Wohnheim für Heidelberger Studenten in Holz-Modulbauweise

Der Modulbau fasziniert seit jeher Investoren, Planer und Architekten. Er ist daher eine immer wieder neu entdeckte Bauweise. Die drei fünfgeschossigen Apartmenthäuser für Studenten in Heidelberg entstanden jüngst nach einem neu gedachten Modulbau-Konzept in hochwertiger Bauweise.

Die Modulbauweise fordert Planer heraus, auf kleinstem Raum alle Funktionen einer eigenständigen Wohneinheit optimal zu verbinden. Gleichzeitig bietet diese Bauweise viele Möglichkeiten, auf variablen Wohnraumbedarf zu reagieren. Klassische Aufgabenfelder der Modulbauweise sind Studenten- und Schülerwohnheime, aber auch Hotels, Altenheime, Krankenhäuser sowie Büro- und Verwaltungsgebäude – oder aktuell auch Flüchtlingsheime.

Das kam auch dem Studentenwerk Heidelberg in den Sinn, das dringend neuen bezahlbaren Wohnraum benötigte und seit Jahren unermüdlich damit beschäftigt ist, neue Wohnmöglichkeiten für Jungakademiker zu schaffen.

Als es um die Investition in neue Apartmenthäuser im sogenannten „Neuenheimer Feld“ ging, initiierte das Studentenwerk eine EU-weite Ausschreibung für einen Modulbau. Neben den Bewertungskriterien „Baukosten“ spielten bei der Auswahl des Siegers auch die „Betriebskosten“ und die (technische) Qualität der Bauteile eine zentrale Rolle. Gefordert war zudem eine auf Holz basierende Bauweise, weil sie mit vielen anderen positiven Aspekten verbunden ist: kurze Bauzeiten durch Vorfertigung, energiesparendes Bauen (Stichwort niedriger Primärenergiebedarf). Als Energiestandard war KfW40 zu erfüllen. Am Ende der kalkulierten Nutzungsdauer von etwa 60 Jahren sollen die Gebäude zudem (mit geringem Aufwand) rückbaufähig und die Materialien wieder verwendbar, beziehungsweise – wenn nicht anders möglich – recyclebar sein. Und zu guter Letzt galt es, einen qualitativ hochwertigen Wohnraum zu gestalten, der kostengünstig ist und schnelle sowie flexible Lösungen ermöglicht.

Die Ausschreibung für den Bau der drei fünfgeschossigen Apartmenthäuser konnte ein Generalunter­nehmer aus München, die LiWood AG, für sich entscheiden. Außer der Bauweise mit zum Teil nachwachsenden Rohstoffen überzeugte die Jury vor allem auch die minimalen Betriebskosten, die sich aus dem Einsatz von Luft-Wasser-Wärmepumpen in Kombination mit einer leistungsfähigen Photovoltaik-Anlage ergeben. Das reduziert die Kosten für Heizung und Warmwasserbereitung fast auf Null.

Größe der Raummodule: Projektbezogen variabel

Zusammen mit dem Studentenwerk entwickelte das Generalunternehmen ein modulares Konzept, bei dem auch das einfache Zusammenfügen und Kombinieren der Kuben zentrales Thema war.

Entstanden ist ein reih- und stapelbares Raummodul mit Wänden aus massivem Kreuzlagenholz (KLH) (= Brettsperrholz (BSP)) und einem Stahlbeton-Boden. Die Raummodule von LiWood sind nicht standardisiert. Sie können projektbezogen, je nach Raumprogramm beliebige Abmessungen haben. Gemeinsam ist den Modulen lediglich die Möglichkeit, sie zu verschieden großen Apartments zu verbinden.

Die Raummodule der Apartmenthäuser in Heidelberg sollten knapp 20 m² Wohnfläche erhalten. Daraus ergaben sich Modul-Außenabmessungen von 6,60 m Länge und 3,40 m Breite.

Auf den Bodenplatten verteilen sich bei den drei Häusern – zwei davon L-förmig angelegt, eines als kompakter Quader – je Geschoss 18, 20 und 15 Raummodule. Sie sind meist in zwei Reihen angeordnet. Ein Stichflur dazwischen erschließt sie und führt zum zentralen Treppenhaus.

Mischbauweise verbindet baustoffspezifische Vorteile

„Bei der Wahl der Baustoffe sprach der besser zu bewältigende Trittschall für Stahlbeton bei den Böden. Bei den Wänden waren es neben den vielen anderen Vorteilen von Holz vor allem auch der dampfdiffusionsoffene Außenwandaufbau, den der nachwachsende Rohstoff ermöglicht“, erklärten die Generalplaner. Seine natürlichen wärmedämmenden Eigenschaften waren ebenfalls ein Plus: sie reduzierten die zusätzlich aufzubringende Dämmstoffdicke der Gebäudehülle.

