Bauen mit natürlichen und regionalen Baustoffen

Zimmerer auf der Walz sammelt Erfahrungen im Geschichtspark und Naturdorf Bärnau

Wie lassen sich lokale und naturbasierte Baumaterialien für den Neubau von Gebäuden nutzen? Antworten auf diese Frage soll ein Pilotprojekt in Bärnau geben, das sogenannte „Naturdorf“. Für das Naturdorf hat Zimmerergeselle Franz-Georg Neuner, gemeinsam mit anderen Handwerkern, ein Fachwerkhaus geplant und abgebunden. In einem zweiteiligen Artikel berichtet er über seine Erfahrungen. Im ersten Teil beschreibt er, wie er zunächst im Geschichtspark Bärnau auf einer Schaubaustelle mitgearbeitet hat und dann auf das Projekt Naturdorf aufmerksam wurde.

Bärnau ist eine kleine Stadt in der Oberpfalz im Landkreis Tirschenreuth und liegt etwa 2 km westlich von der Grenze zur tschechischen Republik. In diesem unscheinbaren, ruhigen Städtchen findet man – neben einer schönen Altstadt und dem Knopfmuseum – den Geschichtspark. Der Geschichtspark Bärnau-Tachov ist ein Freilichtmuseum, in dem historische Gebäude aus der mittelalterlichen Zeit des 9. bis 14. Jahrhunderts mu­seal rekonstruiert werden.

Geschichtspark Baernau Bauhuette Neben dem Geschichtspark Bärnau entsteht seit 2018 der „Königshof“. Auf einer Schaubaustelle errichten Handwerker mit mittelalterlichen Techniken und Werkzeugen einen Gebäudekomplex aus Stein mit sechs einzelnen Bauwerken
Foto: Geschichtspark Bärnau-Tachov

Neben dem Geschichtspark Bärnau entsteht seit 2018 der „Königshof“. Auf einer Schaubaustelle errichten Handwerker mit mittelalterlichen Techniken und Werkzeugen einen Gebäudekomplex aus Stein mit sechs einzelnen Bauwerken
Foto: Geschichtspark Bärnau-Tachov
Direkt neben dem Geschichtspark entsteht seit 2018 der „Königshof“. Dort kann auf einer Schaubaustelle einem Handwerkerteam dabei zugesehen werden, wie mit mittelalterlichen Techniken und Werkzeugen ein großer Steinkomplex (eine Art Burg) mit sechs einzelnen Bauwerken entsteht. Dabei wird auf traditionelle Weise Kalk gebrannt, Steine werden von Hand gespalten und aus Stämmen mit der Axt Balken gehauen. Ein besonderes Highlight ist dabei der Betrieb eines Holzkrans, der nach mittelalterlichem Vorbild gebaut wurde.

Franz Georg Neuner Geschichtspark Baernau Steine bearbeiten
Stämme mit der Axt behauen, Holz sägen ohne Handkreissäge und Steine mit Hammer und Meißel spalten: Das ursprüngliche Arbeiten mi traditionellen Handwerkzeugen im Geschichtspark war für Franz-Georg Neuner reizvoll
Foto: Geschichtspark Bärnau-Tachov


Stämme mit der Axt behauen, Holz sägen ohne Handkreissäge und Steine mit Hammer und Meißel spalten: Das ursprüngliche Arbeiten mi traditionellen Handwerkzeugen im Geschichtspark war für Franz-Georg Neuner reizvoll
Foto: Geschichtspark Bärnau-Tachov
Als ich auf meiner Wanderschaft von einem anderen, fremdgeschriebenen Gesellen erfuhr, dass es dieses Museum und die Schaubaustelle „Königshof“ gibt, wollte ich dort unbedingt mitarbeiten. Balken behauen, Steine spalten, auf Bretterboden reißen und mit Handwerkzeugen ausarbeiten: Dieses ursprüngliche, traditionsreiche und langsame Arbeiten einmal auszuprobieren und zu lernen, ist wahrscheinlich der Traum der meisten reisenden Handwerker und Handwerkerinnen, wenn nicht der meisten Handwerker allgemein.

