Wohnheim aus Holzmodulen entsteht in Bielefeld
42 Wohnungen für StudentenWer mit Holzmodulen baut, muss sie nicht in einem Stück produzieren lassen. Das zeigt der Bau eines Studentenwohnheims in Bielefeld. Die 45 Module bauten Zimmerer vor Ort aus Brettsperrholz. Für den Bauherrn war es der erste Modulbau, das nächste Mal will er auf jeden Fall anders vorgehen.
Neuer Wohnraum für Studenten ist knapp, auch in der Universitätsstadt Bielefeld. Hier leben etwa 24 900 Studenten, Tendenz steigend. Bis Ende 2020 sollen rund 5200 neue Wohnheinheiten entstehen. Hans Westfeld hat einen Teil dazu beigetragen, neuen Wohnraum für Studenten zu schaffen. Ab 2014 hat er zwei leerstehende Gebäude in Bielefeld zu Studentenwohnheimen umgebaut. Direkt daneben baut er jetzt ein dreistöckiges Studentenwohnheim aus Holzmodulen. Der Bauherr und Planer Hans Westfeld ist Sachverständiger für Schäden an Gebäuden, Energieberater und Lehrbeauftragter für Projektentwicklung und Bauen im Bestand. „Das Holzmodul-Wohnheim ist ein Pilotprojekt, um erste Erfahrungen mit der Modulbauweise zu sammeln – fast alle modularen Bauprojekte werden auf der Baustelle so zusammen gefügt, dass sie nicht mehr wirtschaftlich trennbar und translozierbar sind“, sagt Westfeld, „bei der Planung unseres Wohnheims aber stand die Rückbaubarkeit und Wiederverwendbarkeit der Module im Vordergrund.“ Seine Erfahrungen möchte er nutzen, um noch in diesem Jahr ein zweites Studentenwohnheim aus Holzmodulen zu bauen.
Vollständig rückbaubar
„Das Wohnheim lässt sich innerhalb von acht Wochen zurück- und an einem anderen Ort wiederaufbauen. Dadurch ist es möglich, auch nur temporär nutzbare Flächen zu nutzen und so die angespannte Wohnsituation in Ballungszentren zu entschärfen“, sagt Westfeld. Das Studentenwohnheim aus Holzmodulen steht auf einem ehemaligen Parkplatz. Aus drei der Module soll sich eine 75 m² große Wohnung zusammenbauen lassen. „Im Gegensatz zu anderen Projekten mit massivem Treppenhaus ist dieses Wohnheim vollständig modular und translotionsfähig“, sagt Westfeld. Dazu kommt, dass Punktfundamente die Basis für das Haus bilden. Diese Fundamente lassen sich einfacher zurückbauen als ein Streifenfundament oder eine Bodenplatte aus Beton.
Modulbau ohne Werkstatt
Die Handwerker der Zimmerei Heinrichs aus Hiddenhausen verschraubten die Module auf einem großen Montagetisch vor Ort, direkt auf der Baustelle. Böden, Wände und Decken der Module bestehen aus Brettsperrholz des Herstellers Binderholz. Alle Stöße der Module sind luftdicht mit PU-Leim verklebt. „Es war günstiger, die Wände, Decken und Böden aus einzelnen Teilen liefern zu lassen und vor Ort zusammen zu bauen, als die Module fertig liefern zu lassen“, sagt Westfeld. Doch der Bau der Module kostete die Zimmerer mehr Zeit als gedacht: Insgesamt sechs Wochen schraubten die Zimmerer an den 45 Modulen. Der Zimmermann Matthias Flachmann baute dabei das erste Mal Module aus Holz. Die Wände, Decken und Böden bauten er und seine Kollegen aus mehreren Brettsperrholz-Segmenten zusammen. Die Seitenwände der Module bestehen aus 1,25 m breiten, 2,50 m hohen und 10 cm dicken Holzplatten. Die Böden bestehen aus 2,3 m x 4,19 m und 14 cm dicken Platten. Die Elemente durften im kurzem Maß nicht breiter als 2,50 m sein, sonst wäre für den Transport eine Sondergenehmigung nötig gewesen. Die Wände der Module sind tragend. „Das die Wände aus mehreren Teilen bestehen, ist dem Umstand geschuldet, dass im Wohnbereich Sichtqualität und im Küchenbereich Nicht-Sicht-Qualität gefordert war“, sagt Flachmann.
