Dachsanierung des Doms in Eichstätt

Ertüchtigung des Dachstuhls und Neueindeckung mit geflämmten Biberschwanz- und Glattziegeln

Der Eichstätter Dom durchläuft derzeit eine umfassende, mehrjährige Sanierung. Dabei wird auch der 700 Jahre alte Dachstuhl des Doms ertüchtigt. Die Dachflächen des Hauptschiffs verändern vom First bis zur Traufe ihre Neigung stark. Daher wurden sie mit zwei Ziegelarten eingedeckt.

Der Eichstätter Dom hat schon viel gesehen: Seit dem 8. Jahrhundert wurde an ihm gebaut, umgebaut, saniert, renoviert und modernisiert. Nun ist er einmal mehr in seiner Geschichte ein Tummelplatz der Handwerker. Seit der letzten Instandsetzung des Doms waren 50 Jahre vergangen. Seit 2019 finden umfassende Sanierungsarbeiten im und am Dom statt. Diese Maßnahmen wurden in vier Bauabschnitte eingeteilt. Zunächst stand die Sanierung des Westchores der Kirche an. In dieser Zeit konnte die Kirche noch genutzt werden. Mit Beginn des nächsten Bauabschnitts musste der Dom jedoch komplett geschlossen werden: Die Arbeiten an Lang- und Querhaus waren umfangreich und dauerten über ein Jahr. Dazu gehörte auch die Sanierung des Dachstuhls und die Neueindeckung der gewaltigen Dachflächen des Doms.

 

Statik war aus dem Lot geraten

Der Dom weist eine lange Baugeschichte auf. Die ältesten Mauerabschnitte des Gebäudes stammen aus dem 8. Jahrhundert. Das hochgotische Längsschiff hat seine Ursprünge im 14. Jahrhundert, nach und nach wurden die Seitenchöre ergänzt. Das damalige architektonische Ideal des nach oben strebenden Raumes auf gering dimensionierten Pfeilern ist mit Blick auf die Konstruktion heute ein Problem: Die Statik der Konstruktion ist durch unterschiedliche Drücke in den einzelnen Kreuzrippengewölben aus dem Lot geraten – die Pfeiler des Mittelschiffs drücken dadurch nach außen. Das mittlere Gewölbe überträgt mehr Horizontalkräfte auf die Pfeiler als die kleineren Seitengewölbe. Dieses Ungleichgewicht zeigt sich in deutlichen Rissen in der Konstruktion, die einer umfassenden Sanierung und Verfüllung bedurften.

Nachdem die Wände und Gewölbe im Innenraum des Doms gereinigt waren und einen neuen Anstrich erhalten hatten, begannen die Arbeiten an der Dachkonstruktion. Rund 700 Jahre hatte der hölzerne Dachstuhl sich schützend über den Dom gebreitet. Nun benötigte auch er eine Sanierung. Viele Balken der Konstruktion waren morsch und mussten durch neues Holz ersetzt werden. Eine Aufgabe, die für die Zimmerer auch eine Reise durch die Geschichte ihres Handwerks war. Der genaue Blick auf die Konstruktion legte offen, dass im Laufe der Zeit unterschiedliche Konstruktionsdetails zum Einsatz kamen. So zeigte sich deutlich, dass das Holzhandwerk steten Entwicklungen unterlag und Handwerker in verschiedenen Zeitepochen unterschiedlich gearbeitet hatten.

 

Abgesunkener Dachstuhl in Position gebracht

Eine weitere Aufgabe der Zimmerer war es, den abgesunkenen und in Schräglage geratenen Dachstuhl wieder in Position zu bringen. Die Anhebe-Arbeiten erfolgten in mühevoller Kleinarbeit und unter hohem Kraftaufwand. Mit einem Trick verringerten die Zimmerer die Last auf den Dachstuhl, um ihn besser in die richtige Position bringen zu können: Sie deckten das Dach teilweise ab, mussten im Gegenzug aber mit Wetterschutzplanen sicherstellen, dass kein Wasser in das Bauwerk eindrang.

