung. Die Erdgeschossstützen stehen auf einem Betonsockel, der dafür sorgt, dass die Holzkonstruktion nicht dauerhaft der Feuchtigkeit ausgesetzt ist.
Fahrradrampe innen und Stahlbetontreppe außen
Die Erschließung des Gebäudes ist über mehrere Wege möglich: Das Parkhaus verfügt im Erdgeschoss über vier ebenerdige Eingänge. Mittig im Gebäude verläuft in Längsrichtung eine Fahrradrampe als Zufahrt zum Obergeschoss. Auf der Westseite ist als zweiter Zugang eine massive Stahlbeton-Fertigteiltreppe angeordnet. Das Obergeschoss wird über die Rampe und die außenliegende Treppe mit Schiebespur für Fahrräder erschlossen. Die Brandschutzkonzept sieht vor, das Gebäude in die Feuerwiderstandsklasse R30 einzuordnen. Der Nachweis erfolgte über den Abbrand der tragenden Bauteile.
Die Fahrradrampe ist eines der wenigen Bauteile im Gebäude, die nicht aus Holz errichtet wurden
Foto: Leitplan
Balkenstapelrost als Dachkonstruktion
Die Erdgeschossdecke des Fahrradparkhauses besteht aus Baufurniersperrholzplatten (BFU-Platten) mit einer Stärke von 39 mm. Sie liegen auf Brettschichtholzunterzügen mit einer Dimensionierung von 16/32 auf. Auf den BFU-Platten ist ein strapazierfähiger Asphaltbelag auf einer Bitumenabdichtung aufgebracht. Bei der Dachkonstruktion des Gebäudes fiel die Wahl auf einen Balkenstapelrost. Dessen Rastermaß beträgt 1,70 m. Die kreuzweise gestapelten Balken haben Abmessungen von 22 x 16 cm. Die offenen Bereiche zwischen den Balken wurden an den Punkten, an denen es statisch erforderlich war, mit Futterhölzern zur Schubübertragung geschlossen. Die Verbindungen erfolgten mit Vollgewindeschauben.
Weit auskragendes Dach sorgt für Holzschutz
Das weit auskragende Dach des Fahrradparkhauses verlangt einen genaueren Blick auf seine Konstruktionsweise. Das Büro für Tragwerksplanung, ifb frohloff staffa kühl ecker aus Berlin, hatte einen Stapelrost als Dachkonstruktion vorgeschlagen, um das beidseitig weit auskragende Dach in dieser Dimension errichten zu können. Diese Konstruktionsweise ermöglicht es, auch die Eckbereiche auskragen zu lassen. Auch an dieser Stelle sollte die Konstruktion sichtbar bleiben. Das über drei Meter weit auskragende Dach ist nicht nur ein prägendes Element des Entwurfs, sondern dient natürlich auch dem konstruktiven Holzschutz der Fassade.
An den Gebäudeecken kragt der Bau in beide Richtungen um 3,26 m aus und trägt an diesen Stellen und in den angrenzenden Bereichen als Trägerrost
Foto: Leitplan
Ein besonderer Blick gilt den Gebäudeecken: Hier kragt der Bau in beide Richtungen 3,26 m aus und trägt an diesen Stellen und in den angrenzenden Bereichen als Trägerrost. In der Gebäudemitte ist ein Rost statisch nicht notwendig. Dort spannt das Dach linear in Querrichtung. Diese linearen Träger sind aus gestapelten Balken zusammengesetzt, so dass das Tragwerk insgesamt eine einheitliche Anmutung erhält. Über den Balken des Daches wurden Baufurniersperrholzplatten in 39 mm Stärke als Dachscheibe befestigt. Die Dachkonstruktion wird so in Längs- und Querrichtung als aussteifende Scheibe ausgebildet. Darüber liegt eine Dichtungsebene, über der ein extensiv begrüntes Dach mit bienenfreundlicher Bepflanzung angelegt wurde.
Das Dach des Parkhauses wurde abgedichtet. Anschließend wurden 18 Photovoltaikmodule in der Mitte des Daches installiert
Foto: Leitplan
18 Photovoltaikmodule auf dem Dach erzeugen Solarstrom. Dieser wird in einem Batteriespeicher im Fahrradparkhaus gespeichert und bei Bedarf für die Beleuchtung und das Laden der Batterien der E-Bikes verwendet. Der selbst erzeugte Strom reicht allerdings nicht immer für eine autarke Energieversorgung des Parkhauses. Je nach Wetterlage wird überschüssiger Strom ins Netz eingespeist oder zusätzlich Strom für den Betrieb des Parkhauses aus dem Netz bezogen.
Natürliche Verwitterung
Die Planer überzeugten den Bauherrn, auf chemische Holzschutzmittel oder Anstriche für das Fahrradparkhaus zu verzichten. Bewusst entschied man sich bei allen sichtbaren, tragenden Holzbauteilen des Gebäudes für sibirisches Lärchenholz, das mit der Zeit verwittern und das Tragwerk grau färben wird.
Das beidseitig über drei Meter weit auskragende Dach ist nicht nur ein prägendes Element des Entwurfs, sondern dient auch dem konstruktiven Holzschutz
Foto: Michael O’Ryan
Somit muss die Stadt Eberswalde nicht mit Unterhaltskosten für die Erneuerung von Anstrichen kalkulieren und kann sich auf geringe Betriebskosten einstellen. Das Eberswalder Fahrradparkhaus erregt auch bundesweit Aufsehen: Anfang April 2022 erhielt es den Deutschen Verkehrswendepreis der „Allianz pro Schiene“ und wurde außerdem für den Deutschen Ingenieurbaupreis nominiert.
Autorin
Christina Vogt ist freie Holzbau-Fachjournalistin und lebt in Gladbeck.
Bautafel (Auswahl)
Projekt Neubau eines Fahrradparkhauses mit Holztragwerk in Eberswalde
Bauherr Baudezernat der Stadt Eberswalde
Architekt Leitplan GmbH, Berlin, www.leitplan-gmbh.com
Tragwerksplanung ifb frohloff staffa kühl ecker, Berlin, www.ifb-berlin.de
Holzbau Zimmerei Thielke, Luckau, www.zimmerei-thielke.de
Werkplanung Holzbauservice Bohn, Dipl-Ing. (FH) Holztechnik Thomas Bohn, Datteln,
Bauzeit 2020 – 2022
Baukosten rund 2,2 Mio. Euro brutto