Zuerst der Holzmast, dann das Windrad
Windkraftanlagen müssen lange Genehmigungsverfahren durchlaufen. Eines davon ist der Nachweis über entsprechende Windgeschwindigkeiten an der zukünftigen Nabenhöhe. Im Schwarzwald wurde hierfür (auf über 1000 Meter Höhe) ein knapp 100 Meter hoher Windmessmast aus Holz gebaut.
Der Erfinder des Windmessmasts aus Holz, Benjamin Kienzler, stammt aus dem Ort Vöhrenbach mitten im Schwarzwald. Kienzler ist Zimmerermeister und arbeitete im Familienbetrieb der Zimmerei-Innenausbau Kienzler GmbH, bevor er sich vor einigen Jahren zum Energieberater weiterbildet und mit der Firma Energieberatung Benjamin Kienzler Ltd. selbständig machte. Zudem engagiert er sich bei dem Bürgerwindprojekt Siventis. Die Bürgerinitiative besteht aus zehn Bürgern aus dem Raum Furtwangen und Vöhrenbach und plant derzeit mit den Projekten Windenergie Linach WiLi und Windenergie Rappeneck WiRa bis zu neun Windenergieanlagen.
Alternative zu Stahl
Diese regionalen Projekte haben maßgeblich zur Innovation eines komplett neuartigen Windmessmasts beigetragen. Bei der Planung kam die Frage auf, ob ein Windmessmast auch aus dem Werkstoff Holz realisierbar wäre. Bislang gab es nämlich keine Alternative zu Stahl. Seit August 2012 wurde getüftelt und die Thematik ernsthaft studiert. Statiker wurden zu Rate gezogen und natürlich auch Metallbaubetriebe, die die Verbindungsbleche herstellen sollten. Nach neun Monaten Entwicklungszeit konnte die Frage nach der Umsetzbarkeit mit dem Werkstoff Holz eindeutig beantwortet werden. „Die Experten waren davon überzeugt, dass wir den Messturm aus Holz bauen können“, sagt Benjamin Kienzler rückblickend.
Der – nach Angaben der Erbauer – erste Windmessmast, der in Deutschland aus Holz gebaut wurde, hat eine Höhe von circa 100 m. Handwerker und Planer feierten am 28. Juni 2013 auf der Linacher Höhe (1043 m ü. M.) bei Furt-wangen Richtfest und weihten den Windmessturm damit ein.
Die wesentliche Planung und die anfallenden Holzarbeiten für das Projekt übernahm die Zimmerei Kienzler. Das Leitersystem im Innern des Fachwerks wurde in Kooperation mit der Firma Skylotec entwickelt. Die Schlosserei Kleiser kümmerte sich um die Verbindungsstücke aus Stahl. Die Firma Siventis betreute das Projekt, steuerte den Projektablauf samt Aufstellung des Masten, bis hin zur Auswertung der Messergebnisse.
Nur heimisches Holz für das Bauwerk
Der statisch geprüfte und genehmigte Mast besteht aus einem quadratischen Holzfachwerk, welches 1,40 x 1,40 m misst und aus heimischer Weißtanne gefertigt ist. Der Turm besteht aus einzelnen 9 m-Segmenten, die im Zimmereibetrieb Kienzler Schritt für Schritt von den Mitarbeitern vorgefertigt wurden. Dabei schraubten die Zimmerer die T-Winkel auf die senkrechten Stützen. Die Streben und Diagonalen wurden geschlitzt und mit Stahlbolzen mit den Winkeln verbunden.
Von 9 bis 99 Meter
Zunächst wurde das Fundament gegossen. Es besteht aus einer 1,80 x 1,80 m großen Bodenplatte aus Beton mit entsprechenden Stahlarmierungen sowie – um den Mittelpunkt des Turmes herum – aus weiteren 12 Verankerungen für die Abspannseile.
Nach diesen Vorarbeiten konnte der Turm schließlich mit einem Autokran zusammengesetzt und vom Fundament aus nach oben gebaut werden. Die Modulbauweise ermöglicht, dass der Mast eine variable Höhe zwischen 9 m und zu 99 m erreichen kann. Speziell ausgebildete Industriekletterer befestigten in luftiger Höhe die Segmente miteinander. Dazu wurden an den bereits aufgerichteten Segmenten die Verbindungsbleche angeschraubt und die nächsten Segmente eingefädelt. Um die nötige Stabilität zu erreichen, sind an jedem Segment vier Stahlseile angebracht. Sie sind mit Radien von 30, 40 und 50 m rund um den Turm herum abgespannt.
