Heimat aus Holz
Nicht nur mit Blick auf Flüchtlingsunterkünfte brauchen wir die von NRW-Bauminister Michael Groschek geforderte „Willkommenskultur für Bagger“, denn die Schaffung bezahlbaren Wohnraums ist eine „doppelte Integrationsaufgabe“, bei der die jüngst gegründete „Initiative bezahlbarer Wohnungsbau“ hilft.
Wir stehen gesellschaftlich an einem Punkt, an dem wir bei zurzeit stark rückläufigen Flüchtlingszahlen für die Menschen, die in unserem Land Asyl bekommen, dauerhafte Unterkünfte schaffen müssen. Die Bilder der massenhaft in Hallen untergebrachten Menschen dürften damit bald der Vergangenheit angehören. Wir alle wissen, dass ein paar Quadratmeter Hallenfußboden, notdürftig mit Planen oder mobilen Stellwänden zu einem Raum umzäunt, wenig mit einer menschenwürdigen Unterkunft zu tun haben.
Vom Zelt zur Leichtbauhalle
Aus den Zelten, in denen man Flüchtlinge im Sommer 2015 untergebracht hatte, sind Ende vergangenen Jahres winterfeste Leichtbauhallen geworden. So entwarf Jan Schabert vom Büro günther & schabert Architekten in München drei Leichtbauhallen, die ergänzt um einige Container 230 Personen aufnehmen können. Insgesamt sind über die Stadt München derzeit rund 20 Leichtbauhallen verteilt.
In Berlin baut die Thies Holzbau GmbH auf dem Tempelhofer Feld zurzeit nach Plänen einer Architektengemeinschaft ein Tragwerk aus gebogenen Brettschichtholzbindern auf, das im Sommer mit einer Membran bespannt werden soll. In den rund 2,2 Millionen Euro teuren Hallen soll den im Flughafengebäude untergebrachten Flüchtlingen ein vielfältiges Bildungsangebot ermöglicht werden.
Holzmodulbauweise für die Erstaufnahme
Vor allem aus Holz konstruierte Module, deren Wände sich in der Werkstatt als einzelne Elemente vorfertigen lassen, sind eine schnelle und gute Möglichkeit, Flüchtlinge für kurze Zeit im Rahmen einer Erstaufnahme unterzubringen. Später lassen sich die Module leicht dorthin bringen, wo sie dann gebraucht werden, und ebenso schnell für eine andere Nutzung umbauen. So kann daraus auch Wohnraum für eine langfristige Nutzung entstehen. Bereits im vergangenen Jahr nutzte die Firma Opitz Holzbau ihr 75jähriges Jubiläum dazu, mit dem so genannten „Flexihome“ solche Holzbaumodule einer breiten Öffentlichkeit am ihrem Firmenstandort in Neuruppin vorzustellen.
Auch bei der Firma Baufritz sucht man gemeinsam mit Architekturstudenten, Flüchtlingen und den Auszubildenden aus dem eigenen Haus nach Lösungen für mobile Wohnunterkünfte aus Holz, die sich schnell per Hand auf- und wieder abbauen lassen. Das Holzbauunternehmen unterstützt damit das Flüchtlingsprojekt „sur.viva – [be]come home“ einer Studentengruppe der Hochschule München. Die einzelnen Holzmodule können zu mobilen Wohneinheiten zusammengesetzt werden und sollen nicht nur für die aktuelle Flüchtlingssituation hierzulande genutzt werden, sondern auch für Notsituationen wie Naturkatastrophen im Ausland. Die Bauweise wurde von den Studenten bereits zum Patent angemeldet.
