Moderne Dachziegel für historisches Fachwerkhaus
Sanierung eines denkmalgeschützten Fachwerkhauses, Abriss und Neueindeckung
Bei der Dachsanierung eines rund 200 Jahre alten Fachwerkhauses in Homberg (Efze) wurden moderne Tondachziegel verwendet. Dennoch blieb der historische Charme des Daches erhalten. Die Baustellenlogistik war in den engen Gassen der mittelalterlichen Stadt eine Herausforderung.
Die hessische Kleinstadt Homberg (Efze) besticht durch ihr mittelalterliches Flair. Im 13. Jahrhundert wurde sie erstmals urkundlich erwähnt. Die im Zent- rum der Altstadt stehende Reformationskirche St. Marien kann als Wiege der Reformation für ganz Hessen angesehen werden. Ihr Turm überragt die umliegenden Fachwerkhäuser bei weitem. Bei einer Führung mit dem Türmer kann man den Turm besteigen und hat einen beeindruckenden Blick über die engen mittelalterlichen Gassen. Diese ziehen sich durch ein Meer von leuchtend roten Ziegeldächern. Mit ihren alten Häusern ist die Kleinstadt eine der schönsten Fachwerkstädte Nordhessens. Nicht wenige dieser historischen Schätze stehen unter Denkmalschutz. Denn nur so lässt sich das harmonische Gesamtbild der Stadt erhalten.
Historisches Haus, bewegte Geschichte
Inmitten der mittelalterlichen Altstadt liegt ein Fünffensterhaus im hugenottischen Baustil. Es hat eine Nutzfläche von insgesamt 840 m². Die 480 m² im Erdgeschoss werden gewerblich genutzt. Der darüber liegende Wohnbereich hat eine Fläche von 360 m². Das Haus wurde im Jahr 1820 nach einem Brand auf den Fundamenten eines sehr viel älteren Gebäudes errichtet. Das Bauwerk blickt auf eine durchaus bewegte, 200-jährige Geschichte zurück. Im 20. Jahrhundert war es bereits Herberge, Wohnhaus, Gaststätte und zwischenzeitlich auch das Vereinsheim des FC Homberg.
Sanierungsbedürftiges Dach
Die bisherige Dachdeckung des Hauses war weitaus jünger als das Gebäude selbst. Es wurde in den 1960er Jahren mit Standardfalzziegeln aus Ton neu eingedeckt. Nach etwas mehr als 50 Jahren entsprach die Deckung nicht mehr den technischen Standards. An den Zwerchhausanschlüssen und Erkern, in Kehlen und Dachluken wies es Undichtigkeiten auf. Zudem waren die Dachrinnen defekt. Generell fehlte eine wasserdichte Unterkonstruktion, sodass bereits Feuchteschäden eingetreten waren. Kurz: Das alte Dach war sanierungsbedürftig.
Historische Vorgaben und technischer Anspruch
Die anstehenden Arbeiten mussten mit der zuständigen Denkmalbehörde abgestimmt werden. Das betraf vor allem die Materialwahl. Hierbei galt es, einerseits den Anspruch einer historisch passenden Eindeckung zu erfüllen, andererseits aber auch ein Produkt zu finden, mit dem sich die anspruchsvolle Dachfläche optimal eindecken ließ. Denn das Hausdach weist zahlreiche Erker, Grate und Kehlen auf. In Absprache mit der Unteren Denkmalschutzbehörde fiel die Wahl auf den Tondachziegel „Muldenvariabel“ in der Farbe rot engobiert des Herstellers Laumans. Dieser Ziegel hat sich bereits in der Denkmalpflege bewährt. Er zeichnet sich durch eine geometrische Form mit doppelten Mulden aus. Technisch bietet er eine doppelte Verfalzung, passt sich durch seine Variabilität gut an den vorhandenen Lattenabstand auf einem Dach an und bietet zwei Möglichkeiten der Verlegung. Zum einen kann der Dachdecker die Ziegel in Reihe verlegen, zum anderen auch eine Verlegung im Verband ausführen. Ein umfangreiches Sortiment an passenden funktionalen Formstücken bietet stimmige Lösungen für Details in Anschluss- oder Randbereichen, beispielsweise für Grate, Firste oder auch Ortgänge.
Dachsanierung von Grund auf
Bei der Sanierung rissen die Dachdecker zunächst die alte Eindeckung inklusive der bestehenden Lattung ab. Wegen des hohen Gebäudealters war der Dachstuhl in den verschiedenen Bereichen sehr unterschiedlich aufgebaut. Die Dachflächen mussten im Zuge der Arbeiten daher ausgeglichen werden. Anschließend verlegten die Dachdecker eine durchgehende Schicht aus diffusionsoffenen DWD-Platten, die das wasserdichte Unterdach bilden. Auf diesen folgten dann die Konterlattung und die Traglattung. Aus optischen Gründen entschieden sich die Dachdecker für die Verlegung der Tondachziegel im Verband. Bei den Arbeiten erwies sich die Dachziegelgröße mit einem Bedarf von etwa 14 Stück pro Quadratmeter als ideal, da auf diese Weise der Verschnitt trotz des hohen Schneideaufwands gering gehalten werden konnte. Die Dachdecker beachteten zudem die Vorgaben zur Windsogsicherung: Es wurden jeweils 3 Dachziegel pro Quadratmeter im Verband verklammert. Die Ortgänge der Dachflächen wurden nach den Vorgaben der Denkmalpflege mit einem Schieferband ausgeführt, das optisch sehr ansprechend wirkt.