 

Neu gedeckt mit zwei Arten von Ziegeln

Die Sanierung endete jedoch nicht am Dachstuhl, auch die Dacheindeckung musste erneuert werden. Das Dach des Langhauses des Eichstätter Doms machte die Wahl der Eindeckung nicht ganz einfach. Da das Dach eine unübliche Form und verschiedene Dach-neigungen aufweist, musste zu unterschiedlichen Materialien gegriffen werden – stets in Abstimmung mit der Denkmalpflege. Was von der Ferne wie ein großes Satteldach über dem Hauptschiff aussieht, erweist sich nämlich bei näherer Betrachtung als spannende, geteilte Konstruktion. Vom First ausgehend, verlaufen beide Dachflächen zunächst in gleicher, steiler Neigung von 60°. Dann ändern sie jedoch ihre Neigung auf nur 27°. Die nach Norden zeigende Dachfläche ändert dabei ihre Dachneigung an einem höheren Punkt als die südliche Dachfläche. Diese ändert ihre Neigung ebenfalls auf 27° im unteren Bereich.

„Die flache Dachneigung erforderte einen anderen Umgang mit der Eindeckung als die höher gelegenen, steileren Bereiche“, berichtet Dachdeckermeister Achim Metzler von der Dachdeckerei Zorbauer aus Lützen. In enger Abstimmung mit allen Beteiligten entschied man sich bei den steileren Dachflächen für den Biberschwanzziegel „Klassik naturrot geflammt“ von Creaton. Die flacheren Dachbereiche wurden mit dem Glattziegel „Domino naturrot geflammt“ eingedeckt. Auch die Unterkonstruktion ist unterschiedlich gewählt: Während auf dem Langhaus Unterspannbahnen zum Einsatz kamen, wurde beim Querhaus aus Denkmalschutzgründen darauf verzichtet.

 

Mehrere Musterziegel gebrannt

Die gewählten Ziegel für den Dom Eichstätt sind eine Sonderanfertigung. Das ist in den Auflagen des Denkmalschutzes begründet, um ein möglichst ähnliches Erscheinungsbild zur Vorgängereindeckung zu erzielen. Um den richtigen Farbton zu bestimmen, waren mehrere Musterbrände vonnöten. Bis Einigkeit bei allen Beteiligten herrschte, brauchte es mehrere Änderungsrunden, da die Ziegel in den ersten Versuchen eine zu dunkle Farbe hatten. Schlussendlich mussten sogar Ziegel nachproduziert werden, da für die Sanierungsarbeiten am Querhaus ungeplant mehr Dachdeckung aufgenommen und die Kehlen mit saniert werden mussten. Entgegen der ursprünglichen Planung für diesen Bauabschnitt wurden so gut 150 m² Dachfläche mehr neu eigendeckt.  

 

Exponierte Lage

Die Biberschwanzziegel kamen auch auf den Dachflächen des Querhauses zum Einsatz. Entsprechend der Produktvorgaben wurde die Lattung dafür angepasst und in den steileren Bereichen mit geringerem Abstand versetzt. 

Die exponierte Lage des Doms warf auch Fragen hinsichtlich der Windsog- und Schneelastberechnung auf. Die Berechnungen ergaben, dass First und Ortgang vermörtelt werden mussten, um dem Windsog standzuhalten. Außerdem wurden rund 600 Laufmeter Schneefanggitter mehrreihig und im Abstand von rund fünf Metern installiert, um die weiße Pracht sicher am Dach zu halten. In den mit Glattziegeln gedeckten Bereichen (rund 2000 m² Dachfläche) wurden zusätzlich zwei Schneenasen pro Quadratmeter Dachfläche angebracht. Das Querhaus hielt für die Dachdecker noch einige Herausforderungen bereit. Hier wurden zusätzliche Brandwände hochgezogen. Da die Dachkonstruktion sehr stark arbeitet, konnte diese nicht einfach direkt an die Brandwände angeschlossen werden. Um zu verhindern, dass der Mörtel der Wände reißt, mussten an einigen Stellen Stahllatten eingezogen werden. So kann die Dachkonstruktion arbeiten und bleibt flexibel.

