Faible für die Planung und Umsetzung komplexer Geometrien
Finn-Rouven Suchau, Deutscher Meister im Zimmererhandwerk 2024, im PorträtFinn-Rouven Suchau hat im Bundeswettbewerb der Zimmerer im November 2024 den 1. Platz erreicht und bewiesen, dass er sich schnell in komplexe Konstruktionen eindenken und diese handwerklich sauber umsetzen kann. Wir stellen den Bundessieger vor und zeigen, welche Aufgabe er im Wettbewerb umsetzen musste.
Wie tickt einer, der seinen Abschluss als Jahrgangsbester gemacht hat, anschließend Landesmeister und schließlich Bundessieger in seinem Gewerk geworden ist? Ist das ein durch und durch ehrgeiziger Mensch, der immer versucht, der Beste zu sein oder ist das jemand, der sich einfach für seinen Beruf begeistert und Spaß daran hat, in seinem Gewerk gute Ergebnisse zu erzielen? Auf Finn-Rouven Suchau trifft eindeutig Letzteres zu. Dabei kam er eigentlich über Umwege zum Zimmererberuf.
Nachdem Finn-Rouven Suchau das Abitur gemacht hatte, war für ihn zunächst noch nicht so recht klar, wohin die Reise gehen sollte. „Meine Eltern sind beide Erzieher, da habe ich es zunächst mit einem FSJ im Waldkindergarten versucht“, so der gebürtige Kieler, „aber der Funke ist nicht übergesprungen.“ Zwischenzeitlich hatte er die Idee, seiner musikalischen Begabung nachzugehen und Musik zu studieren. Dann lernte er aber seinen heute engsten Kumpel kennen, der bereits eine Zimmererlehre machte und ihm einen Praktikumsplatz vermitteln konnte. „Ich war von Anfang an begeistert“, erzählt Finn-Rouven Suchau heute. „Bis dahin hatte ich mir nie Gedanken über diesen Beruf gemacht, er hatte in meinem Leben keine Rolle gespielt.“ Er erhielt die Möglichkeit, schon vor der Lehre in seinem zukünftigen Ausbildungsbetrieb, Holzbau Rick in Ziethen bei Ratzeburg, als Helfer zu arbeiten, bis das erste Lehrjahr begann. „Finn hatte von Anfang an Spaß daran, mit Holz zu arbeiten und hat sich immer ruckzuck in die jeweiligen Aufgaben reingekniet“, erinnert sich Seniorchef Werner Rick. „Seine Wertungen in der überbetrieblichen Ausbildung wurden von Mal zu Mal besser. Spätestens als ich sein Gesellenstück gesehen habe, war mir klar, dass er wirklich sehr gut ist“, sagt Werner Rick.
Finn-Rouven Suchau bei der Arbeit an seinem Modell bei den Deutschen Meisterschaften im Bauhandwerk im November 2024 im Komzet Bau Bühl
Foto: ZDB/Claudius Pflug
Seinen Abschluss mit eben diesem Gesellenstück machte Finn-Rouven Suchau im Sommer 2024 als Bester seines Jahrgangs mit 100 von 100 möglichen Punkten. Schon bei seinem Gesellenstück, einem Dachmodell im Maßstab 1:10, hatte ihn das Komplizierte und Komplexe der Konstruktion gereizt. „Ich wollte schon gerne alles zeigen, was ich konnte“, so Suchau, „aber es macht mir vor allen Dingen Spaß, diese Geometrien zu planen, zu durchdenken und dann eben umzusetzen.“ Da seine Berufsschule in Blankensee bei Lübeck war, war es auch die Lübecker Innung, die seine Gesellenprüfung abgenommen hat. „Das Verfahren ist hier etwas anders als in vielen anderen Innungen“, erläutert Suchau. Zur Erstellung seines Gesellenstücks sagt er: „Wir hatten ein halbes Jahr Vorlauf für die Planung und dann zwei Tage Zeit für die Umsetzung im Modell.“
Intensive Vorbereitung
Im Bundeswettbewerb arbeiten die Zimmerer hauptsächlich mit Handwerkszeugen wie Stemmeisen und Japansägen
