Holzhaus in der Stadt
Das Wälderhaus entstand in Hamburg-Willhelmsburg als Vorzeigeprojekt der Internationalen BauausstellungIm Rahmen der internationalen Bauausstellung IBA in Hamburg-Willhelmsburg wurde dem Baustoff Holz große Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Vorzeigeprojekt ist das Wälderhaus, ein Hybrid aus Stahlbeton und Holz. Auch die Flachdachkonstruktion mit Gründachaufbau und Bepflanzung musste hohen Ansprüchen genügen.
„Beim Holzbau geht noch was im Norden von Deutschland“, ist eine oft gehörte Aussage in Fachkreisen. Sieht man nur auf die Holzbauquote, so ist der Vorsprung des Südens gegenüber dem Norden eklatant (24 Prozent in Baden-Württemberg gegenüber 4,7 Prozent in Hamburg) und diese Aussage trifft zu. Was die Vorzeigeprojekte anbelangt, kann Hamburg seit der IBA aber gut mit dem Süden mithalten. Dazu trägt unter anderem auch das sogenannte Wälderhaus bei, ein Projekt der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald.
Den Wald ins Haus geholt
Das Thema Wald und Holz wird inner- und außerhalb des fünfstöckigen Gebäudes auf gut 6000 m² Grundfläche präsentiert. Ein optisches Highlight ist dabei die Holzfassade aus einer unbehandelten polygonalen Lärchenholzstülpschalung. Das Holz kommt aus zertifiziertem Holzanbau im Sauerland. Die Fassade und das begrünte Dach bieten Lebensraum für Pflanzen: Insgesamt wachsen auf den Gründächern 9000 Büsche und 500 Bäume.
Die Herangehensweise an das Projekt ergab sich aus der Nutzung des Bauwerks. Die Bauherrin, die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, möchte den Neubau als Versammlungsstätte, Hotel, Ausstellungsfläche, Seminar- und Büroräume nutzen. Natürlich war es klar, dass der Baustoff Holz als authentisches Material so weit wie möglich eingesetzt werden sollte, nicht nur in der Außenansicht, sondern auch bei den tragenden Bauteilen im Inneren als sichtbare Flächen. Auf der einen Seite stand der Wunsch der Bauherrin, auf der anderen Seite die Machbarkeit und die Auflagen der Baubehörden hinsichtlich des Brandschutzes. Und hier hatten die Hamburger Behörden noch einiges nachzuholen. Denn dass Holz brennt, ist ja nur die eine Wahrheit; den engagierten Planern und Architekten ist es zu verdanken, dass dieses Gebäude – trotz der Auflagen – in dieser Bauweise gebaut werden konnte.
Brandschutz und Holz – ein heikles Thema
Hamburg und Brandschutz – das ist nämlich eine ganz eigene Geschichte, voller Vorbehalte gegenüber dem Baustoff Holz. Genährt werden diese durch den verheerenden Stadtbrand im 19. Jahrhundert, bei dem zwischen dem 5. und 8. Mai 1842 mehr als ein Viertel des damaligen Stadtgebietes zerstört wurde. 51 Menschen kamen damals ums Leben, man zählte 1700 zerstörte Häuser.
Seither sind die Baubehörden in Hamburg – und natürlich nicht nur die – per se skeptisch, was das Bauen mit Holz anbelangt. Doch nach und nach brechen die Vorbehalte auf. Mit der (Über)Dimensionierung von Holztragwerken, der Kapselung der Träger mit Gipsfaserplatten, dem Einbau von Sprinkleranlagen und dem Bau zweier Betonkerne als Erschließungselementen konnten die Anforderungen an den Brandschutz beim Wälderhaus eingehalten werden.
Die unteren beiden Geschosse wurden in Stahlbetonbauweise ausgeführt. Die Argumente dafür waren die weit spannenden Decken an dieser Stelle, der Ort des Baugrunds, der als Überschwemmungsgebiet der Elbe ausgewiesen ist, und die sogenannten erhöhten Anforderungen, weil dieser Teil des Hauses als Multifunktionsbereich genutzt wird. Zudem erforderte der architektonische Entwurf mit verspringenden Wänden diese Bauweise.