Weil die Wände aber aus mehreren Segmenten bestehen, war ein stabileres Auflager nötig, das über die Punktfundamente spannt und die vertikalen Lasten der Module trägt: Daher stehen die Längswände der Module des Erdgeschosses auf Stahlträgern von 400 mm Höhe. Zusammen ergeben die Stahlträger einen Rahmen, der laut Bauherr Hans Westfeld „etwas überdimensioniert“ geraten ist. Für das nächste Studentenwohnheim aus Holzmodulen sollen die Längs-Wände aus einem Teil bestehen, also als Trägerelemente geliefert werden. Die Wände überspannen dann von Auflager zu Auflager. Der Stahlrahmen kann dann sehr viel kleiner ausfallen.
Jedes Modul wiegt 6000 kg
Alle Module bauten die Zimmerer auf dem Campusgelände. Per Gabelstapler wurden sie nach dem Bau erst einmal gestapelt und mit Folien abgedeckt, um sie vor Regen zu schützen. In jedem der Module stecken etwa 340 Vollgewinde-Schrauben (8,5 x 300 mm) für Eckverbindungen und etwa 240 Schrauben (6 x 80 mm) für die Verbindung Segment zu Segment über Blindfeder. Während die Zimmerer die Module bauten, erstellten Betonbauer die Punktfundamente. Auf den Fundamenten verschraubten die Handwerker den großen, tragenden Stahlrahmen. Als nächste Schicht verlegten sie zementgebundene Spanplatten auf dem Stahlrahmen, die das Gebäude von unten vor Feuchtigkeit schützen. Darüber ist eine Dämmebene aus Lärche- und Douglasienholz montiert, die vor Ort mit Zelluloseeinblasdämmstoff gefüllt wurde. Direkt über die Dämmebene setzte ein Kran die ersten Holzmodule. Jedes Modul wiegt dabei etwa 6000 kg.
Zwischen den Modulen sitzt eine 5 cm dicke Akustik-Mineralwolldämmung zum Schallschutz. Für die Schallentkopplung zwischen den Etagen setzte Bauherr Hans Westfeld PU-Schallschutzstreifen von Ro-thoblaas ein. Um die Module miteinander zu verbinden, waren laut Statik einfache Nagelplatten erforderlich, die jedoch den Schall übertragen. „Hier besteht für den nächsten Bau noch Verbesserungsbedarf, um die eigentlich sehr guten Schallschutzwerte der Modulbauweise zu unterstützen“, sagt Westfeld.
Jede Etage ein Brandabschnitt
Das Studentenwohnheim ist drei Geschosse hoch, die oberste Geschossdecke liegt bei 7 m Höhe. Tragende Wände und Decken erfüllen nach NRW-Landesbauordnung die Feuerwiderstandsklasse F30, halten einem Brand also 30 Minuten lang stand. Jede Etage des Hauses bildet einen eigenen Brandabschnitt. Zwei außenliegende Stahltreppen sind im Brandfall die ersten Fluchtwege. Die Wände im Flur sind aus Brand- und Schallschutzgründen mit Gipskartonplatten-Vorsatzschalen versehen. Außerdem ist die nicht unerhebliche Anzahl an Vorwandinstallationen hinter dem Gipskarton versteckt. Die Wände in den Holzmodulen sind im Vorraum, im Küchen- und Badbereich, mit feuchtigkeitsabweisenden Gipskartonplatten beplankt. Das Brettsperrholz der Wände und Decken im Wohnraum ist sichtbar, aber mit einer weißen Lasur gestrichen. „Wir waren nicht sicher, ob die Studenten reine Holzoberflächen mögen würden. Daher haben wir die Wände und Decken weiß lasiert“, sagt Michaela De Carlo, die für die Verwaltung der Modulwohnungen zuständig ist.
Nagelplattenbinder über Zellulosedämmstoff
Mehrere Nagelplattenbinder bilden das Dach des Hauses, produziert und angeliefert von der Firma Suckfüll Holzbausysteme. Gedämmt ist die oberste Geschossdecke mit Zelluloseeinblasdämmstoff. Die Giebelseite des Daches soll mit Zinkblechen verkleidet werden. Die Dachdeckung ist gleichzeitig eine Photovoltaikanlage, auf einer Traglattung sind hier Photovoltaik-Elemente befestigt. „Diese werden, wenn die Sonne scheint, genügend Leistung produzieren, um alle drei Studentenwohnheime auf dem Campus zu versorgen“, sagt Hans Westfeld.