So bestehen die Böden der Grundmodule aus 18 cm dicken Stahlbeton-Fertigteil-Platten mit 10 cm hoher Aufkantung rundum. Auf Letzterer setzen die Wandelemente aus dreilagigem, 11 cm dickem KLH bündig auf. Die Wände sind mit 2,45 m so hoch wie das lichte Raummaß (Geschosshöhe: 2,73 m). Die Aufkantung und Bodenplatte fungieren als „flaches Becken“. Darin sind die Rand- und Trittschalldämmung (2 cm) sowie der Estrich samt Fußbodenheizung eingebaut. Stahllaschen verbinden die Wände an der Außenseite mit der Bodenplatte.

Aussteifung per Deckenscheiben und hölzerner „Wabenstruktur“

Spezielle Systembauteile aus zwei gegengleichen Stahlteilen koppeln die Grundmodule in Boden- beziehungsweise Deckenebene. Sie verbinden die einzelnen Stahlbeton-Fertigteil-Platten kraftschlüssig zu Geschossdecken-Scheiben. Diese sorgen für die horizontale Gebäudeaussteifung. Sie schließen zudem an das zentrale Treppenhaus in Stahlbeton an, das als Aussteifungskern fungiert.

Die Waben- beziehungsweise Rasterstruktur, die sich aus den KLH-Quer- und Längswänden ergibt, steift die Geschosse vertikal aus.

Zum Einbau der 1,50 m beziehungsweise 2,0 m breiten Stahlbeton-Fertigteil-Elemente der Flure sind die Raummodul-Böden an den flurzugewandten Seiten teilweise über die Modullänge hinausgeführt und die Ränder konsolenartig ausgeführt. Darauf sind die Flurelemente mit dazwischen gefügten Elastomerlagern (Schallentkopplung) aufgelegt und so in die Deckenscheibe integriert.

Raummodule bis zur Hochhausgrenze stapeln

Die Apartmenthäuser sind rund 15,40 m hoch und entsprechen der Gebäudeklasse 4 (GK 4: Gebäude mit einer Höhe bis zu 13 m, das heißt die Oberkante der höchsten Geschossdecke liegt auf maximal 13 m). Mit dem Modulbau-Konzept lassen sich laut LiWood Gebäude bis zur Hochhausgrenze bauen (OK der höchsten Geschossdecke liegt auf maximal 22 m) – je nach Geschosshöhe können das sieben oder acht Module sein. Sogar über diese Höhe hinaus soll man die Module stapeln können; nicht nach der deutschen Musterbauordnung, aber die Bauordnungen anderer Länder geben das her.

Maßgebend für die Bauteil-Bemessung ist der ungünstigste Fall „Last auf Erdgeschoss-Modul“ – auf ihm stapeln sich zwischen ein und sieben Module. Doch auch die Brandschutzanforderungen sind entscheidend zum Beispiel bei den erforderlichen Wandstärken: Sie sind daher aus Brandschutzgründen überall gleich, obwohl man sie rein lastbedingt geschossweise hätte staffeln können. Doch eine Lösung ohne vertikale Wandversprünge vereinfacht auch die Planung und Ausführung im Hinblick auf Leitungsführung und Anschlüsse.

Wärmeschutz für KfW40-Standard

Die 11 cm dicken BSP-Außenwände erhielten als Gebäudehülle einen 28 cm dicken Aufbau aus Dämmebene und Fassade. Die zweischichtige Dämmebene besteht aus einer 18 cm tiefen Pfosten-Riegel-Konstruktion und einer 6 cm tiefen Lattung, die insgesamt mit 24 cm Mineralfaserdämmstoff ausgefüllt sind, und eine Unterspannbahn aufnimmt. Darauf folgt die hinterlüftete Fassade aus Faserzementplatten. Die Außenwände erreichen einen U-Wert von 0,148 W/m²K.

Die werkseitige Montage der Modul-Wände umfasst neben der Beplankung auch die Konstruktion der Dämmebene samt Einbau der Fenster darin (Uw-Wert: 0,71 W/m²K. Die Bekleidung der Fassaden erfolgte erst nach der vollständigen Montage aller Raummodule eines Gebäudes.

Den schwimmenden Estrich erhielten die Module ebenfalls werkseitig, um einen fehlerfreien Einbau und damit eine optimale Trittschalldämmung sicherzustellen.

Den oberen Abschluss bildet ein Pultdach. Es setzt auf den Raummodulen des letzten Geschosses auf, die mit Stahlbeton-Fertigteil-Decken geschlossen und wieder zu einer Deckenscheibe verbunden wurden. Darauf folgt ein Warmdachaufbau mit einer Dampfsperre, einer Gefälledämmung (2 Prozent) und einer EPDM-Dachabdichtung sowie einem Substrat (U-Wert = 0,127 W/m²K).

