Sport im sinnlichem Edelrohbau

Die Kantonsschule Sargans und das Berufs- und Weiterbildungszentrum Sarganserland haben seit August 2012 eine Vierfach-Sporthalle. Der Entwurf des überwiegend aus Holz konzipierten Neubaus setzt auf einfache, aber wirkungsvolle Gestaltungsmittel.

Imposant wirkt die neue Vierfach-Sporthalle. Eingebettet zwischen hoch aufragenden Berggipfeln bildet der Neubau den Schwerpunkt der Regionalen Sportanlage (RSA) Sargans.

Mit der großzügigen Sporthalle, die sich in vier Einzelhallen unterteilen lässt und zusätzlich Bereiche mit Fitness- und Gymnastikräume hat, kann der Bedarf sowohl der angrenzenden Kantonsschule als auch des Berufs- und Weiterbildungszentrums Sarganserland optimal abgedeckt werden. Dank der engen Zusammenarbeit mit der Gemeinde Sargans profitieren auch die örtlichen Sportvereine von dem Neubau.

Fast 100 Prozent Holz

Die konsequente Architektur ist das Markenzeichen des Bauwerks. Es ist durch und durch ein Holzbau – sowohl sein Tragwerk als auch die Bekleidung. Einzige Ausnahme: die Holz-Beton-Verbund(HBV)-Decken des zweigeschossigen, südseitig gelegenen Gebäudeteils.

Neubau statt Sanierung

An der Stelle der neuen Vierfach-Sporthalle stand ursprünglich eine fast 30 Jahre alte Dreifachsporthalle. Sie wies erheblich Schäden auf. Die Kosten für eine zeitgemäße Sanierung plus Anbau einer Einfachsporthalle hätten allerdings nur unwesentlich unter den Kosten eines Neubaus gelegen. Diese Lösung wäre weder baulich noch betrieblich zufrieden stellend gewesen. So entschied sich der Bauherr, das Hochbauamt des Kantons St. Gallen, für Abriss und Neubau. Den 2008 dafür ausgelobten Architekturwettbewerb hat die Architektengemeinschaft blue architects & Ruprecht Architekten GmbH aus Zürich gewonnen.

Das Hochbauamt legte den Fokus des Projekts auf Nachhaltigkeit und regionale Wertschöpfung. Für das Gebäude war demnach der Schweizerische Minergie-Standard gefordert sowie geringe Unterhalts- und Entsorgungskosten.

Der reduzierte Leichtbau blieb im Kostenrahmen

Aufgrund der Auffassung der Architekten, die umweltbewusstes Bauen nicht mehr nur als Option, sondern als gesellschaftliche Notwendigkeit betrachten, hatten sie die Sportanlage bereits von vornherein als Holzbau konzipiert. Ihr Ziel: Ein sinnlicher ausdrucksstarker Edelrohbau, den die Tragstruktur aus ökologisch wertvollem und hochwertigem Holz prägt, das sinnvoll und sparsam eingesetzt wird.

Bei der Konstruktion kombinierten die Architekten traditionelle Handwerkspraktiken mit neuen Produktionstechniken und übersetzen ihren Entwurf in eine zeitgemäße Tragstruktur mit leistungsfähigen Verbindungen aus vorfabrizierten Holzbauteilen.

Tragkonzept aus vielen schlanken Rahmen

Die knapp 30 m breite, 66 m lange und rund 10 m hohe Sporthalle bilden 40 eng aneinander gereihte Zweigelenkrahmen aus Fichte (Abstand = 1,65 m) unterschiedlicher Festigkeiten. Die Rahmen spannen über 28,8 m. Trotz der Länge des Riegels (GL28h) ist dieser nur 14 cm breit bei einer Höhe von 140 cm. Die Rahmenstiele (GL36) sind mit b/h = 14 cm x 80 cm dimensioniert. Infolge der unterschiedlichen Querschnitte zwischen Riegel und Stiel entsteht ein für die Riegeldimension zwar kleines, für die Abmessungen des Stiels aber großes Eckmoment.

Um das Eckmoment zu verringern und die Rahmenstiele zu entlasten haben die verantwortlichen Tragwerksplaner von Walt+Galmarini eine neue Technik zur Verbindung von Rahmenecken eingesetzt und gleichzeitig die Rahmenstiele „vorgespannt“.

Dabei wurden die Stiele mit einer leichten Neigung nach innen vorgefertigt, ihre Fußpunkte aber dann bei der Montage nach außen in die Vertikale gezogen und fixiert. Diese Zwangsverformung erzeugt im Rahmeneck ein positives Moment, das durch ein negatives Eckmoment aufgrund von äußeren Lasten auf das Dach wie zum Beispiel Schnee teilweise aufgehoben (überdrückt) wird. So können die Rahmenstiele die verbleibenden Lasten aufnehmen. Die Rahmenriegel erhalten dafür größere Feldmomente, für die sie jedoch groß genug ausgelegt sind.

GSA-Verbindungstechnologie für die Rahmenecken

Für den Anschluss der Rahmenriegel mit den Stielen setzte Walt+Galmarini auf die GSA-Technologie. GSA steht für „Gewinde Stangen Anker“. Dabei handelt es sich laut Entwickler, der „neue Holzbau AG“ aus Lungern (CH), um ein kraft- und formschlüssiges Verbundsystem, das sich durch hohe Tragfestigkeit, Steifigkeit und duktiles Verhalten auszeichnet.