Anfang April 2022 sprach ich im Geschichtspark Bärnau um Arbeit vor. Die dort beschäftigten Handwerker sind sehr erfahrene, begabte und vor allem lustige Leute. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden. Kurz nach dem Gespräch war ich schon in die Arbeit involviert.  Immer wieder wurde auch von einem separaten Projekt erzählt, das demnächst anlaufen sollte und sich das „Naturdorf“ nennt. Dort sollte ich mitarbeiten, sobald es so weit war, was nicht lange auf sich warten ließ. Denn die Bauleitung traf einige Wochen nach meinem Arbeitsbeginn in Bärnau ein und bestand aus Marlène Dorbach, Architektin und Lehmbauerin, und Lukas Ritter, Steinmetzmeister und einheimischer Freiheitsbruder (zur Erklärung des Worts „einheimisch“ siehe Infokasten unten).

Pilotprojekt zum ökologischen Bauen

Das Naturdorf in Bärnau ist ein Pilotprojekt zum nachhaltigen und ökologisch modernen Bauen. Vereinfacht gesagt ist es den Handwerkern, die im Geschichtspark eine Burg bauen, aufgefallen, dass zu der rekonstruierten, damaligen Zeit die meisten Häuser Fachwerkhäuser waren, die nur aus lokalem Holz, Steinen, selbst gebranntem Kalk, etwas Stroh, Lehm und Sand gebaut wurden. Vor dem geschichtlichen Hintergrund leuchtet das ein – zur damaligen Zeit gab es einfach keine anderen Baumaterialien. Aber einen Schritt weiter gedacht sind das alles Materialien, die nahezu keine Transportwege brauchen, nachhaltig und CO2-neutral sind und noch dazu ein hervorragendes Wohnklima schaffen können. Mit solchen Materialien gebaute Häuser sind außerdem so gut reparierbar, dass sie zum Teil über 700 Jahre alt werden.

Naturdorf Bärnau Zeichnung Andreas Mann Aquarellzeichnung des „Naturdorfs“ in Bärnau: So soll das Projekt nach seiner Fertigstellung aussehen
Zeichnung: Andreas Mann

Aquarellzeichnung des „Naturdorfs“ in Bärnau: So soll das Projekt nach seiner Fertigstellung aussehen
Zeichnung: Andreas Mann
Heute stehen uns viele moderne Baustoffe zur Verfügung: Plattenwerkstoffe aller Art, Dampfbremsen und Folien, Polyurethan-Leime, Klebebänder und Silikone, Beton, Gips, Stein- und Glaswolle. Trotzdem ist ein „normales, modernes Haus“ häufig nach 25 – 30 Jahren ziemlich sanierungsbedürftig. Und dann wird einem zum ersten Mal so richtig klar, dass das meiste Material, in dem man gelebt hat, als Sondermüll zu entsorgen ist. Der Großteil der selbstständigen Handwerksmeister hat bei den letzten Sätzen wahrscheinlich schon protestiert und argumentiert, dass ein moderner Neubau nach altem Stil heutzutage nicht mehr bezahlbar ist, da der Arbeitsaufwand immens hoch ist. Man hat einfach keine Schar von Knechten oder Bauhelfern mehr, welche früher die meiste Arbeit erledigt haben. Heutzutage ist das Material günstiger als zu damaligen Zeiten und die Arbeitszeit teurer.

Vier moderne Fachwerkhäuser sind geplant

Genau hier kommt das Naturdorf Bärnau ins Spiel. Das Projekt will zeigen, dass es sich finanziell rechnen kann, einfache, lokale Materialien durch handwerkliches Geschick für moderne Bauten nutzbar machen. Auf einem Grundstück neben dem Geschichtspark sollen vier moderne Fachwerkhäuser entstehen, an denen die benötigten Techniken für so ein Vorhaben erprobt werden können. Moderne Häuser haben natürlich andere Ansprüche als mittelalterliche Gebäude: Es gibt Normen und Vorschriften zu den Themen Wärmedämmung, Statik und Brandschutz, außerdem müssen Zu- und Abwasserleitungen sowie Stromkabel eingeplant werden. Daher muss man sich für einige Ausführungsdetails Lösungen einfallen lassen. Am Anfang war dieses Konzept noch etwas abstrakt für mich, schließlich wollte ich eigentlich nur Holzbalken behauen und meine Ruhe haben. Noch dazu kam, dass in der Zeit des Startschusses für das Forschungsprojekt mein Freund Robert, Steinmetz im Geschichtspark und ich interessante und arbeitsintensive Aufgaben hatten. Somit war ich im Mai 2022 leider keine große Hilfe im Naturdorf. In den nächsten beiden Monaten bestand aber der Großteil meiner Arbeit aus Vorbereitungen für den Bau der Fachwerkhäuser im Naturdorf.