Im Bereich der Gaubenwände entfernten die Dachdecker die alte Bekleidung einschließlich der Unterkonstruktion komplett. Anschließend bauten sie eine Dämmung und Dampfsperre ein, die den modernen Standards entspricht, und verschalten die Wandflächen. Diese erhielten eine Bekleidung aus Schiefer. Die Traufen und Ortgänge der Gauben wurden mit Eichenholz versehen.
Enge Gassen sorgten für erschwerte Logistik
Bei allen Arbeiten am Dach erwies sich die Logistik als besondere Herausforderung. Die beengten Gassen der mittelalterlichen Altstadt erschwerten die Anlieferung und die Einrichtung eines Materiallagers. Es mussten sogar Teile der Straßenbeleuchtung weichen, die nach Abschluss der Baumaßnahme neu installiert wurden. Die Denkmalbehörde war von den Detaillösungen, die für das komplizierte Dach gefunden wurden, beeindruckt, inklusive der Ortgangausbildung. Auch der kräftige Rotton der Dachziegel mit seinem seidenmatten Glanz passte in die historische Umgebung. „Die Arbeiten waren eine logistische Herausforderung, die sogar das Denkmalamt beeindruckte“, sagte Ulli Vonholdt vom Dachdeckerbetrieb Apel Rampe Vonholdt GbR.
Zellulosedämmung im Dach
Durch die Sanierung hat das Fachwerkhaus ein regen- und winddichtes Dach nach dem aktuellen Stand der Technik erhalten. Dazu zählt auch die gesteigerte Energieeffizienz. Das Dach wurde mit einer Einblasdämmung aus Zellulose versehen. Die per Einblasmaschine eingebrachten Zelluloseflocken füllen die Hohlräume zwischen den Sparren komplett aus, sodass die Dachfläche vollflächig gedämmt ist.
Komplettsanierung: Leinöl, Lehmsteine, Kalkputz und Holzfaserplatten
Die Dachsanierung ist dabei nur ein Teil einer umfassenden Komplettsanierung des Gebäudes. Die Fassade wurde in Abstimmung mit der Denkmalpflege restauriert. Die Farbe auf den Balken wurde entfernt, als Wetterschutz Leinöl aufgebracht. Schadhafte Balken tauschten Handwerker aus, Gefache erneuerten sie mit Lehmsteinen. Der aufgetragene Putz ist als Spezialprodukt aus Kalk und Sand offenporig. Für die Energieeffizienz sorgen Holzfaserplatten, die in den Wandaufbau integriert sind. Der Eingangsbereich des Hauses ist behindertengerecht gestaltet. Die 57 alten Fenster des Hauses wichen maßangefertigten Sprossenfenstern mit Dreifachverglasung. Insgesamt erfüllt das Gebäude durch die energetischen Sanierungsmaßnahmen die Vorgaben des KfW-Standards Energieeffizienzhaus Denkmal. Der Hauseigentümer konnte daher ein zinsgünstiges Darlehen und einen Investitionskostenzuschuss von 12,5 Prozent als Förderung von der KfW Bank in Anspruch nehmen.
AutorGerald Laumans ist geschäftsführender Gesellschafter der Gebr. Laumans GmbH & Co. Kg in Brüggen.
Web-Service:
Im Internet finden Sie weitere Bilder von der Dachsanierung in Homberg (Efze), geben Sie hierzu den Web-Code in die Suchleiste ein.
Bautafel (Auswahl)
Projekt Dachsanierung / Komplettsanierung eines historischen Fachwerkhauses in 34576 Homberg (Efze)
Bauherrengemeinschaft Roland und Andrea Saalmann (gleichzeitig auch Bauleitung)
Zeitablauf Dacharbeiten März bis Mai 2018
Denkmalamt Kreisausschuss Schwalm-Eder-Kreis, Untere Denkmalschutzbehörde 34576 Homberg/Efze. Kontakt zum Denkmalamt hatten die Bauleitung und Klaus Kreiker vom Laumans Außendienst sowie der Dachdeckerbetrieb Apel Rampe Vonholdt
Dachdeckerbetrieb Apel-Rampe-Vonholdt GbR, 34621 Frielendorf
Einblasdämmung Zellulose-Einblasdämmung; vorgenommen durch DDM Jürgen Rothauge, 34576 Homberg (Efze)
Energieberater Martin Kühne, Ingenieurbüro für Energieeffizienz, 34576 Homberg (Efze)
Ziegel Doppel-Muldenfalzziegel / Tondachziegel „Muldenvariabel“, rot engobiert, Gebr. Laumans GmbH & Co. KG Ziegelwerke, 41379 Brüggen-Bracht, www.laumans.de
Dämmung Isofloc Dämmstatt GmbH, 10245 Berlin, www.isofloc.de