Oberste Geschosse ganz aus Holz
Die oberen drei Holzgeschosse sitzen beim Wälderhaus auf dem Stahlbetonsockel auf. Die Planer entschieden sich für Brettsperrholz (BSpH), zum einen, weil in die Wandscheiben großflächig Fenster ausgeschnitten werden können, ohne dass die Tragfähigkeit des Bauteils in Gefahr gerät, zum anderen aus Brandschutzgründen (Vorteil gegenüber der Holzrahmenkonstruktion mit Kammern als mögliche Glutnester). Das Hotel, das vor allem durch seine kleinteilige Raumstruktur geprägt ist, bot sich deshalb auch für die Holzbauweise an. „Die BSpH-Elemente variieren in ihren Dicken je nach Anforderung. Bei den doppelwandigen Hotelzimmer-
wänden arbeiteten wir mit 2 x 87 mm, die Korridorwände sind 135 mm stark, die statisch am meisten beanspruchten Außenwände dagegen bis zu 216 mm“, erklärt der Projektleiter für das Wälderhaus bei der Firma Assmann beraten+
planen, Henning Klattenhoff. „Für besonders beanspruchte Außenwände wurden sogar Furniersichtholzplatten kreuzweise bis zu einer Dicke von 253 mm verleimt“, so Klattenhoff weiter. Die vertikalen Lasten werden von den tragenden Innenwänden und den Außenwänden als Wandscheiben aufgenommen. Die Horizontallasten werden von den Deckenscheiben und den stabilisierenden Betonkernen aufgenommen. Die Decken wurden ebenfalls als Massivholzkonstruktionen in BSpH ausgeführt.
Brandschutz – Vorstoß in neue Dimensionen
Beim Brandschutz und auch beim Schallschutz waren die Planer besonders gefordert. „Hier wurden wichtige bauphysikalische Details entwickelt“, sagt Klattenhoff, und mit dem Bau wurde damit auch eine große Hürde für eine moderne und zeitgemäße Beurteilung des Brandschutzes für Hamburg genommen: Das Gebäude ist in die Gebäudeklasse 5 eingestuft und benötigt also ein Brandschutzkonzept. Um die Decken und Wände sichtbar lassen zu können, wurde mit Sprinklern und einem Brandschutzanstrich der Korridore gearbeitet. Abbrandbemessungen garantieren die Feuerwiderstandsdauer der Tragkonstruktion von 90 Minuten. Die Dämmung der Holzfassade wurde mit Mineralfaser ausgeführt, um Brandlasten zu reduzieren.
Die Ausführung des Holzbaus oblag der Zimmerei Haveloh aus Ahaus, die BSpH-Elemente lieferte Finnforest-Merk. Die Planer, Architekten und Ingenieure arbeiteten von Beginn an eng mit den Herstellern und deren Produktentwickler zusammen.
Dachaufbau mit einigen Besonderheiten
Auch die Planer des Dachabdichtungs-Herstellers Vedag haben das Projekt von Beginn an begleitet. Die hohen energetischen Anforderungen an das Gebäude, die spezielle Geometrie sowie die Zusatznutzung des begrünten Flachdaches waren dabei die größten Herausforderungen.
Der Dachaufbau erfolgte auf einer Holzwerkstoffplatte. Über diese wurde eine nageldurchreiß- und durchtrittsfeste Elastomer-Bitumen-Dampfsperre (Vedagard Multi SK-Plus) angebracht. Ein EPS-Hochleistungsdämmstoff (LambdaRoof) sorgt für die überdurchschnittliche gute Wärmedämmung. Darüber ist eine zweilagige Dachabdichtung für begrünte Dächer verlegt worden. Als Unterlagsbahn kamen eine kaltselbstklebende Elastomer-Bitumenbahn (Vedatop SU) in der Fläche sowie eine Flex-Elastomer-Bitumenschweißbahn (Vedaflex G4E) an den Anschlüssen zum Einsatz. Als Oberlage ist eine durchwurzelungsfeste Elastomer-Bitumenschweißbahn (Vedaflor WS-X) speziell für Gründächer verwendet worden.
Die komplette Gebäudetechnik wurde unter der Wärmedämmung auf dem Dach verlegt. So entstand in der Mitte des Daches ein zwei Meter breiter Rohrschacht, in dem die Rohrleitungen nach unten gestützt befes-
tigt wurden.
Sowohl die Erstellung des Verlegeplans als auch die Erstellung des Gefälledämmplans erforderten einige komplizierte Berechnungen, die von Vedag übernommen wurden. „Hier ist hervorragend vorgearbeitet worden“, lobt Marcus Koenig vom ausführenden Dachbauunternehmen Drefers Dachbau GmbH aus Lübeck.
Hoch gesteckte Energieeinsparziele
Die gesteckten Energieeinsparziele der Architekten waren hoch: Der angestrebte Primärenergiebedarf liegt 50 Prozent unter der Energiesparverordnung (EnEV) 2009, der Transmissionswärmeverlust 30 Prozent unter EnEV 2009. Die Gründachkonstruktion ermöglicht die Nutzung des Regenwassers zur Kühlung und passiven Bewässerung. Durch die Verduns-
tungskühle wird zudem der Ertrag der Photovoltaikanlage auf dem Dach gesteigert.
