Rückblick auf das 25. Internationale Holzbauforum

Das IHF zwischen Einfachheit und Superlativen

Das Internationale Holzbauforum (IHF), das Branchentreffen schlechthin, fand dieses Jahr erstmals in Innsbruck statt. Neben Superlativen gab es auch Vorträge, die die Einfachheit des Bauens forderten oder die Wiederverwertbarkeit des Baustoffs Holz thematisierten. 2400 Besucherinnen und Besucher kamen zum IHF.

Der Start des IHF war etwas holprig: Am ersten Kongresstag, dem 4.12., mussten sich gleich mehrere Referenten entschuldigen. Der erste Vortrag („Charta Holz 2.0 – der politische Weg zur Holzverwendung im Bauwesen“) wurde leider wegen Krankheit ersatzlos gestrichen. Andere Referenten konnten hingegen Vertreter schicken, so auch Paul Williamson von der Swan Housing Group aus London. Seinen Vortrag „Modular gefertigter und standardisierter Wohnungsbau in UK“  hielt der Holzbauingenieur Tobias Loew von Eurban (London/Frauenfeld). An acht Projekten zeigte er, wie Holz in Großbritannien mittlerweile in vielen Bauprojekten eingesetzt wird. Dass Holz per se Kohlendioxid-speichernd ist und als nachwachsender Rohstoff umweltfreundlicher als andere Rohstoffe, muss nicht weiter ausgeführt werden. Interessant war aber eine Vergleichszahl: Bei einem der vorgestellten Bauprojekte in London wurden 65 Fahrten mit Holztransporten durchgeführt, bei einem vergleichbaren Projekt wären 215 Fahrten mit Betonlastwagen notwendig gewesen. Je nachdem woher die Lieferung kommt, ist das eine mehrfache CO2-Einsparung. 

Holz ist sympathisch, auch in Berlin

Stefan Schautes von der Howoge Wohnungsbaugesellschaft Berlin warb in seinem Vortrag „Holz ein sympathischer Baustoff“ um Architekten und Planer, die nach Berlin kommen sollten. „Gestalten Sie diese Stadt aus Holzbausicht mit“, rief er den Zuhörerinnen und Zuhörern zu. In dieser Aussage steckt viel: Zum einen zeigt sie den Boom in der Branche (schon jetzt sind Fachkräfte und Planer rar), zum anderen auch die Gestaltungskraft und Möglichkeiten, die sich in Großstädten mit Holz ergeben.

Von derzeit neun Projekten der Howoge Wohnungsbaugesellschaft werden immerhin drei in Holzbauweise gebaut (Generalunternehmer waren hier zum Beispiel die Firmen Rubner und Brüninghoff), zumindest als Holzhybrid mit Beton-Tragstruktur. „An das Tragwerk aus Holz trauen wir uns noch nicht heran“, sagte Stefan Schautes. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Das höchste Holzhaus Deutschlands

Auch der Skaio, das mit 34 Metern höchste Holzhaus Deutschlands, ist ein Beton-Stahl-Holz-Hybrid. Hier sind die Stützen allerdings aus Brettschichtholz, andere statische Teile (die Unterzüge) sind aus Stahlbeton gefertigt. Das Tragwerk ist also ein Mix aus nachwachsenden und konventionellen Baustoffen. Holz-Beton-Verbunddecken bringen Gewicht in die Decken.

Das Skaio ist das Vorzeigegebäude im Neckarbogen Heilbronn. Die Wohnbebauung mit unterschiedlichen Baukonzepten ist Teil eines neuen Stadtquartiers im ehemaligen Neckar-Güterverladegebiet und war gleichzeitig Teil der Bundesgartenschau 2019. Mehrere Gebäude wurden hier in Holzbauweise verwirklicht, der zehnstöckige Skaio (GU Fa. Züblin) ragt als Leuchtturm heraus.

In Innsbruck wurden nicht nur herausragende Bauwerke, sondern auch Siedlungskonzepte vorgestellt: Stichworte wie Aufenthaltsqualität, bezahlbarer Wohnraum, Gemeinschaftsflächen, Cradle 2 Cradle (beim Skaio wurde Recyclingbeton verwendet) und Wohlfühlqualität, wurden in Heilbronn von den Siedlungsentwicklern beherzigt. „Die Menschen trafen sich während der BUGA abends im Café des Skaio“, berichtete Wolf-Dieter Sprenger von der Stadtsiedlung Heilbronn GmbH auf dem Holzbauforum. Bezahlbarer Wohnraum wurde ganz konkret umgesetzt: Die Dachflächen wurden nicht als teure Penthouse-Wohnungen vorgesehen, sondern als Aufenthaltsräume definiert. „Das wird sehr gut angenommen“, sagte Sprenger. Nicht Rendite um jeden Preis, sondern Aufenthaltsqualität und ein gutes Miteinander, waren die Prämisse für die Siedlungsgesellschaft. So soll ein weiteres neues Viertel entstehen, auch hier sollen nachhaltige Aspekte umgesetzt werden. Neben drei- bis vierstöckigen Wohnhäusern ist auch die Pflanzung eines Waldes geplant. Es geht um begegnungsfähige Räume, dazu sind neben dem Holzbauern und Architekten auch die Stadtplaner gefordert. Das war auch Teil der Abschlussdiskussion, die das Miteinander von Menschen fokussierte und den ersten Vormittag des IHF abschloss.