Lärche trifft Zink an der Fassade
Mit TJI-Holzstegträgern entsteht eine Dämmebene vor der Fassade, beplankt wird sie mit Holzfaser-dämmstoffplatten. Die Fassade wird aus Brandschutzgründen mit Mineralwolle gedämmt. Vor die Dämmebene kommt eine hinterlüftete Lärchenholzfassade. Teilweise soll die Holzfassade von vertikalen Zinkstreifen unterbrochen werden.
Zu 100 Prozent mit KfW-Mittel finanziert
Das Studentenwohnheim besteht pro Etage aus 14 Wohnmodulen und einem Technikmodul. Jede der Wohnungen ist eine eigene, abgeschlossene Einheit, nur 25 m² groß, aber mit Küche und Bad ausgestattet. Mit Strom, Internet, Telefon, Wasser und Heizung kostet die Miete etwa 360 Euro pro Modul. Alle Wohnungen sind dabei schon vermietet. Ausgestattet sind die Module mit automatischen Lüftungsanlagen und Infrarotheizungen, die sich per App steuern lassen. Das Gebäude erfüllt durch sein Photovoltaikdach den KfW-Effizienzhaus 40 Plus-Standard. Der Bau wird zu hundert Prozent mit KfW-Mitteln finanziert und gefördert.
Wettbewerb zum Energiesparen
Insgesamt ist der Holzmodulbau in Bielefeld ein hochwertiges, modern ausgestattetes Studentenwohnheim. Bei der Strom- und Wasserabrechnung für die Bewohner will Bauherr Hans Westfeld beim nächsten Gebäude zusätzliche Anreize zum Energiesparen setzen: Aus dem Verbrauch aller Wohnungen soll ein Mittelwert gebildet werden. Wer über dem Mittelwert liegt, zahlt etwas mehr, wer darunterliegt, zahlt weniger an Miete. „So schaffen wir eine Art Wettbewerb zum Energiesparen“, sagt Westfeld.
Die modulare Holzbauweise erlebt derzeit einen Boom, der sich auch auf Mehrfamilienhausprojekte in der Wohnungswirtschaft erstreckt. Ebenso eignet sich diese Bauweise für Aufstockungen und Nachverdichtungen.
Ausblick
Noch in diesem Jahr soll ein weiteres Studentenwohnheim aus Holzmodulen in Bielefeld entstehen. Für den Bau der Module will Hans Westfeld dann aber eine Gewerbehalle anmieten. Darin sollen die Zimmerer die Module aus größeren Holzplatten zusammenbauen, unabhängig vom Wetter. Dadurch soll die Bauzeit sinken und auch die Zahl an Schrauben pro Modul wird wahrscheinlich geringer ausfallen. Bei der Anlieferung sind die Module dann mit Bädern und Küchen bereits „bezugsfertig“ und müssen nur an einer Anschlussbox im Flur angeschlossen werden. Auf der Baustelle ist dann noch das vorgefertigte Dach sowie die Sichtfassade zu montieren. Hierdurch soll sich die örtliche Bauzeit auf acht bis zehn Wochen verkürzen.
AutorStephan Thomas ist verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift dach+holzbau in Gütersloh.
Bautafel (Auswahl)
Projekt Neubau eines Studentenwohnheims aus Holzmodulen am Campus Energy, Beckhausstraße, Bielefeld, www.bi-energy.de
Bauzeit 8/2017 – heute
Bauherr Hans-Jürgen Westfeld, Sachverständiger und Lehrbeauftragter für energieeffizientes Bauen, Bielefeld, info@svb-westfeld.de, www.svb-westfeld.de
Zimmerei Zimmerei Heinrichs, Hiddenhausen, Kontakt: holzgewerk@web.de
Dachdeckung/Photovoltaik GT Solar, Gütersloh, www.gt-solar.de
Produkte (Auswahl)
Brettsperrholz (Menge: etwa 300 000 kg) Binderholz, A-6263 Fügen, www.binderholz.com
Zellulosedämmung "IQ3 Cellulose", www.iq3-cellulose.de
Nagelplattenbinder Suckfüll Holzbau Systeme GmbH & Co. KG, Nieheim, www.suckfuell.com
Stegträger Fassade „Steico Wall“, Variante Dämmträger, Steico SE, Feldkirchen, www.steico.com