Pfälzer Dachlandschaften
Sanierung der Dächer eines Ensembles in NeupotzWie bereits in bauhandwerk 3.2013 berichtet, konnte in der Ortsmitte von Neupotz in der Südpfalz ein Ensemble aus Fachwerkhaus, Backsteingebäude, Scheune und zwei Tabakschuppen saniert und zum Museum umgebaut werden. Insbesondere die Dachdeckerarbeiten auf den unterschiedlichen Dachformen waren anspruchsvoll.
Noch bis 2004 wurde das heute denkmalgeschützte Ensemble in der Ortsmitte von Neupotz landwirtschaftlich genutzt. Danach verkaufte die Bauernfamilie es an das Land Rheinland-Pfalz. Baugeschichtlich bedeutend ist das 1778 erbaute Fachwerkhaus. Die übrigen Gebäude wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtet. Im Jahr 2007 startete man mit der Freilegung der Gebäude, um die Bausubstanz zu beurteilen. Erst im Oktober 2009 allerdings begannen die Bauarbeiten am Haupt- und Nebengebäude. Ende 2011 konnte das Museum im Fachwerkhaus eingeweiht werden. Im August desselben Jahres begannen die Umbauarbeiten an der Scheune, Ende 2012 konnten diese abgeschlossen werden.
Mansardwalmdach mit Biberschwanzziegeln
Da sich der Dachstuhl des Fachwerkhaupthauses im Laufe der Jahrhunderte stark verformt hatte, waren insbesondere die Dachdeckerarbeiten am Mansardwalmdach für die Mitarbeiter der Dachdeckerfirma Philipp Hehrlein aus Annweiler besonders anspruchsvoll: „Die Dachdecker mussten das Dach sozusagen modellieren“, sagt Stefan Schneider vom Architekturbüro Mathias Henrich aus Speyer, den man mit der Sanierungsplanung beauftragt hatte. „Der Dachstuhl war derart verzogen, dass wir auf den Sparren ziemlich viel ausgleichen und auffüttern mussten, bis wir eine halbwegs gerade Dachfläche für die Biberschwanzziegel hatten“, bestätigt Dachdeckermeister Ulrich Hehrlein. Das war aber beileibe nicht die einzige anspruchsvolle Bauaufgabe, die es für die Dachdecker am Mansardwalmdach des Fachwerkhauses zu leisten galt. In Absprache mit dem Architekten und dem Denkmalamt sollten sie auch das ursprüngliche Erscheinungsbild des Daches wieder herstellen. „Da haben wir Bücher gewälzt, bis wir das originale Erscheinungsbild gefunden hatten“, erinnert sich Ulrich Hehrlein. Nach den Angaben aus den Büchern stellten seine Mitarbeiter mit viel handwerklichem Geschick auch die First- und Gratverkleidungen mit Schieferschindeln wieder her, die sie auch für die Ortgänge verwendeten. Auf den Pultdächern der Schleppgauben verlegten die Dachdecker ebenfalls je vier Reihen Biberschwanzziegel. Den Anschluss der Gaubendächer an die profilierten Gesimsbohlen der Mansarde führten die Dachdecker mit Zinkblech aus. Das gleiche Material verwendeten sie für die Wangen der Gauben und alle übrigen Spenglerarbeiten. „Die profilierten Gesimsbohlen, die die Zimmerei in der Werkstatt hergestellt hat, nannte man früher gemesserte Bohlen – einen Ausdruck, den man im Holzhandwerk eher von der Furnierherstellung kennt. Montiert haben wir die Bohlen im Zuge der Eindeckung und auch am Backsteinnebengebäude haben wir die Zimmererarbeiten übernommen“, so Dachdeckermeister Hehrlein.
Von den Sparren des alten Dachstuhls mussten die Zimmerleute lediglich zwei erneuern. Hierfür verwendeten sie Hölzer aus alten Gebäuden. Zwischen die Sparren verstauten die Handwerker die Mineralwolledämmung und nagelten von unten Gipskartonplatten dagegen. „Das war für die Trockenbauer gar nicht so einfach, da sie auch auf der Innenseite der Sparren eine Ausgleichslattung aufbringen mussten, um an den Dachschrägen eine ebene Innenfläche zu erhalten“, erinnert sich Architekt Stefan Schneider.
Satteldach mit Doppelmuldenfalzziegeln
Auf dem Satteldach der Scheune befand sich ursprünglich eine Eindeckung aus Welleternit, was aufgrund der Asbestbelastung selbstverständlich zurückgebaut werden musste. Den Dachstuhl der Scheune errichteten die Zimmerleute wieder aus Dreiecksbindern. Da als Deckungsmaterial Ziegel verwendet werden sollten, musste die ursprüngliche Anzahl der Dreiecksbinder wegen der Lastabtragung verdoppelt werden. Zwischen den Sparren beziehungsweise Koppelpfetten sorgt auch hier Mineralwolle für eine ausreichende Wärmedämmung. Auf die Koppelpfetten nagelten die Zimmerleute Agepanplatten, die auch als zweite wasserführende Ebene zugelassen sind und zudem als statische Scheibe wirken. Der beidseitig durch zwei Dachfenster belichtete und belüftete Dachstuhl bleibt bis unter den First offen.
Auf dem Satteldach der Scheune verlegten die Mitarbeiter der örtlichen Zimmerei Manfred Antoni den für die Region auch heute noch typischen Doppelmuldenfalzziegel Z1. Dieser Pressdachziegel mit Kopf- und Seitenfalzen wurde 1881 von Wilhelm Ludowici auf Basis des Herzziegels im Nachbarort Jockgrim entwickelt, wo es hierzu heute auch ein Ziegeleimuseum gibt. Der Doppelmuldenfalzziegel Z1 ist damit eines der ältesten Modelle von Pressdachziegeln, die mit Hilfe von Stempelpressen zwischen einer Ober- und einer Unterform ausgepresst werden. Der Doppelmuldenfalzziegel verhalf der Ziegelei Ludowici damals zum wirtschaftlichen Durchbruch, so dass dieser sturmsichere Dachziegel heute in fast allen Regionen Deutschlands zu finden ist. Auf den Satteldächern der Tabakschuppen verlegten die Dachdecker ebenfalls den Doppelmuldenfalzziegel Z1.
Autor
Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.
Der für die Region typische Doppelmuldenfalzziegel Z1 wurde im Nachbarort entwickelt und gefertigt
Baubeteiligte (Auswahl)