Flüchtlingsunterkunft mit Nachnutzung in München

Die dreistöckige Unterkunft zur vorübergehenden Unterbringung von Asylsuchenden und Wohnungslosen in der Schleißheimer Straße in München wurde in Holzrahmenbauweise gebaut. Nach der Nutzungsphase kann das Gebäude für andere Wohnzwecke genutzt werden.

„Die Flüchtlingskrise ist allgegenwärtig. Die Flüchtenden, deren Asylgesuch stattgegeben wird, reihen sich ein in die große Zahl der Menschen, die bereits heute nach einer bezahlbaren Unterkunft sucht. Wir brauchen deshalb kurzfristig eine große Zahl preisgünstiger Wohnungen, die den Wohnungsmarkt entlasten.“ Diese Zeilen stammen aus dem Buch „Wohnraum für alle“ des Deutschen Werkbundes in Bayern und sie beschreiben die Situation ziemlich treffend. Denn mit der enormen Zahl an Flüchtlingen, die bislang ins Land gekommen sind, hat sich die Wohnungssituation für all diejenigen nochmals verschärft, die sowieso in den großen Städten auf Wohnungssuche sind. Und so ist es immer öfter erklärtes Ziel, Unterkünfte zu bauen, die nicht gleich wie Massenunterkünfte aussehen und auch so geschnitten sind, sondern Gebäude, die in die Umgebung integriert sind, über einen zeitgemäßen Energiestandard verfügen und so später womöglich für eine Nachnutzung bereit stehen können.

Neue Flüchtlingsunterkünfte in München

In München entstehen derzeit einige Flüchtlingsunterkünfte und in der Schleißheimer Straße haben Meuer Architekten versucht, etwas von einer neuen Baukultur umzusetzen. Im Herbst 2015 konnte hier eine dreistöckige Unterkunft eröffnet werden. Ein Holzbau in Holzrahmenbauweise, den die Zimmerei Weizenegger aus Bad Wurzach (Weizenegger Objektbau GmbH) umsetzte.

Der Neubau wurde im Rahmen einer Kampagne zur menschenwürdigen „Architektur des Ankommens“ vorgestellt. In der Vorstellung der Kampagne heißt es: „Wir brauchen neue Ideen für eine Willkommenskultur – und das heißt auch für eine angemessene Unterbringung der Neuankömmlinge im Herzen der Städte, in der Mitte der Gesellschaft“. Herausgegeben wurde das Buch „Refugees Welcome“ vom Institut für Entwerfen und Architekturtheorie an der Uni Hannover.

Umgesetzt wurde bei dem Flüchtlingsheim einiges davon: Der Standort in der Schleißheimer Straße befindet sich am nördlichen Stadtrand Münchens in der Nähe des Olympiaparks und ist durch die U2 gut an das Stadtgebiet angebunden. Direkt neben der Asylbewerberunterkunft gibt es andere Wohngebäude, es bestehen zudem gute Anschlussmöglichkeiten an die Infrastruktur (Kindergärten, Einkaufsmöglichkeiten, etc.). Der Neubau – der für eine Nutzungsdauer von 15 Jahren ausgelegt ist – stößt direkt an ein Bestandsgebäude an. Die Optik von außen mit der weißen Fassade, den bunten Fensterläden und den bodentiefen Fenstern wirkt einladend. Im ersten und zweiten Stock befinden sich ein Gemeinschaftsraum, Familienwohnungen und Gemeinschaftsküchen. Doppelzimmer sind den Gemeinschaftsküchen und -bädern zugeteilt. Familienwohnungen haben eine Küchennische und ein kleines Bad. In dem Konzept gibt es auch behindertengerechte Wohnungen, sowie ein Arztzimmer. Im Außenbereich finden sich Wäscheständer, zudem sind Spielgeräte installiert, zum Beispiel Tischtennisplatten und ein Kletterparcour. In dem einladenden Außenbereich kann im Sommer Gemeinschaftsleben stattfinden, die Freiflächen können zur Interaktion mit Menschen der Unterkunft und der Umgebung genutzt werden.

Optimierter und minimalistischer Entwurf

Die Architekten sprechen bezüglich des Raumbedarfs und der Kosten von einem „sehr optimierten und minimalistischen Entwurf“. Das kann trotz des positiven Eindrucks von außen durch den ersten Eindruck von innen bestätigt werden. Denn das dreistöckige Haus mit Platz für 158 Menschen wirkt mit den langen Gängen sehr spartanisch, mit 15 m2 Wohnraum für zwei Personen ist es hier sehr eng (in Bayern sind derzeit 7 m2 pro Person die Vorgabe). In den Treppenhäusern wurde bei den Böden allerdings mit helleren, freundlichen Farben gearbeitet.