Im nächsten Teil des Artikels erfahren Sie, wie Franz-Georg Neuner eine Abbundhalle einrichtete und die Hölzer für das erste Fachwerkhaus abgebunden wurden. Hier geht es zum zweiten Teil des Artikels.

  

Autor

Franz-Georg Neuner ist Zimmerergeselle und fremdgeschriebener Rolandsbruder.

Verband der Europäischen Gesellenzünfte

Dieser Artikel erschien in einer ähnlichen Fassung vorab im Magazin „Bulletin – Verbandsmitteilungen der Euro­päischen Gesellenzünfte“. Das Magazin wird herausgegeben von der C.C.E.G. (Confédération Com­pagnonnages Européens/ Europäische Gesellenzünfte), dem Dachverband europäischer Gesellenvereinigungen. Die Vernetzung und der Austausch der europäischen Gesellenvereinigungen untereinander sind die Hauptziele des CCEG.

Zum Dachverband gehören derzeit fünf deutsche Schächte und Gesellschaften: der Rolandschacht, die Gesellschaft der rechtschaffenen fremden und einheimischen Maurer- und Steinhauergesellen, die Vereinigung der rechtschaffenen Zimmerer- und Schieferdeckergesellen, der Fremde Freiheitsschacht (Freiheitsbrüder) und die Gesellschaft „Freie Vogtländer Deutschlands“. Dazu kommen drei französischsprachige Vereinigungen: die Fédération Compagnonnique und die Fédération Compagnonnique Belgique, die Union Compagnonnique des Compagnons du Tour de France des Devoirs Unis und die skandinavische Vereinigung SCUK-Naverne Forening for Berejste Scandinaver (siehe online: www.cceg.eu )

Das Magazin „Bulletin“ erscheint zweisprachig (Deutsch & Französisch) und enthält in jeder Ausgabe Reiseberichte von Gesellen und Gesellinnen, die in Europa und weltweit auf die zünftige Walz gehen. Außerdem gibt das Magazin Einblicke in die Verbandsarbeit, Tipps für Fortbildungen und Seminare. Fachartikel runden den Inhalt ab. Das „Bulletin“ kann online bestellt werden unter www.cceg.online.

Fremdgeschrieben oder einheimisch?

In diesem Artikel werden die Wörter „fremd“, „fremdgeschrieben“ und „einheimisch“ genutzt, die hier eine andere Bedeutung als sonst haben. Das Wort „fremd“ bedeutet in diesem Zusammenhang, von einer zünftigen Gesellschaft oder einem Schacht „fremdgeschrieben“ zu werden, um anschließend nach deren Regeln auf die zünftige Wanderschaft zu gehen. In dieser Zeit darf der Heimatort nicht besucht werden. Im Gegensatz dazu bedeutet der Begriff „einheimisch“, dass der Geselle, der nach den Regeln seiner Gesellschaft unterwegs gewesen ist, seine „zünftige Tippelei“ beendet (hat). Oftmals geschieht das im Rahmen einer großen Feier mit vielen Freunden, Verwandten und anderen Gesellen und Gesellinnen. Man spricht dann auch von der „Einheimischmeldung“. Diese bildet den Schlusspunkt der Wanderschaft. Fremdgeschriebene und einheimische Handwerksgesellen und Gesellinnen treffen sich übers Jahr zu wiederkehrenden Gelegenheiten, um ihre Gedanken und Erlebnisse miteinander auszutauschen. Der Kontakt untereinander bleibt oft ein Leben lang bestehen.

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