25 Jahre Internationales Holzbau-Forum

Das IHF ist in Innsbruck ins 25 Jahr gegangen. Nach 22 Jahren in Garmisch-Partenkirchen war aus Kapazitätsgründen 2018 Schluss. Und die Veranstalter konnten sich mit 2400 Teilnehmerinnen und Teilnehmern (600 plus im Vergleich zum Vorjahr) nun in neuen großzügigen Räumlichkeiten bestätigt sehen. Das Congress-Zentrum in Innsbruck beherbergte auch noch 165 Aussteller aus 35 Ländern, die den Branchentreff zu einer Messe light machten.

Einfach, materialgerecht, innovativ

Neben Superlativen und Leuchtturmprojekten, die wie üblich auf dem IHF vorgestellt wurden, dreht sich die Diskussion vieler Architekten und Planer auch um „Einfaches Bauen“. Diesem Thema wurde ein ganzer Nachmittag gewidmet. „Nutzer wollen nicht erst die Gebrauchsanleitung lesen müssen, um ein Haus bewohnen zu können“, sagte beispielsweise Florian Nagler von der TU München, der in seinem Vortrag Beispiele von durchtechnisierten Gebäuden (z.B. das Gymnasium in Diedorf, einem Holzbau) zeigte, aber auch von einer Schule in München aus der Gründerzeit, die mit Außenmauern von 72 cm im Sommer die notwendige Kühle erreicht und im Winter trotzdem beheizbar ist. Ganz ohne Lüftungstechnik. Sein Plädoyer lautete: „Einfach bauen mit einfacher Architektur. Wir haben die Chance, uns wieder auf Bewährtes zurückzubesinnen, etwas, das jahrhundertelang funktioniert hat.“ Diese verheißungsvolle Bauzukunft ist also nach Florian Nagler ein gesunder Materialmix. Das die Zukunft holzbaulastig ist, das wünscht sich zumindest Georg Willi, Bürgermeister der Stadt Innsbruck, er sagte auf dem Holzbau-Forum: „Holzbau ist modern, Holzbau ist smart und urban“ und erntete dafür Applaus. Das Holzland Österreich hat Möglichkeiten, hier ganz vorne mitzumischen.

Die Zukunft beginnt im Kopf

„Diese Zukunft muss aber zunächst im Kopf beginnen“, forderte Zukunftsforscher und Publizist Matthias Horx und hatte einige provozierende Thesen parat. So forderte er das Publikum auf, in Lösungen zu denken und nicht in Problemen, er sagte: „Imaginieren Sie eine Zukunft, die funktioniert!“. Exemplarisch brachte er einen Titel des Time-Magazines mit, auf dem stand: „2050: How Earth survived“ – wie haben wir im Jahr 2050 überlebt?

Horx zeigte mit Beispielen, dass Trends von 3 bis 5 Prozent der Bevölkerung gemacht werden und Gegentrends hervorrufen. So wie der vegane Trend, diesem werde ein Gegentrend zu mehr Fleischgenuss entgegengebracht. Die höhere Stufe, ein Mittelweg aus beiden Strömungen, ist dann der Flexitarismus, also Fleischverzehr in geringerem Maße. Was das mit Holzbau zu tun hat? Übertragen auf den Baubereich gibt es ähnliche Phänomene: auf der einen Seite Verbände, die für das Bauen in Massivbauweise plädieren. Auf der anderen Seite die Verbände, Hersteller und Politiker die sich für das Bauen mit Holz stark machen. Die höhere Stufe, der Kompromiss aus beiden Positionen, wäre in diesem Fall die Holz-Hybridbauweise. Zukunftsforscher Horx, der den Klimawandel als große Herausforderung sieht, forderte zudem Städte aus Holz und Siedlungen, die mehr Energie produzieren als sie verbrauchen. Zudem die „zirkuläre Ökonomie“, eine Kreislaufwirtschaft, in der es keinen Abfall mehr gibt. Er selbst bezeichnet sich als Possibilist und hat für diesen Begriff seine eigene Definition: Wenn man an die Möglichkeiten glaubt, dann kann es gelingen!

Neben Zukunftsvisionen, Leuchtturmprojekten wie dem Besucherzentrum für den Naturpark Schwarzwald in Ruhestein, die zeigen, was mit Holz alles möglich ist (und wofür neben Holz jede Menge Stahl eingesetzt werden muss), zeigten sich auf dem IHF auch alternative Projekte und starke Statements: Den Abschluss machten am letzten Tag Professor Eike Roswag und Andrea Klinge. Sie untersuchten in einem Forschungsprojekt, wie Altholz wieder zu Baumaterial werden kann. Anhand eines Dachrückbaus in Berlin konnte so eine Holzständerkonstruktion mit Holzbeplankung gebaut werden. Die Technik ist erprobt und muss nur noch serienreif umgesetzt werden.

Das IHF zeigte die unterschiedlichen Facetten des Holzbaus und begeisterte wohl einen Großteil der Besucherinnen und Besucher, ist bei dem „Familientreffen der Branche“ doch für jeden etwas dabei. Das große Gebäude des Congress Innsbruck bietet Platz, allerdings kann man sich nur einen Bruchteil der Beiträge und Referenten anschauen. Ob dies den recht hohen Preis für die Veranstaltung rechtfertigt, wird sich in Zukunft zeigen. Vielleicht ist es ja auch Zeit innezuhalten, ganz nach dem Motto, das einige Referenten des IHF schon durchklingen ließen: weniger ist mehr.

Autor

Rüdiger Sinn ist Redakteur der Zeitschrift dach+holzbau.

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