Den Neubau der Flüchtlingsunterkunft schrieb die Stadt München als Bauherr systemoffen, also für alle mög­­lichen Modulbauten aus (zum Beispiel Stahl-Raum­module, Holzmodulbau oder Holz-Hybridbau). Das Grundplanungsraster basierte auf standardisierten Containermaßen. Die Planung auf Basis dieser Stahl-Raummodule ermöglicht es Anbietern aller Modulbauweisen, wirtschaftliche Angebote zu erstellen. Damit wir die Marktfähigkeit einer Ausschreibung erweitert.

Unklar war zu Beginn, ob der Bau ein Holzrahmenbau werden soll. „Erst als der Holzbauer ein vollständiges Angebot abgegeben hatte – das das wirtschaftlichste im Bieterfeld war – entschieden wir uns für einen Holzbau“, sagt David M. Meuer, Geschäftsführer von Meuer Architekten aus München.

Schlüsselfertiger Bau

Der Holzbau wurde von der Weizenegger Objektbau GmbH aus Bad Wurzach umgesetzt. Der Geschäftsführer Wolfgang Knöpfle spricht von einem sehr knappen Zeitplan, den auch der verantwortliche Bauleiter, Achim Dangel, bestätigt. „Wir haben am 1. Juni auf der grünen Wiese vor Ort mit dem Bau begonnen, Mitte November war dann die Übergabe der Flüchtlingsunterkunft“, sagt Dangel. Die Bauleitung vor Ort hat alle Gewerke und Tätigkeiten koordiniert, „vom Kanalanschluss bis zu den Außenanlagen“, berichtet Dangel.

Die Weizenegger Objektbau GmbH lieferte also schlüsselfertig nach den Plänen der Architekten. Dabei liefert der Zimmereibetrieb die Holzbauten, Subunternehmer arbeiten der Firma zu, zum Beispiel bei den Fenstern und Türen. Handwerker anderer Gewerke kommen zu dem eingespielten Team dazu und werden auch gerne immer wieder bei anderen Bauvor­haben gebucht. „Wenn möglich arbeiten wir mit bekannten Firmen zusammen, um auf gute Erfahrungen aufzubauen“, berichtet Geschäftsführer Wolfgang Knöpfle.

Gut gegründet aufgebaut

Auf das Fundament wurden die Holzrahmenelemente gestellt. Diese sind mit 120 mm Mineralwolle gedämmt. Die Absperrung der Gefache nach außen erfolgt mit einer zementgebunden Spanplatte. Darauf wurde von den Handwerkern vor Ort ein Wärmedämm-Verbundsystem aus 60 mm Steinwolle und eine Putzfassade montiert.

Innen folgen nach der Dampfbremse zwei Lagen Gipsfaserplatten (Rigidur von Rigips). Die Oberflächen wurden gestrichen. Die tragenden Innenwände sind ebenfalls als Holzrahmenelemente ausgeführt und ebenso mit Gipsfaserplatten doppelt beplankt. Nichttragende Innenwände fertigten die Handwerker im Trockenbauverfahren mit einem Metallständerwerk und beplankten es beidseitig.

Die Holzbalkendecken bestehen aus einer Balkenlage Fichte, oberseitig mit Rauspundschalung. Darauf liegt die Trittschalldämmung. Den Abschluss bildet ein Zementestrich. Bei den Böden, sowie sämtlichen verbauten Materialien galt es den bauökologischen Kriterienkatalog der Stadt München zu beachten. Dieser zielt darauf ab keine, beziehungsweise möglichst wenige die Gesundheit belastende Materialien in das Gebäude einzubringen. Vor Inbetriebnahme wurde die Raumluft auf VOCs (volatile organic compound[s] = flüchtig organische (kohlenstoffhaltige) Stoffe) und Luftschadstoffe untersucht. „Erst nach erfolgreicher Freimessung – also der Einhaltung aller Grenzwerte – wurde das Gebäude an den Nutzer übergeben“, berichtet Architekt Meuer.

Dach mit Gefälledämmung

Das Dach besteht ebenfalls aus einer Holzbalkenlage mit oben aufliegender Rauspundschalung und darüber liegender Dampfbremse. Darauf verlegten die Dachhandwerker eine Aufdachdämmung mit integriertem Gefälle aus Polystyrol. Mit der bituminösen Abdichtung ist das Dach regendicht.

