Wohlfühlfassade für Giraffen
Der Tierpark Hellabrunn will sein Profil als Geozoo, in dem die Tierarten nach ihren natürlichen Lebensräumen geordnet leben, wieder stärker fördern. Dazu wurde eine neue Anlage für eine Giraffenherde benötigt. Mit Fassadenelementen aus Lärchenholz wurde eine für die Tiere savannenähnliche Struktur nachgebildet.
Die Vorgaben für einen Neubau waren aufgrund der strikten Leitlinien des Münchner Tierparks Hellabrunn anspruchsvoll: Das Gebäude musste sich in die geschützte Auenlandschaft, die die Isar bei Thalkirchen prägt, harmonisch einfügen und dabei auch den vorhandenen Baumbestand schonen. In einem vom Hellabrunner Tierpark deutschlandweit ausgelobten Architekturwettbewerb setzte sich das Büro dan pearlman aus Berlin mit seinem Entwurf durch. Die Idee war, das Gebäude quasi um die Bestandsbäume herum zu setzen und diese miteinzubeziehen.
Die Wände des neuen Giraffenhauses fassen in weitem Schwung den Besucher- und den Tierbereich zusammen, die Verglasung der Gebäudeschmalseiten und das EFTE-Folienkissendach vermitteln den Eindruck von Weite und öffnen den Blick auf das Außengehege, zudem sorgen sie für solare Gewinne in den Übergangsmonaten. Die beiden bis zu 8 m hohen, klothoidenförmigen Gebäudelängswände aus Stahlbeton mussten dem Grundriss entsprechend in wechselnden Radien aufwendig mit justierbaren Formschalungen hergestellt werden.
Giraffen sind Savannentiere, deshalb wurde das Gebäude für entsprechend hohe Innentemperaturen ausgelegt. Eine Grundwasserwärmepumpe und dicke WDVS-Pakete sorgen dafür, dass das neue Gebäude die Anforderungen der EnEV sogar um 50 Prozent übererfüllt.
Aufwendige Verkleidung mit Holz-Lamellenkonstruktion
Da sich die für die Zuschauer sichtbaren Bereiche der Außenwände ebenfalls harmonisch in das Landschaftsbild einfügen sollten und zudem die Heizungs- und Lüftungstechnik nicht ohne weiteres erkennbar sein sollte, wählten die Architekten für diese Bereiche eine Verkleidung aus vertikalen Lärchenholzlamellen.
Die Anforderung bestand darin, eine gebogene Unterkonstruktion mit wechselnden Radien und unterschiedlichen Lattenabständen zu konstruieren. Zugleich sollten die Elemente demontierbar sein, um nötigenfalls an die Haustechnikinstallationen zu kommen. Das war das Pflichtprogramm. Als Kür sollten die Lamellen über die ganze Innenfläche vertikal versetzt in zwei bis vier Höhenlagen montiert werden (und so über die Fassadenlänge optisch den Horizont einer Savannenlandschaft nachbilden). Außerdem sollten keine Schraubenköpfe sichtbar sein. In Zusammenarbeit mit den Planern entwickelte die Zimmerei Greinwald vier verschiedene Grundkonstruktion für Außenbereich, den gedämmten Außenbereich an der Fassade, den Zuschauerbereich innen und den Giraffenbereich innen.
Im Außenbereich besteht die Unterkonstruktion aus stehenden Quadratrohrprofilen, die mit Kopfplatten und Distanzprofilen an der Gebäudekonstruktion befestigt sind. Über Konsolen mit Bolzen werden die gebogenen Stahlrahmen RRo (Rechteckrohr ) 40/80 mm, die als Träger für die Holzverkleidung dienen, eingehängt. Die Lärchenholzlamellen werden mit hutförmigen Klemmprofilen und Tellerkopfschrauben 6 x 60 mm aus Edelstahl befestigt.
Ursprünglich war geplant, diese Aufbauvariante so für das gesamte Bauwerk zu verwenden. Um die Baukosten zu senken, wurde allerdings nach Alternativen gesucht und für die restlichen Bereiche eine Tragkonstruktion aus stehenden KVH-Riegeln 8/20 cm gewählt, die mit KR135-Winkelverbindern (von BMF) und FAZ II-Ankern (von Fischer) an den Betonwänden befestigt wurden.
Unterkonstruktion aus Aluminium erleichtert die Montage
Als Traglattung wurden im Zuschauerbereich innen vorgebogene Aluminiumprofile aus QRo 40 mm (Quadratrohr 40 mm) verwendet. Durch das weiche Aluminium konnten die Lärchenholzlamellen problemlos von hinten mit Handmaschinen vorgebohrt und mit Tellerkopfschrauben 6 x 100 mm befestigt werden. Die Traglattung wurde mit je vier Schrauben an den stehenden KVH-Riegeln befestigt, zusätzlich sind kleine Kerto-Q-Platten 39 x 100 x 120 mm an den KVH-Riegeln aufgeschraubt, um die Horizontallasten aus der Fassade aufnehmen. Da im Gehegebereich die Fassadenelemente die Beanspruchung durch Giraffen mit einer Höhe von bis zu 6 m und 1500 kg Gewicht aushalten müssen (denn so eine Fassade lädt richtiggehend dazu ein, sich das juckende Giraffenfell daran zu kratzen), war Auswahl, Dimensionierung und Befestigung der Verkleidungen in diesem Bereich am anspruchsvollsten.
