Zimmerer errichten Kirche aus Holz in Norwegen

Von Süddeutschland bis zum Polarkreis

Die Kirche St. Josef in der norwegischen Gemeinde Alta steht 300 km nördlich vom Polarkreis. Sie wurde zur Mittsommernacht im Juni 2019 eingeweiht. Der Zimmermeister und Bauingenieur Erich Bundschuh, seine Mitarbeiter und zahlreiche Helfer bauten das Gotteshaus gemeinsam in Holzbauweise. 

Ursprünglich sollten norwegische Firmen den Bau der Kirche im norwegischen Alta realisieren, was aber nicht zustande kam. Daher nahm Antonius Sohler, Generalvikar der Diözese Tromsö in der Finnmark, Kontakt zum gemeinnützigen Hilfswerk Kirchen für den Osten (KFDO) auf. Die Organisation kontaktierte Zimmermeister Erich Bundschuh, Inhaber eines Holzbaubetriebs in Walldürn/Glashofen bei Würzburg und bat ihn, den Auftrag zu übernehmen. Dieser zögerte nicht lange und übernahm den Auftrag für den Bau der Kirche. Außerdem kümmerte sich die Erich Bundschuh Holzbau GmbH um die Statik, CAD-Planung, die Lieferung der benötigten Holzbauteile und den Aufbau der Kirche vor Ort. Die zu erwartenden Schneemassen und Temperaturen von bis zu -35 °C im Winter erschwerten dabei die Planung und die Vorarbeiten. Geplant war zunächst, die Kirche mit Brettschichtholzbindern und Brettsperrholzplatten zu bauen. Da viele Holzleimbau- und Brettsperrholzhersteller aber erst zur Polarnacht im November 2018 hätten liefern konnten, wie Erich Bundschuh berichtet, nutzte die Zimmerei ein anderes Material. Statt Brettsperrholz für die Wand- und Deckenscheiben kamen Dreischichtholzplatten in 40 mm Dicke zum Einsatz. Insgesamt 40 m³ Dreischichtplatten wurden von den Holzwerken Pröbstl für den Kirchenbau in Sonderschichten produziert, auf Speditions-LKW geladen und nach Norwegen geliefert. „Insgesamt 80 m³ Holz und 200 m³ Holzfasereinblasdämmung wurden von uns mit zwei Lkw nach Alta geliefert“, erinnert sich  Erich Bundschuh und ergänzt: „Acht Paletten wurden zusätzlich von einem Importeur aus Oslo geliefert, über eine Strecke von mehr als 1700 km mit einem Hurtigruten-Schiff.“

Zum Bau der Kirche in Norwegen reiste ein siebenköpfiges Team des Holzbaubetriebs von Erich Bundschuh nach Alta. Dazu kamen ehrenamtliche Helfer des Hilfswerks KFDO vor Ort.

Tragwerk aus Brettschichtholz-Bogenbindern

Das Tragwerk der Kirche wurde mit Dreigelenkrahmen aus BSH-Bogenbindern gebaut. Die Binder mit einem inneren Krümmungsradius von 4,45 m und nur 2 cm dicken Lamellen wurden von Holzleimbau Wiedmann aus Rheinfelden vorgefertigt. Zwischen den Bindern wurden vor Ort zusammengesetzte Wände aus Stegträgern errichtet. Die Holzwände wurden für die Traufwände innenseitig zunächst mit 22 mm dicken OSB-Platten beplankt. Zur optischen Kaschierung und inneren Verkleidung befestigten die Holzbauer über den OSB-Platten an der Wandinnenseite Dreischichtplatten, die von außen verschraubt wurden. Die Giebelwände bestehen ebenfalls aus Stegträgern. Im unteren Teil bis zur Empore im Eingangsbereich wurden diese mit zwei Lagen 40 mm dicken Dreischichtplatten beplankt, darüber folgt ein Unterzug, der die Empore trägt. Für die Empore, auf der die Kirchenorgel steht, wurde aus Schallschutzgründen und zur Windaussteifung des Giebels eine Holz-Beton-Verbunddecke erstellt.

In die Wand hinter dem Altar wurde ein kreuzförmiges Holz-Aluminium-Fenster eingebaut. Um das Kreuz in den Wandstützen bei den hohen Windlasten auszuwechseln, verwendeten die Holzbauer Furnierschichtholzträger als Riegel.