Die Flüchtlingsunterkunft wurde Ende 2015 bezogen, weitere Neubauten des gleichen Stils warten auf die Fertigstellung. So zum Beispiel ein Flüchtlingswohnheim in München-Laim, das allerdings fast drei Mal so groß ist. Als Musterbau möchte Architekt Meuer den Neubau allerdings nicht sehen. „Obwohl die Modulbauten systematisiert sind, werden sie doch immer an die jeweiligen Gegebenheiten und Anforderungen des Grundstücks angepasst. Aspekte des Städtebaus müssen individuell berücksichtigt werden, aber auch die technischen Anforderungen variieren.“

Die Flüchtlingsunterkunft an der Schleißheimer Straße in München soll übrigens mit Ende der Nutzung nach 15 Jahren oder nach Entspannung der derzeitigen Lage entweder weiter als Studentenwohnheim dienen oder rückgebaut werden. Die Elemente sollen dann wiederverwendet werden. Hier wurde also schon weiter gedacht. Der Holzbau mit seinen großen Elementen und der modularen Bauweise ist hier prädestiniert, Lösungen anzubieten.

Autor
Rüdiger Sinn ist verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift dach+holzbau.

Die Flüchtlingsunterkunft könnte mit dem Ende der Nutzung als Studentenwohnheim dienen

dach+holzbau: Das Flüchtlingsheim wurde bei der Buchvorstellung „Refugees Welcome“ als Projekt vorgestellt. Dabei soll das „menschenwürdige Bauen“ thematisiert  werden. Was heißt das genau?

David Meuer:„Refugees Welcome“ ist eine wunderbare Untersuchung zum Thema „Wohnen“ und liefert zum Teil sehr interessante Ansätze. Bei unserem Projekt wurden die Vorgaben der Regierung von Oberbayern und der Landeshauptstadt München umgesetzt. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen war es unser Ziel so „menschenwürdig“ wie möglich zu bauen. Ich glaube das ist mit diesem Gebäude sehr gut gelungen.

Was wurde bei dem Projekt Schleißheimer Straße denn anders gemacht als bei gewöhnlichen Flüchtlingsunterkünften?

Das ist schwer zu sagen, denn jede von uns begleitete Unterkunft wird individuell für den Ort entworfen. Dabei werden die Belange des Städtebaus, der Architektur genauso wie technische Anforderungen berücksichtigt. Insofern ist jede unserer Unterkünfte ein absolut individuelles Original im Rahmen der vom Bauherren vorgegebenen Rahmenbedingungen. Besonders die Farbgestaltung der Fassaden und Böden bietet zusätzliche Möglichkeiten.

In welchen Bereichen hätten Sie gerne noch mehr umgesetzt, um das Wohnen und Leben dort attraktiver zu machen?

Selbstverständlich hätten wir lieber noch mehr Gemeinschaftsflächen und eine üppigere Sanitärausstattung bauen lassen.

Es ist ein Bauwerk, das in Modulbauweise in Holz umgesetzt wurde. Allerdings sieht man am Ende leider kein Holz, das ja auch eine positive Atmosphäre schaffen kann. Warum nicht?

Das Bauwerk wurde systemoffen geplant, ausgeschrieben und vergeben. Es hätte auch eine Stahl-Modulbaufirma gewinnen können.

Ging es also darum, die Chancengleichheit zu wahren? Wie viel Spielraum hatten Sie dennoch bei dem Entwurf?

Der Entwurf ist stark durch die städtebauliche Situation geprägt. Bei der inneren Organisation konnten wir uns im Rahmen der Vorgaben sehr frei bewegen.

Kam Holz auch deshalb nicht in Frage, weil es den Brandschutzanforderungennicht genügt hat? ↓

Das stand so nie zur Debatte. Holz als sichtbare Oberfläche hätte im Rahmen der Werkplanung durch den Bauunternehmer vorgeschlagen werden können. Wenn der Sondervorschlag den Rahmenbedingungen entsprochen hätte, was durchaus absolut möglich ist, hätte sich der Bauherr auch dafür entscheiden können.

Lässt sich das Bauwerk adaptieren, einen Markt gibt es doch sicherlich dafür, oder?

Obwohl Modulbauten sehr systematisiert sind müssen sie doch jeweils den Ansprüchen und Anforderungen des Grundstücks, sowohl unter städtebaulichen, architektonischen als auch technischen Anforderungen individuell geplant und ausgeführt werden. Selbstverständlich können aufgrund der Erfahrungen mit diesem und anderen Bauvorhaben ähnliche Gebäude entsprechend angepasst an anderen Orten errichtet werden. Das ist aber wahrscheinlich bei fast allen Gebäuden so. Selbst die meisten Einfamilienhäuser unterscheiden sich nicht so wahnsinnig viel voneinander.

Interview: Rüdiger Sinn

Bautafel (Auswahl)

Projekt Neubau einer Flüchtlingsunterkunft in München, Schleißheimer Straße

Architekten Meuer – planen beraten Architekten GmbH, 81475 München, www.m-pb.de

Holzbau Weizenegger Objektbau GmbH, 88410 Bad Wurzach, www.weizenegger.de

Bauzeit April bis Oktober 2015 (schlüsselfertig)

Brutto-Geschosssfläche 2496 m2

Brutto-Rauminhalt 8655 m3

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