Foto: ZDB/Claudius Pflug
Im Anschluss an seine Gesellenprüfung nahm Finn-Rouven Suchau am Landeswettbewerb der Zimmerer in Schleswig-Holstein teil und trat im September 2024 in Elmshorn gegen zehn Mitstreitende an. Die Aufgabe im Landeswettbewerb erklärt der junge Zimmerer so: „Im Grunde bekommt man eine Art Rätselaufgabe, die man gedanklich durchdringen, berechnen und ebenfalls in ein Modell umsetzen muss. Das sind oft sehr abstrakte, unrealistische Gebilde, die dabei entstehen.“ Die Vorlage für die Wettkampfaufgabe sei vergleichbar mit einer rudimentär gezeichneten Architektenskizze, in die nur ein Minimum an Maßen eingetragen wird, erklärt Suchau. Aus diesen Angaben müsse dann die Dachausmittlung gezeichnet und das Modell gebaut werden. Bei der Landesmeisterschaft hatten die Zimmerer hierfür einen Arbeitstag Zeit. Vorbereitet hatte sich der frisch gebackene Zimmerergeselle Suchau eine Woche lang in der Überbetrieblichen Ausbildungsstätte (ÜAS) in Blankensee mit dem dortigen Ausbildungsmeister für Zimmerer, Arne Budde.
Die intensive Vorbereitungszeit auf den Bundeswettbewerb verbrachte der Zimmerergeselle ebenfalls überwiegend in Blankensee. „Für die Vorbereitung auf die Deutsche Meisterschaft bin ich drei Wochen von meinem Betrieb freigestellt worden“, sagt Suchau. „Die erste und die letzte Woche habe ich wieder in der ÜAS mit Unterstützung von Arne Budde trainieren können. In der mittleren Woche war ich zur Vorbereitung in Biberach, wo wir mit den Trainern der Zimmerer-Nationalmannschaft trainieren konnten.“ Das Bildungszentrum Holzbau in Biberach (Baden-Württemberg) bietet den jungen Wettbewerbsteilnehmenden Trainingslager an, um sich intensiv und gezielt vorbereiten zu können.
Anspruchsvolle Aufgabe im Bundeswettbewerb
Die intensive Vorbereitung hat sich gelohnt: Finn-Rouven Suchau gewann bei den Deutschen Meisterschaften im Bauhandwerk im November 2024 die Goldmedaille im Wettbewerb der Zimmerer. Dabei sei die Aufgabenstellung im Bundeswettbewerb deutlich schwieriger als im Landeswettbewerb gewesen, meint Suchau und erklärt: „Die Aufgabe war sehr komplex und zeitintensiv. Wir hatten bei den Deutschen Meisterschaften drei Tage Zeit, im Gegensatz zu einem Tag bei der Landesmeisterschaft. Auf Landesebene waren fast alle Hölzer über Profilschiftung, also über einfache Seitenansichten zu konstruieren und zu verschneiden. Im Bundeswettbewerb war komplexes geometrisches Vorstellungsvermögen gefragt und es war eine Vielfalt an Methoden erforderlich, um überhaupt die Dachform auf der Aufrissplatte greifen zu können.“ Konkret ging es bei der Wettbewerbsaufgabe um ein Turmdach über einem achteckigen Grundriss mit Gaube. Alle Teilnehmenden mussten ein Viertel des Daches bauen, sodass sich am Ende das Dach zusammensetzen ließ. „Ich fand gut, dass wir tatsächlich einen Dachausschnitt bauen mussten und eben kein realitätsfernes Kunstobjekt“, sagt Suchau. „Die Mischung aus errechneten Maßen und zeichnerisch ermittelten Bauteilen mit über CAD-Plänen angerissenen Hölzern musste perfekt passen und stellte eine besondere Schwierigkeit dar.“