So wurden die Rahmen und Stiele mit je zwei speziellen Stahlbändern und Bolzenverbindungen im äußeren und inneren Eckbereich sowie einer Gewindestange, die die oberen mit den unteren Stahlbändern verbindet, zusammengeschlossen. Dabei nimmt die Gewindestange den Querzug auf, der bei Lasteinflüssen von außen in Rahmenecken auftritt, und wirkt hier Rissen entgegen.

Eschen-BS-Holz für großer Lasten

Im zweigeschossigen Gebäuteteil ist die Geschossdecke unter den Nassbereichen des Obergeschosses als Holz-Beton-Verbund(HBV)-Decke mit Unterzügen aus kombiniertem Fichte-/Esche-BS-Holz, teilvorfabrizierten 5 cm dicken Gitterträgerplatten und lediglich 7 cm vor Ort gegossenem Überbeton ausgeführt. Bei den Unterzügen kamen Verbundanker zum Einsatz, die bisher nur vereinzelt im Brückenbau Verwendung finden. Das größte Feld mit fast 11 m Spannweite ist mit 15 Tonnen schweren Betonfertigteil-Duschzellen belastet.

Walt+Galmarini hat bereits bei einem anderen Pilotprojekt positive Erfahrung mit Eschen-BS-Holz (GL40) gemacht. Seine Verwendung ermöglicht aufgrund der mindestens 50 Prozent höheren Biege- und Schubfestigkeiten die Option, die Trägerquerschnitte um etwa 60 Prozent kleiner zu dimensionieren. Hinzu kommt, dass sich Esche einfach mit Fichte kombinieren lässt, was schon aus Kostengründen von Vorteil ist. Denn Eschenholz ist dreimal so teuer wie Fichte. Man wollte es daher nur einsetzen, wo es erforderlich ist.

Hülle aus Pi-Platten- und HRB-Elementen

Die    Gebäudehülle bilden Holzrahmenbau(HRB)-Ele­­mente mit 20 cm Mineralfaser-Dämmung. Als Fassade kommt eine Vertikalschalung aus unbehandeltem Fichtenholz zum Einsatz.

Als Dachelemente wählten die Planer unterseitig geschlossene Pi-Platten. Sie wurden zwischen die Rahmenriegel gehängt und zu einer Dachscheibe verbunden. Heraklitplatten (Akustikelement Heradesign) auf der Unterseite, die ebenfalls im Werk aufgebracht wurden, liefern gleich den Innenausbau und sparen einen Arbeitsgang.

Der Neubau ist vorwiegend aus heimischem Holz gefertigt: 63 Prozent stammen aus der Schweiz, 37 Prozent aus Österreich und Deutschland.

Transparenz nach innen und außen

Die Gebäudehülle besteht aus unbehandelter, einheimischer Fichte. Es wurde konsequent auf formaldehydhaltige Werkstoffe verzichtet – mit entsprechenden Nachweisen und Messungen.

Die Verschalung nimmt direkt Bezug auf die Tragstruktur und verschmilzt so mit ihr. Im Bereich der Fenster öffnet sie sich, wird halbtransparent, lässt den Betrieb dahinter erkennen und trägt damit wesentlich zum filigranen Gesamtausdruck bei.

Anerkennung beim Prix Lignum

Die neue Vierfach-Sporthalle der Kantonsschule Sargans erhielt Ende September 2012 eine Anerkennung beim Prix Lignum. Der Prix Lignum zeichnet den zukunftweisenden Einsatz von Holz aus. Träger der Auszeichnung sind Lignum, der Verband der Holzwirtschaft Schweiz sowie das Bundesamt für Umwelt.

Autorin
Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag ist Journalistin und Fachbuchautorin. Sie lebt und arbeitet in Karlsruhe.

Um das Eckmoment zu verringern, wurden die Rahmenecken mit einer neuen Technik verbunden und die Rahmenstiele „vorgespannt“

Erdbebenlasten mussten berücksichtigt werden

Ein Erdbebennachweis ist in der Schweiz obligatorisch. Um die Lasten für die weiter verwendete Holzpfählung des Vorgängerbaus gering zu halten, haben die Planer die Aussteifung gegen Wind und Erdbeben aus Holz konzipiert: Das Abfangen von Erdbebenlasten gewährleisten wenige Holzrahmenbauwände mit OSB-Beplankung in den Sporthallen-Längswänden. Sie sind als Schubfelder konzipiert.

Die Aussteifung des Gebäudes übernehmen in Querrichtung die Rahmen. Als Nebentragwerk und zugleich als aussteifende nachgiebige Schubfelder wurden bei den Dächern Dreischichtplatten eingesetzt. Sie stabilisieren den Baukörper in Längsrichtung und leiten die Horizontallasten aus Wind und Erdbeben in die Wandscheiben ab.

Der zweigeschossige Garderobentrakt bewirkt, dass der Massenschwerpunkt des Gesamtgebäudes außerhalb der Sporthalle liegt. Damit kommt die 7 m hohe Glasfassade ohne Aussteifungselemente aus.

Im Internet finden Sie weitere Fotos von der Vierfach-Sporthalle in Sargans. Geben Sie hierzu bitte den Webcode in die Suchleiste ein.

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