 

Kein Kran erlaubt: aufwendiger Materialtransport

Die umfangreichen Arbeiten an der riesigen Dachkonstruktion erforderten viel Materialbewegung. Doch der Dom und sein Baugrund machten es den Handwerkern schwer, das benötigte Material auf das Dach zu schaffen. Zum einen befinden sich wieder verfüllte, archäologische Fundstätten unmittelbar rund um den Dom. Zum anderen ist der Baugrund nicht ausreichend belastbar, um die Punktlast eines großen Krans bei Wind abzuleiten. Auch eine Bohrpfahlgründung wurde von der Denkmalpflege nicht genehmigt. „Als einzige Möglichkeit blieb uns, alle Materialien mit kleinen Bauaufzügen hinauf zu transportieren“, erklärt Achim Metzler. „Im Gebäude haben wir alles von Hand wie im Mittelalter getragen oder auf Rollwagen weitertransportiert. Auf dem Dach gab es dann noch einmal einen kleinen Aufzug“, sagt er. Das macht deutlich, wie hoch der Aufwand für den Materialtransport war. Das zeigte sich auch im Zuschnitt der Dachziegel. Zwischen Lang- und Querhaus gibt es zahlreiche Anschlüsse. Da sie als Nockenkehlen ausgebildet werden sollten, mussten viele Ziegel direkt auf dem Dach zugeschnitten werden.

 

„Regenrinnen so groß wie Badewannen!“

Aus den großen Dimensionen der Dachflächen folgt auch, dass andere Bauteile in deutlich größerem Maßstab ausgeführt werden mussten als sonst. Ein Beispiel dafür sind die Regenrinnen. Um die gewaltigen Wassermassen vom Dach abzuführen, brauchte es Rinnen von größtmöglichem Durchmesser – in diesem Fall 50 cm. 

„Die Regenrinnen sind so groß wie Badewannen“, sagt Achim Metzler scherzhaft, „sie mussten noch einmal extra mit Stäben im Wulst stabilisiert werden.“ Auch die Verankerung musste über das übliche Maß hinaus besonders stabil ausgeführt werden. So wurden gedrehte Übereisen aus Edelstahl in den Rinnenwulst eingehängt und an den Sparren befestigt.

 

Neues Lichtkonzept bringt neuen Raumeindruck

Wer den Dom nach der Sanierung betritt, dem werden wohl zuerst die hellen, frisch getünchten Wandflächen ins Auge fallen. Doch der Innenraum wird noch aus einem anderen Grund neu erstrahlen: Das Lichtkonzept im Innenraum wurde verändert. Bisher gab es nur Licht von oben. Das neue Lichtkonzept sieht nun vor, mit Licht „nach oben“ durch Strahler auch die Gewölbe und die Seitenkapellen im Innenraum der Kirche in Szene zu setzen und so einen völlig neuen Raumeindruck zu erzeugen. Doch die Sanierung ist noch nicht beendet: Ab diesem Jahr wird die Restaurierung des Ostchores der Kirche im Fokus stehen. Zuletzt werden dann die Türme mit der Kapitelsakristei im Jahr 2023 folgen.

 

Autor

Karl Hirner ist Produktmanager Dach bei der Creaton GmbH.

Bautafel (Auswahl)

Projekt Sanierung des Dachstuhls und Neueindeckung von Lang- und Querhaus des Doms Eichstätt

Dachdecker Zorbauer Dachdecker GmbH, 06686 Lützen OT Gerstewitz, Burgenlandkreis (Sachsen-Anhalt), www.zorbauer-dachdecker.de

Produkte (Auswahl)

Dachziegel Biberschwanzziegel „Klassik geflammt“ und Glattziegel „Domino Naturrot geflammt“, Creaton GmbH, 86637 Wertingen, www.creaton.de

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