Witterungsgeschützter Wandaufbau
Die Gebäuderadien sind im Gehege kleiner, mit Musterelementen konnten diese ermittelt werden. Die polygonale Verkleidung fällt dem Besucher hier gar nicht mehr auf. So wurde für die Traglattung Kerto-Q mit Dicken von 39/80-120 mm gewählt. Im Außenbereich des Giraffengeheges musste eine elliptische Wand zusätzlich außen mit Wärmedämmung versehen werden, hier wurden die Gefache der Holzständer mit 16 cm Rockwool Flexirock ausgedämmt, als Witterungsschutz dient eine sorgfältig verklebte Stamisol DW-Bahn. Davor wurde eine vertikale Lattung mit Nageldichtband aufgebracht, die als Auflager für die Konsolplatten und gleichzeitig zur Hinterlüftung der Tragkonstruktion dient. Davor hängen wie im restlichen Außenbereich die verzinkten Stahlrahmen mit den Holzlamellen.
Wegen der im maßgebenden Lastfall („Giraffe mit Juckreiz“) auftretenden hohen Zug- und Scherbeanspruchungen in den Schraubverbindungen zwischen Lamelle und Tragkonstruktion, der korrosiven Umgebung und der großen Stückzahl – insgesamt wurden 25 700 Edelstahl-Tellerkopfschrauben verbaut – entschied sich die Firma Greinwald für den Einsatz von Spax T-Star plus-TeKo Schrauben, die sich in Vorversuchen am besten (und vor allem ohne zeitaufwändiges Vorbohren) eindrehen ließen und die statischen Anforderungen voll erfüllten.
Die senkrecht montierten Holzlamellen aus Gebirgslärchenholz (50/80 mm, Sonderfräsung zur Sichtseite hin konisch zulaufend) sollten in größer werdenden Abständen von 50 bis 120 mm montiert werden, um die Funktion der hinter den Lamellen liegenden Lüftungs- und Heizungsanlage zu gewährleisten.
Kein Element gleicht dem anderen
Nicht nur wegen der später eventuell notwendigen Reversierbarkeit, auch wegen des sehr engen Terminplans musste die Fassade in Elementen von max. 1,80 x 2,20 m vorgefertigt werden, dabei gleicht kein Element dem anderen. Dazu wurde die Unterkonstruktion millimetergenau eingemessen, Lage und Länge jeder einzelnen Lamelle mit CAD geplant und auf Großformat im Maßstab 1:1 gespiegelt ausgedruckt. Gut 700 m² Papier waren dafür nötig. Die Ausdrucke wurden auf einem Montagetisch ausgelegt, die grob zugeschnittenen Holzlamellen und Tragkonstruktion nach der Zeichnung ausjustiert und miteinander verschraubt.
Nach dem Verschrauben wurden die Kurvenschwünge, die jedes Element auf der Ober- und Unterseite erhielt, aufgerissen und mit der Handkreissäge nachgeschnitten. Für die gebogenen Elemente im Zuschauer- und Außenbereich wurden Sperrholzplatten auf die den Radien angepassten Holzspanten aufgeschraubt, um den Montagetisch an die Tragkonstruktion anzupassen. So war es möglich, die Fassadenelemente dank gut 500 Stunden detaillierter Werkplanung und hohem Vorfertigungsgrad in kurzer Zeit und ohne Nachbearbeitung am Gebäude zu montieren. Mit den zusätzlich zu erstellenden Zäunen und einer Aussichtskanzel, die alle mit den gleichen Lärchenholzlamellen belegt wurden, sind insgesamt 6000 Lfm. beziehungsweise 24 m³ Lärchenholzlamellen verbaut worden.
Nur gut, dass so der Eröffnungstermin am 15. Mai 2013 eingehalten werden konnte, denn bei den zukünftigen Bewohnern hatte sich mit dem Giraffenbaby „Naledi“ schon Nachwuchs eingestellt.
Autor
Florian Greinwald ist Bauingenieur und zweiter Geschäftsführer der Zimmerei Greinwald GmbH.
Ein ausgeklügeltes Konzept und hohe Dämmstärken mindern Energieverluste
Die Vorfertigung der Fassadenelemente garantierte die Einhaltung des Terminplans
Im Internet finden Sie weitere Fotos vom Tierpark Hellabrunn und der Montage der Fassade. Geben Sie hierzu bitte den Webcode in die Suchleiste ein.