Die Bodenplatten mit unterseitiger Perimeterdämmung, oberseitiger Trägerplatte, Trittschalldämmung und Estrich mit Bodenbelag erreichen einen U-Wert von 0,16 W/m²K.

Autorin
Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag ist studierte Bauingenieurin und freie Journalistin aus Karlsruhe. Sie berichtet vorwiegende über Holzbauthemen im In- und Ausland.

Am Ende der Nutzungsdauer von 60 Jahren sollen die Gebäude rückbaufähig und die Materialien wieder verwertbar sein

Baudaten (Auswahl)

Bauvorhaben Drei Apartmenthäuser für Studenten, Im Neuenheimer Feld, 69120 Heidelberg

Bauweise Modulbau (Holz-Beton-Misch- bzw.

Hybridbauweise)

Bauzeit April bis August 2013

Bruttogeschossfläche 7610 m²

Apartments 158 mit 265 Betten

(1 bis 4er Appartements)

Energiestandard KfW40

Energiebedarf 16,1 kWh/m²/a

Primärenergiebedarf 20,9 kWh/m²/a

Energiebedarf Gesamtgebäude rund 96 600 kWh/a

Leistung PV-Anlage 120,96 kWp

Ertrag aus PV-Anlage ca. 98 000 kWh/a

Baubeteiligte (Auswahl)

Bauherr Studentenwerk Heidelberg, 69117 Heidelberg, www.studentenwerk.uni-heidelberg.de

Generalübernehmer (Architektur, Werkstatt-Planung und Holzkonstruktion) LiWooD Management AG, 80336 München, www.liwood.com

Werkplanung und Bauleitung (HOAI-Leistungs­phasen 5 bis 8)    Dipl.-Ing. Manfred Gruber,

88348 Bad Saulgau, www.gruber-architekt.de

Tragwerksplanung dHb – Dürauer Hermann Brändle Tragwerksplaner GmbH,

72800 Eningen u. A., www.ib-dhb.de

Montage Holzkonstruktion Büker Holzbau GmbH, 79268 Bötzingen, www.holzbau-bueker.de

Fertigung und Abbund KLH-Elemente KLH Abbundzentrum Deutschland, ABA Holz van Kempen GmbH, 86477 Adelsried, www.aba-holz.de

Brandschutzkonzept TSB Ingenieurgesellschaft mbH, Tichelmann & Barillas Ingenieure,

64285 Darmstadt, www.tsb-ing.de

Guter Schallschutz innerhalb der Geschosse

Das Studentenwohnheim wurde mit einem erhöhten Schallschutz nach DIN 4109 Beiblatt 2 geplant und ausgeführt. So erreicht der Luftschall zwischen den Modulen aufgrund der Zweischaligkeit der Wände und der Fugendämmung einen Dämmwert von R’w = 60 dB. Er liegt damit über den geforderten 55 dB.

Für einen guten Trittschalldämmwert zwischen den Geschossen sorgt der schwimmend verlegte und damit schalltechnisch entkoppelte Zementestrich. Damit kommen die Trenndecken auf einen Luftschalldämmwert von R’wR = 62 dB.

Die Trittschalldämmung der Geschossdecken beträgt L’n,w = 44 dB und liegt damit ebenfalls besser als die geforderten 46 dB (beim Trittschallschutz ist der kleinere Wert der bessere).

Brandschutzkonzept forderte Kapselung

Für das Brandschutzkonzept war ein Gutachten erforderlich, das ein Sachverständiger extra für dieses Bauvorhaben entwickelt hat.

Das Ergebnis sah eine raumseitige Beplankung der KLH-Wände mit 18 mm dicken Gipsfaserplatten vor. Damit konnte das (nach DIN EN 13501-2) geforderte Kapselkriterium K230 erfüllt werden. Als Gesamtbauteil sind die Wände mit F60AB klassifiziert. Das Gebäude selbst ist mit einer Feuerwiderstanddauer von F60 konzipiert. Dort, wo Sichtholzflächen aus gestalterischen Gründen gewünscht waren, wurden auf die Gipsfaserplatten zusätzlich Dreischichtplatten aufgebracht.

Die Länge der Schenkel der L-förmigen Wohnhäuser beziehungsweise des kompakten dritten Apartmenthauses sowie die Lage der Treppenhäuser sind so gewählt, dass Fluchtwege von weniger als 35 m Länge entstehen (Brandabschnittsgrenze). Brandabschnitte waren daher nicht erforderlich. Als zweiter Flucht- beziehungsweise Rettungsweg gilt die Anleiterung der Feuerwehr über die Fassade.

Im Internet finden Sie weitere Fotos und Zeichnugen vom Bau des Studentenwohnheims sowie Zusatzinformationen über die Wohnmodule (Installation, Stromherstellung mit PV, Modulkonzept). Geben Sie hierzu bitte den Webcode in die Suchleiste ein.

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