Auch der Holzwerkstoffhersteller Egger stellte im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Architekten Bruno Moser und dem Holzbauunternehmen Saurer ein Konzept für schnell verfügbaren Wohnraum vor: das Konzepthaus. Dieses wird der Anforderung gerecht, nicht nur für Flüchtlinge rasch Wohnraum bereitzustellen, der sich an verschiedene Bedürfnisse flexibel anpassen lässt. Möglich macht dies auch bei diesem System die Modulbauweise. Das Konzepthaus wird in gedämmten Elementen zerlegt angeliefert, um den Transport und die Lagerkosten zu minimieren. Die schnelle Montage erlaubt es, in kurzer Zeit sogar mehrgeschossige Gebäude in Abhängigkeit der gültigen Bauordnung und Brandschutzbestimmungen mit bis zu drei Stockwerken zu bauen. Die unbehandelte Oberfläche der dafür verwendeten „OSB 4 Top“ für Wand und Decken schafft eine wohnliche Atmosphäre. Eine Bodenwanne mit Abfluss, ein Waschbecken, ein WC, ein Warmwasserboiler sowie eine Duschgarnitur komplettieren die Sanitärzelle des Moduls. Standardisierte und auf die Konstruktion angepasste Fensterelemente aus Lärchenholz mit Drei-Scheiben-Verglasung bieten viel Tageslicht. Künstlich beleuchtet werden die Räume durch in die Decken flächenbündige eingebaute LED-Leuchten. Die Fassade bilden Dreischichtplatten aus Lärchenholz. Jedes Modul wird mit Anschlüssen für Wasser, Abwasser und Strom sowie einer Infrarotheizung ausgestattet. „Je nach Auftragslage liegt die Fertigungszeit für ein zweistöckiges Gebäude aus zwölf Modulen bei etwa zwölf Wochen, inklusive Montage“, erklärt Manfred Saurer vom Holzbauunternehmen Saurer.
Auch bei den für eine Nutzungsdauer von fünf bis zehn Jahren ausgelegten Flüchtlingsunterkünften, die nach Plänen des Büros Gerstberger Architekten im März dieses Jahres in München aus Raummodulen fertiggestellt wurden, kam es darauf an, schnell Wohnraum zu schaffen. Das Münchner Holzbauunternehmen LiWood benötigte dank Vorfertigung der Wandelemente aus Holz in einer Fertigungshalle vor Ort nur fünf Monate für den Bau der insgesamt vier miteinander verbundenen Flüchtlingsunterkünfte. Die nach den Anforderungen der EnEV für 1600 Euro pro Quadratmeter Bruttogeschossfläche erbauten Wohngebäude, bieten auf insgesamt 4800 m2 Fläche in 14 m2 großen Zwei-Bett-Zimmern Platz für rund 300 Flüchtlinge.
Initiative für bezahlbaren Wohnungsbau
Containersiedlungen bleiben städtebaulich und architektonisch schwierig, weil sie schnell und unter enormem Kostendruck aufgebaut werden mussten. Da es aber nicht nur Flüchtlinge sind, die künftig nach günstigem Wohnraum suchen, sind nur die aus Holzmodulen erbauten Flüchtlingsunterkünfte nachhaltig, die später auch für eine andere Funktion genutzt werden können. Denn es mangelt schon seit Jahren auch an bezahlbaren Wohnungen für Geringverdiener und Studenten – vor allem in Ballungszentren. Bis 2018 rechnet man hierzulande mit mehr als einer halben Million Wohnungsloser. Die Zuwanderung hat diesen grundsätzlichen Mangel an günstigem Wohnraum noch verschärft.
Daher bedarf es eines übergreifenden gesellschaftlichen Engagements für den kostenbewussten Wohnungsbau, oder wie Vizekanzler Sigmar Gabriel es nennt: einer „doppelten Integrationsaufgabe“. „Denn es geht um die Integration der Flüchtlinge und um die Stärkung des Zusammenhalts in unserer Gesellschaft“, sagt Bundesministerin Barbara Hendricks in dem Video, das wir auf der Kommunalkonferenz „Zuwanderung und integrierende Stadtgesellschaft – Was folgt nach der Erstunterbringung“ Mitte März in Berlin gedreht haben. Die schnelle und einfache Lösung ist daher mittlerweile keine mehr.
Aus dieser Überlegung heraus gründete das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit in Berlin gemeinsam mit dem Deutschen Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt, das für den deutschen Pavillon auf der Architekturbiennale in Venedig verantwortlich ist, und dem Bauverlag in Gütersloh, in dem auch die Zeitschrift dach+holzbau erscheint, die „Initiative bezahlbarer Wohnungsbau“. Ziel dieser Initiative ist es, dazu beizutragen, dass künftig mindestens 350 000 Wohnungen pro Jahr fertiggestellt werden.
