Flammender Holzschutz
Immer häufiger müssen Kirchen energetisch saniert, manche gar abgerissen werden. Nicht so in Altensteig im nördlichen Schwarzwald: Hier wurde das neue Pfarramtsgebäude in Holzbauweise errichtet und bekleidet mit einer Fassade aus verkohlter nordischer Fichte.
Der schwarz schillernde Kubus ist das kongeniale Gebäude zur bestehenden Heilig-Geist-Kirche mit der markanten Fassade aus bunten Fensterelementen. „Durch seine städtebauliche Orientierung fügt sich das Gebäude in das bestehende Gelände und verleiht durch seine Raumkante dem Kirchvorplatz seine Fassung“, ordnet Klaus Günter von Partner und Partner Architekten das Gebäude architektonisch ein. Dabei bieten schwarzen Kuben dem Betrachter aus verschiedenen Perspektiven sehr unterschiedliche Ansichten. Zum Kirchplatz hin wird das Gebäude nahezu als Monolith und dennoch als sehr einladend wahrgenommen. Gegliedert wird die horizontale Holzverschalung durch vier schmale Fenster, angelehnt an die farbigen Fensterelemente der Kirche, die Holzlamellen des Süd-Balkons und vor allem die großzügige Verglasung des Besprechungsraumes im Erdgeschoss.
Besucher, die den Weg über den schmalen Holzsteg, der über die benachbarte Nagold führt, nehmen, sehen hingegen am steilen Hang zwei versetzt stehende Kuben aufragen. „Die beiden Nutzungseinheiten sind an dem Gebäude klar ablesbar. Der öffentliche Bereich mit dem Pfarramt verschränkt sich am Kirchvorplatz mit dem privaten Bereich der Pfarrwohnung und bildet im Kern des Gebäudes eine klar definierte Zone mit einer Überlappung der Nutzungseinheiten“, beschreibt Klaus Günter die architektonische Grundidee. Damit konnte Partner und Partner in der Wettbewerbspräsentation den Bauausschuss der katholischen Kirchengemeinde Altensteig begeistern.
Erst spät entsteht eine katholische Gemeinde
Die Stadt an der Nagold wurde jahrhundertelang von Flößer und Gerbern, später von großen Sägewerken geprägt. Heute leben etwas mehr als 10500 Einwohner in dem Mittelzentrum, das immer noch stark evangelisch geprägt ist. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich durch Heimatvertriebene, Flüchtlinge und erste Gastarbeiter in den örtlichen Fabriken eine eigene Pfarrei. Die begeisternden Bettelpredigten des damaligen Pfarrers in umliegenden Pfarreien legten den emotionalen und finanziellen Grundstein der Heilig-Geist-Kirche, die 1963 geweiht wurde. Die Kirche ist mit dem benachbarten Gemeindehaus Mittelpunkt des Gemeindelebens der etwa 3500 Gemeindemitglieder.
Abriss, dann Neubau aus Holz
Noch vor dem Bau der Kirche erwarb die Gemeinde das benachbarte „Haus der Gesundheit“ und nutzte es fortan als Pfarrhaus mit einer Wohn- und einer Büroeinheit. Das Gebäude war nach über 50 Jahren Nutzung „total marode“, wie dies Angelika Tiede, Zweite Vorsitzende des Kirchengemeinderates, anmerkt. Statt für eine vollständige Sanierung des architektonisch wenig attraktiven Gebäudes entschieden sich die örtliche Kirchengemeinde und der Bauherr, die Katholische Kirchengemeinde in Altensteig, für einen Abriss und Neubau. Anknüpfend an die Bauweise des vorherigen Gebäudes und aus bauökologischen Aspekten favorisierte der Bauausschuss, das neue Pfarramtsgebäude aus Holz zu bauen. Viel Überzeugungsarbeit für den Baustoff Holz bedurfte es deshalb für Klaus Günter bei der Präsentation des Entwurfes gar nicht mehr – anders als bei vielen Wettbewerben für öffentliche Gebäude.
Haltbare Fassade durch Verkohlung
Auch bei der ungewöhnlichen Fassadenbekleidung fand er im Bauausschuss Zuspruch. Um der unerwünschten Vergrauung vorzubeugen und kostenintensive regelmäßige Anstriche zu vermeiden, präsentierte er dem Gremium ein Muster einer verkohlten Fassadenschalung. Hatte Daniel Schaible vom gleichnamigen Holzbauunternehmen für die Präsentation einfach nur ein Profilbrett mit einem Gasbrenner verkohlt, galt es nun in vielen Versuchen die geeignete Holzart, die Temperatur, die Dauer und den Abstand der Beflammung und vor allem die Behandlung der Oberfläche nach der Verkohlung herauszufinden. Nach unzähligen Versuchen machte sich der junge Zimmermeister und Diplom-Ingenieur für Holz- und Ausbau mit einem befreundeten Stahlbauer daran, eine Vorrichtung zu konstruieren, mit der seine Mitarbeiter den gewünschten Verkohlungs- und Glanzgrad der Schalbretter für 330 m2 Horizontalverschalung reproduzieren konnten.
Wie diese Verkohlung von statten geht, das bleibt das Geheimnis des 29-Jährigen, allerdings ist er selbstbewusst, was die Verbreitung der Methode angeht: Die Herstellung und die Oberflächenbeschaffenheit der Fassade seien bislang einzigartig in Deutschland. Dass die Methode, Holz durch die Verkohlung gegen Verwitterung und Schimmelbefall zu schützen, schon vor vielen Jahrhunderten genutzt wurde, wussten freilich Günter und Schaible auch. Bei seinem Urlaub, der ihn im Sommer 2015 nach Norwegen führte, fand der Rosenheim-Absolvent bei der Besichtigung der wenigen erhalten gebliebenen Stabkirchen Bestätigung für das wiederentdeckte Verfahren. Zurück zu Hause, wurde in sechs Wochen die Fassadenbekleidung vorgefertigt und vor Ort montiert.