Aufgrund der Verwendung von relativ großen 9 m-Segmenten, konnte der 99 Meter-Mast innerhalb von fünf Tagen komplett montiert werden. Für Wartungsarbeiten ist er begehbar, an der Innenseite des Holzfachwerks ist ein Leitersystem angebracht. Die Stahlleiter aus verzinktem Stahl wurde während der Vorfertigung in die jeweiligen Segmente eingebaut. Durch eine in der Mitte des Leitersystems integrierte Führungsschiene kann sich ein Monteur direkt an der Leiter mit seiner Persönlichen Schutzausrüstung einhaken. Pro Segment gibt es zudem noch zusätzlich eine Absturzsicherung.
Ausleger zur Windmessung
Zur eigentlichen Windmessung sind am Mast in der Höhe von 60, 80 und 100 m individuell anpassbare und ausklappbare Ausleger aus feuerverzinktem Stahl mit einer Länge von bis zu 8 m angebracht. Da die Ausleger ausklappbar sind, kann gegebenenfalls eine Gerätewartung einfach durchgeführt werden. In Kombination mit mobilen Sodar- (Schall-) oder Lidar-(Infrarot-) Messungen kann das Windaufkommen (die sogenannte Windhöffigkeit) auf einzelnen geplanten Standorten innerhalb eines Windparks genau ermittelt werden. Damit wird eine optimale Standortfestlegung ermöglicht.
Zur Erdung des Windmessmastes sind die Stahlleiter und die Ausleger miteinander verbunden. Das Erdungsband ist mit allen Fundamenten verbunden, Überspannungen werden so in das Erdreich abgeleitet.
Jede Menge Holz, aber auch Stahl
Am gesamten Windmessmast in Linach wurden 20 m³ naturbelassenes Weißtannenholz und hunderte Kilogramm verzinkte Stahlteile verbaut. Die Abspannseile kommen zusammen genommen auf eine Länge von 3500 m.
Der zum Patent angemeldete Windmessmast kann gemietet werden oder wird auf Kundenwunsch angefertigt. Die Höhe des Masts, die Anzahl der Ausleger und das Messequipment werden je nach Anforderungen gebaut, konfiguriert und betriebsbereit erstellt. Der Mast ist außerdem zerlegbar. Er kann somit nicht nur einmal, sondern mehrmals verwendet werden.
„Wir haben mit dem Windmessmasten ein neuartiges, wartungsfreundliches, kundenorientiertes und wieder verwertbares Produkt entwickelt“, sagt Benjamin Kienzler. Der Erfinder hegt die Hoffnung, dass er mit dem Masten eine Marktnische gefunden hat. Dann würde einer erfolgreichen Verbreitung nichts im Wege stehen, so Kienzler.
Autorin
Stefanie Schwer aus Furtwangen ist Auszubildende als Industriekauffrau bei der Zimmerei und Schreinerei Manfred Kienzler. So hat sie fast den gesamten Ablauf der Arbeiten live miterleben können.
Die Frage, ob der Bau eines Windmessmasten aus Holz möglich ist, konnte mit „Ja“ beantwortet werden
Exakte Windmessung ist vor allem in Schwachwindgebieten wichtig
Eine exakte Windmessung für mindestens ein Jahr ist Voraussetzung für die Genehmigung einer Windkraftanlage. Mit einer Windmessung soll zum einen der optimale Standort für eine Windanlage gefunden werden. Zum anderen kann die Definition der Auswahlkriterien (zum Beispiel Nabenhöhe, Ausführung mit oder ohne Getriebe, Rotordurchmesser, Windparklayout (wo werden die Anlagen gebaut?)) für die optimale Windenergieanlage genannt werden und schließlich kann mit der Windmessung auch die Absicherung einer Ertragsprognose getätigt werden.
Bautafel (Auswahl)
Projekt Windmessmast auf der Linacher Höhe in Holzbauweise
Planung Energieberatung Benjamin Kienzler Ltd., 78147 Vöhrenbach
Holzbau Zimmerei – Innenausbau Kienzler GmbH, 78147 Vöhrenbach
Projektsteuerung Siventis Windprojekte GmbH, 78147 Vöhrenbach