Hinterlüftete, gedämmte Fassade

Die Außenwände der Kirche wurden mit Holzfasereinblasdämmung gedämmt („Steicozell“) . Über den Stegträgern, die die Dämmebene bilden, verlegten die Zimmerer von außen Unterdeckbahnen und eine Konterlattung. Darüber montierten sie Querrahmen zur Montage der abschließenden Schicht aus Putzträgerplatten. „Sowohl die Fassade als auch das Dach wurden hinterlüftet ausgeführt“, erklärt Erich Bundschuh, „wir bauen normalerweise selten hinterlüfteten Putzfassaden, aber in Norwegen am Polarkreis war der Luftaustausch hinter der Fassade sehr wichtig, weil es dort sehr lange und dunkle Winter mit wenig Sonne gibt. Außerdem haben wir eine sehr hohe Schlagregenbelastung am Fjord. Dadurch können die Fassaden nicht so gut austrocken wie etwa hier bei uns in Deutschland.“ Das Dach ist am First, der Traufe und an den Giebeln hinterlüftet, die Fassade ist außerdem am Sockel hinterlüftet.

Bei der Arbeit vor Ort in Norwegen merkten die Mitarbeiter des deutschen Holzbaubetriebs schnell, dass Arbeitsschutzvorschriften strenger als in Deutschland kontrolliert und reglementiert wurden. Regelmäßig wurde von der lokalen Arbeitsschutzbehörde geprüft, ob alle Handwerker Helme, Gehörschutz, Sicherheitsbrillen und Warnschutzwesten trugen. Außerdem mussten die Handwerker sich auch auf den Gerüsten mit Seilsystemen absichern.

Dach mit Brettschichtholz-Pfetten

Für das Dach der Kirche wurden passend zur Dach-neigung abgeschrägte BSH-Pfetten zwischen den Bindern verschraubt. Darüber wurden 40 mm dicke Dreischichtplatten als Deckenscheiben verlegt. Über den Holzplatten verlegten die Holzbauer Dampfbremsbahnen. Darüber verschraubten sie 36 cm hohe Stegträger als Sparren. Als nächstes verlegten sie Unterdeckbahnen und eine Konterlattung. Die Sparrenzwischenräume im Dach wurden wiederum mit Holzfasereinblasdämmung („Steicozell“) gedämmt. OSB-Platten bilden schließlich die Schalung für die hinterlüftete Kupfer-Stehfalzdeckung. Zunächst wurden aberer zum vorübergehenden Witterungsschutz für den Winter „Stamisol“-Unterdachbahnen über den OSB-Platten verlegt. Die Kupferblecheindeckung kam erst ein halbes Jahr später im Mai und Juni 2019 auf das Dach. 

Schwingfenster mit Dreifachverglasung

Der Bau der Kirche war auch eine Herausforderung für die Hersteller der eingesetzten Produkte und Materialien. Die verwendeten Dachfenster von Fakro mussten Sicherheit gegen Schnee und Kälte bieten. Die Bauherren entschieden sich für acht Niedrigenergie-Schwingfenster vom Typ „FPT-V P5“ in den Maßen 66 x 140 cm. Die Fenster hatte die Gemeinde schon vor dem Bau der Holzkonstruktion der Kirche erworben, beim Bau musste man sich an den vorhandenen Fenstergrößen orientieren. Die Holz-Schwingfenster sind mit einer Dreifachverglasung und einer stabilen, inneren VSG-Scheibe ausgestattet, die dem Gewicht der winterlichen Schneemassen standhält. Außerdem wurden die Fenster, die einen Uw-Wert von 0,97 W/m²K haben, in einer mit Unterstützung durch Fakro konzipierten Bauweise mit einer bauseitigen Lösung ins Blechdach integriert. Ein Fakro-Anwendungstechniker beriet dabei das Holzbauunternehmen und gemeinsam entwickelte man eine Lösung, um die Fenster in das Dach einzubauen. 

Den Innenausbau der Kirche, die Montage der Putzträgerplatten an der Fassade und den Bodenbelag der Kirche aus Alta-Schiefer führten die Gemeindemitglieder in Eigenleistung aus. Die Gemeinde in Alta zeigte sich nach Abschluss der Arbeiten sehr zufrieden mit der neuen Kirche.

Mehr Informationen über den Kirchenneubau in Alta finden Sie unter http://wp.bundschuh-holzbau.de.

Autoren

Ulrich Krumstroh ist freier Journalist mit Agentur in Lütjensee und betreut die Firma Fakro bei der Pressearbeit.


Stephan Thomas ist verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift dach+holzbau.

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