Die Bundesregierung hat, was die Finanzierung dieses Vorhabens anbelangt, schon mal positive Signale ausgesendet: Das Bundeskabinett hat Ende März die Eckdaten für den Bundeshaushalt 2017 beschlossen, wonach den Ländern für den Wegfall der Finanzhilfen des Bundes zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus in den Jahren 2017 bis 2019 Kompensationsmittel von über einer Milliarde Euro pro Jahr zufließen. Darüber hinaus sieht der Kabinettsbeschluss vor, weitere 500 Millionen Euro pro Jahr für ein Wohnungsbauprogramm zugunsten sozialer Brennpunkte und jährlich 300 Millionen Euro zusätzlich für den Bereich „Soziale Stadt“ zur Verfügung zu stellen. Mit Geld allein ist es bekanntlich nicht getan. Auch der Verwaltungsaufwand für den Bau von Flüchtlingsunterkünften und von bezahlbarem Wohnungsbau insgesamt muss von den Landesbauordnungen bis hin zu den regionalen Bebauungsplänen reduziert werden. Dies betrifft die Stellplatzverordnung ebenso wie die Barrierefreiheit und die EnEV. Und es muss ausreichend Bauland ausgewiesen werden, auf dem dann auch tatsächlich gebaut werden kann. Der NRW-Bauminister Michael Groschek fasst solche Forderungen mit seiner „Willkommenskultur für Bagger“ zusammen.
Dauerhafte Unterkünfte in Holzrahmenbauweise
Für die Unterbringung derjenigen Flüchtlinge, die langfristig in Deutschland bleiben dürfen, bedarf es dauerhafter und damit nachhaltiger Neubauten, von denen Sie einige in dieser Ausgabe der dach+holzbau in weiteren Beiträgen finden werden. Sowohl für die „Schaffung von Wohnunterkünften für Flüchtlinge“ als auch für den „Sozialen Wohnungsbau“ bietet der Holzbau eine Vielzahl von Lösungen an. In NRW stellte zum Beispiel das Webportal „Holzbauten für Flüchtlinge“ für öffentliche Bauentscheider ebenso wie für private Investoren den Kontakt zu qualifizierten Zimmereien und Holzbaubetrieben her.
Aber vor allem Bayern spielt in Sachen Holzbauten für Flüchtlinge eine Vorreiterrolle. Im Vorfeld der diesjährigen Messe Dach+Holz besuchten auch wir von der dach+holzbau gemeinsam mit Vertretern der Verbände „Holzbau Deutschland“ und „ZVDH (Zentralverband des Dachdeckerhandwerks)“ das nach Plänen des Büros Meurer Architekten von Holzbau Weizenegger in der Münchner Schleißheimer Straße für 158 Flüchtlinge in Holzrahmenbauweise fertig gestellte Wohnheim, das auch die „Baustelle des Monats“ in diesem Heft ist.
Das gleiche Holzbauunternehmen errichtete bereits vor über einem Jahr für rund 1,4 Millionen Euro (1400 Euro je Quadratmeter Bruttogeschossfläche) in Ostfildern Wohnungen in Holzrahmenbauweise für bis zu 39 Flüchtlinge und Obdachlose. Mit einer prognostizierten Lebensdauer von 40 Jahren sind diese Gebäude für eine langfristige Nutzung ausgelegt. Die Neubauten erfüllen alle Anforderungen an moderne Wohngebäude – insbesondere eine energiesparende und wirtschaftliche Bauweise und flexible Grundrisse.
In Langenbach-Freising stellte die Adldinger Bauwerk GmbH im März dieses Jahres für rund 2 Millionen Euro (2000 Euro je Quadratmeter Bruttogeschossfläche) nach Plänen des Architekturbüros Fiedler + Partner eine zweigeschossige Unterkunft für 78 Flüchtlinge ebenfalls in Holzrahmenbauweise fertig. Durch leicht zu entfernende Innenwände in Trockenbauweise ist eine spätere Umnutzung leicht möglich. Dabei wäre ein Kindergarten, eine Obdachlosenunterkunft oder ein Studentenwohnheim, eine Büronutzung oder auch die Unterbringung der Volks- und Musikschule denkbar.
Diese Beispiele zeigen, dass aus Holz erbaute Flüchtlingsunterkünfte eine langfristige und damit nachhaltige Nutzungsperspektive haben, die nichts mit den schnell nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entstanden Holzbaracken zu tun haben.
Weitere Informationen finden Sie auch im Internet unter www.initiative-bezahlbarer-wohnungsbau.de.