Holz innen und außen
Die Außenwände wurden in Holzrahmenbauweise ausgeführt, um das Gebäude möglichst effektiv, aber dennoch bauökolgisch vertretbar dämmen zu können. Die Außenwände sind zweischichtig mit einer Kombination aus eingeblasener Zellulose und einer 35 mm starken Holzfaserdämmung gedämmt. Der Architekt wollte aus hygienischen und finanziellen Aspekten auf eine kontrollierte Lüftung verzichten. Er entschied sich deshalb für Decken (180 mm Stärke) und tragende Innenwände (120 mm Stärke) aus Brettsperrholz-Bauelementen aus kreuzweise verleimten Fichtenlamellen. „Die Elemente atmen, speichern Feuchtigkeit und geben diese ab“, erklärt Klaus Günter die Vorteile. Zudem würde die hohe statische Belastungsfähigkeit mehr gestalterische Freiheit erlauben.
Die Brettsperrholz-Bauelemente fanden nicht nur an Wand und Decke Verwendung, sondern auch als Möbel. Aus einem der Türausschnitte wurde der große Besprechungstisch im Pfarramt gefertigt, gestützt auf zwei x-förmigen Metallgestellen. Auch bei der Beleuchtung des Raumes, der sich in der Höhe auf zwei Geschosse streckt, ließen sich Architekt und der Bauausschuss – im Hinblick auf den Kostenrahmen – von einer kostengünstigen, aber gestalterisch ansprechenden Selfmade-Lösung inspirieren.
Kontrast im Untergeschoss
Wer aus dem Pfarramt den Weg ins Archiv, ins Untergeschoss oder in die Pfarrwohnung sucht, dem begegnen an der Wand Sichtbeton, Treppenstufen und Handläufe aus Eichenholz. Ein bewusster Kontrast zum Materialmix im öffentlichen Bereich aus Fichte, lasiertem Sichtheizestrich und weißen Möbeln. Beim Treppenhaus galt es, millimetergenau die Wandscheibe aus Beton sowie die Decken- und Wandelemente aus Brettsperrholz-Bauelementen bündig einzupassen und später die Führung für die Schiebetüren einzulassen. Das Treppenhaus ist nicht nur die Verbindung für den Pfarrer zwischen Privatem und Dienstlichem, sondern auch die bauliche Verbindung der schwarzen Kuben.
Für die beflämmte Fassade entwickelte der Holzbauer eine Konstruktion, um die verkohlten Bretter in Kleinserie zu produzieren
Baubeteiligte (Auswahl)
Bauherr Seelsorgeeinheit Oberes Nagoldtal, Katholische Kirchengemeinde Heilig Geist, 72213 Altensteig
Planung und Bauleitung Partner und Partner Architekten, 10999 Berlin und 72270 Baiersbronn
Statik Müller & Günter, 72250 Freudenstadt
Holzbau Holzbau Schaible, 72218 Wildberg
Innenausbau Schreinerei Rothfuß, 72296 Schopfloch
Fenster Faisst Fensterbau, 72270 Baiersbronn
Lieferant Massivholzwände/-decken innen Züblin Timber, 70567 Stuttgart
Fassadendämmung best wood Schneider, 88436 Eberhardszell (Holzfaserdämmung) und isofloc Wärmedämmtechnik, 34253 Lohfelden (Einblasdämmung)
Lieferant Holz Fassadenbekleidung Profilschalung aus Nordischer Fichte, aus Glattkantbrettern im Hobelwerk gefräst, Profil Eigenentwicklung, Beflammen/Verkohlen bei Holzbau Schaible
Bauzeit Planung 2014, Ausführung Februar 2015 bis Januar 2016
Baudaten (Auswahl)
Gebäudelänge 16,80 m
Gebäudebreite 13,30 m
Gebäudehöhe 9,20 m
Bruttorauminhalt 1190 m3
Fassadenfläche 330 m²
Jahresenergiebedarf 115 kWh/a
Baukosten etwa 780 000 Euro
Karbonisierte Fassade
In Japan wird seit über 700 Jahren die sogenannte Shou-Sugi-Ban-Methode verwendet, um Holz durch die Beflammung gegen Schädlinge und Witterung zu schützen. Angewandt wurde die Methode auch beim Bau der vor allem in Skandinavien verbreiteten Stabkirchen. In unseren Breiten wurden früher vor allem Zaunpfosten und Scheunentore durch das Verkohlen geschützt.
Diese sehr traditionelle Form der Oberflächenbehandlung haben Klaus Günter, Architekt und ausgebildeter Zimmerer, und Daniel Schaible von Holzbau Schaible in unzähligen Versuchen und bei verschiedenen Witterungsbedingungen durch eine gleichmäßige Verkohlung und durch eine spezielle Oberflächenbehandlung, die auf das Bürsten verzichtet, für eine Kleinserienfertigung weiterentwickelt. Durch flächiges Ankohlen des Materials werden die Holzzellen verdichtet und dadurch gegen Schädlinge, Schimmelpilze, Wasser und Verwitterung geschützt. Manche Holzbauer ölen die beflämmten Hölzer zusätzlich ein.