Die Aufgabe für den Bundeswettbewerb wurde von Andreas Großhardt, stellv. Teamleiter der Zimmerer-Nationalmannschaft und Mitglied der Prüfungskommission (rechts), entwickelt. Zur Prüfungskommission der Meisterschaften im Zimmererhandwerk gehörten außerdem (von links): Florian Braun und Thomas Riebel, Ausbildungsmeister am Komzet Bau Bühl, Alexander Bruns, Zimmerer-Weltmeister 2019 und Zimmermeisterin Lisa Schätzle
Foto: Finn-Rouven Suchau
Die Wettbewerbsaufgabe im Bundeswettbewerb konnte Finn-Rouven Suchau schnell und sicher bewältigen. Werner Rick, Seniorchef im Ausbildungsbetrieb von Finn-Rouven Suchau, erinnert sich an die erfolgreiche Teilnahme seines ehemaligen Azubis bei der Landesmeisterschaft in Elmshorn: „Bei der Landesmeisterschaft war Finn der Einzige, der die Aufgabe vollständig in der vorgegebenen Zeit gelöst hat, obwohl er mit seiner sozialen Ader noch einem Mitstreiter geholfen hat! Gerade in so einem Wettbewerb muss man sehr schnell wissen, wo welche Hölzer hingehören, womit man anfangen muss, um das Ganze fehlerfrei umzusetzen und keine Zeit durch Korrekturen zu verlieren.“
Im Bundeswettbewerb der Zimmerer in Bühl musste ein 1:10-Modell gebaut werden, mit komplexen Konstruktionen und Verbindungen. Auch wenn bei den Meisterschaften im Bauhandwerk die Zimmerer tatsächlich ein Dach konstruieren mussten, lassen sich diese Aufgaben vermutlich selten mit dem Alltag auf der Baustelle vergleichen. „Das stimmt“, sagt Finn-Rouven Suchau, „alleine schon das Arbeiten quasi ohne Maschinen, sondern mit Stemmeisen und Japansäge, ist auf vielen Baustellen die Ausnahme.“ Dennoch werde gerade durch das Arbeiten per Hand und das Rechnen ohne Computer und CAD sehr viel Basiswissen geschult. „Ich halte die Wettbewerbe und das dazugehörige Training daher für sehr wichtig“, betont Werner Rick. „Wir sagen immer: mit Hand und Verstand. Du musst beides draufhaben als Zimmerer.“
Finn-Rouven Suchau (Mitte) gewann die Goldmedaille im Bundeswettbewerb des Zimmererhandwerks 2024. Silber ging an Jacob Spreer aus Sachsen-Anhalt (links), Nico Gruber aus Baden-Württemberg (rechts) gewann Bronze
Foto: ZDB/Claudius Pflug
Nach dem Sieg im Bundeswettbewerb möchte Finn-Rouven Suchau zunächst keine weiteren beruflichen Wettbewerbe bestreiten. „Ich möchte jetzt erstmal in Ruhe arbeiten, ohne Wettbewerbe und Trainingslager“, sagt er, „und für die Weltmeisterschaft bin ich sowieso schon zu alt.“ Das maximale Alter für die Teilnahme an den „World Skills“ beträgt 22 Jahre, Finn-Rouven Suchau ist 24 Jahre alt. „Ich möchte erstmal Erfahrungen sammeln, insbesondere in der Sanierung und dann vielleicht die Meisterprüfung machen“, sagt der Zimmerer, der inzwischen zu einem Betrieb gewechselt ist, der sich auf Sanierungen spezialisiert hat. Dennoch hat sein Ausbildungsbetrieb offensichtlich gute Arbeit geleistet. Bereits häufiger sind Jahrgangsbeste und auch Landessieger aus dem Betrieb Holzbau Rick hervorgegangen – und nun auch ein Bundessieger. Was ist das Geheimnis? „Ich denke, dass wir unsere Auszubildenden fordern, frühzeitig mitzudenken und Verantwortung zu übernehmen“, erklärt Werner Rick. „Sie werden von Beginn an eingebunden und aufgefordert, etwas selbst in die Hand zu nehmen.“ Dieses Rezept ist bei Finn-Rouven Suchau jedenfalls aufgegangen.
Dipl.-Ing. Nina Greve lebt und arbeitet als freie Autorin in Lübeck und schreibt unter anderem Artikel für die Zeitschriften dach+holzbau, bauhandwerk und DBZ.