Der angestrebte Transmissionswärmeverlust ließ sich auf dem Dach nur durch den Einsatz eines Hochleistungsdämmstoffes aus EPS-Material erreichen. Zum Einsatz kamen die LambdaRoof WLG031-Wärmedämmplatten, die Gefälle- und Wärmedämmung in einem Produkt bieten. Diesen Dämmstoff hat der Rohstofflieferant BASF speziell für solch hohe Anforderungen entwickelt. Der Bemessungswert in Bezug auf den Transmissionswärmeverlust liegt bei hervorragenden 0,031 W/mK. Der U-Wert liegt statt bei üblichen 0,20 nur bei 0,111. Zudem ermöglichen eine Druckfestigkeit von 150 Kilopascal (kPa) und eine zulässige Dauerdruckbeanspruchung von 45 kPa einen optimalen Einsatz auf den genutzten Flachdächern, zum Beispiel für Photovoltaik.
Dachaufbauten erfordern hochwertigen Untergrund
In puncto Dachaufbau stellten die Handwerker von Drefers Dachbau nicht nur die Erstbegrünung, sondern auch die Vorarbeiten für die Photovoltaikanlage sicher. Da diese in Kombination mit den 9500 Büschen und Bäumen eine hohe Nutzung und auch Begehung des Daches darstellt, wurde bei der Oberlagsbahn eine äußerst robuste, langlebige und durchwurzelungsfeste Elastomerbitumen-Schweißbahn (Vedaflor WS-X) verwendet. Gegenüber genormten Standardprodukten gewährleistet die Oberlagsbahn eine erhöhte Alterungsbeständigkeit, eine hohe Rissüberbrückungsfähigkeit und dauerhafte Flexibilität. „Um die Langlebigkeit nicht zu gefährden und keine Schwachstellen zu schaffen, wurde das Gerüst für die Photovoltaikanlage nicht verbohrt. Stattdessen kamen Tellerfüße zum Einsatz, die durch die Auflast der Bepflanzung gehalten werden“, erklärt Marcus Koenig.
Sehr gute Ökobilanz
Seit der offiziellen Eröffnung beeindruckt das Wälderhaus nun mit einer außergewöhnlichen Ökobilanz. Durch den großangelegten Einsatz von Holz, das die CO2-Bilanz positiv stützt, die Nutzung natürlicher Energiequellen, die hervorragende Wärmedämmung und die Optimierung der Energieflüsse im Gebäude soll der Multifunktionskomplex in naher Zukunft klimaneutral arbeiten. Ein Vorzeigeobjekt, das der IBA würdig ist, gilt es doch, die Zukunft des Bauens neu zu definieren.
Autoren
Nathalie Knipp ist freie Journalistin in Köln. Neben dem Thema „Bauen und Wohnen“ gehören auch die Themen „Energie“ und „Gesundheit“ zu ihren Schwerpunkten.
Rüdiger Sinn ist verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift dach+holzbau.
Den hohen brandschutztechnischen Auflagen begegneten die Planer mit einem durchdachten Brandschutzkonzept
Der Hochleistungsdämmstoff EPS erhöht die
Wärmeeffizienz und verringert den Materialeinsatz
Bautafel (Auswahl)
Projekt Haus des Waldes in 22453 Hamburg-
Wilhelmsburg – Wälderhaus
Bauherrin Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Landesverband Hamburg e.V.
Architekten Architekturbüro Andreas Heller Architects & Designers, 20457 Hamburg
Planer Assmann beraten+planen,
22297 Hamburg
Holzlieferant Finnforest-Merk, 86551 Aichach (Brettsperrholz, Furniersperrholz)
Ausführender Betrieb Zimmerei Haveloh, 48683 Ahaus-Alstätte
Dachabdichtung Vedag GmbH, 96050 Bamberg
Ausführender Betrieb Drefers Dachbau GmbH, 23560 Lübeck
Der Wald im Haus
Das Wälderhaus steht auf 128 Gründungspfählen, von denen 94 aktivierte Energiepfähle für Geothermie sind. Die ersten beiden Stockwerke sind in Stahlbetonweise errichtet, allerdings komplett mit Holz verkleidet. Hier finden sich das Science Center Wald und das Forum Wald mit insgesamt 650 m² Ausstellungsfläche und zusätzlichen Veranstaltungs- und Seminarräumen. 2000 Fundstücke aus dem Wald, 200 Hölzer in der Holzbibliothek, 40 präparierte Waldtiere und 32 Bäume aus dem Hamburger Forstrevier Hausbruch gibt es im Gebäude zu bewundern.