Filigrane Bambuskonstruktion
Der Bambusturm im Innenhof der Fabbrica del Vapore wird scheinbar nur von Seilen und einem Holzring in sechs Metern Höhe zusammengehalten. Die Besucher entdecken erst bei genauer Betrachtung, dass die Bambusstäbe in einem Sockel aus Konstruktionsvollholz stecken.
Das Bauwerk war der „Eye-Catcher“ der Ausstellung „Green Utopia“ im Rahmen der Mailänder Möbelmesse im vergangenen Jahr. Die Macher, das Berliner Architektur- und Ingenieurbüro Ziegert/Roswag/Seiler, verstehen den acht Meter hohen Bambusturm nicht als Kunstwerk, sondern als Beweis, dass das schnell wachsende Gras längst nicht mehr nur Rohstoff für Bodenbeläge, Dekoratives, Gartenmöbel, Palisaden oder Terrassendielen ist, sondern auch konstruktives Baumaterial.
Bambus wurde in der Toskana geerntet
Für das Team um die Geschäftsführer Eike Roswag und Uwe Seiler sowie den italienischen Projektpartner und Bambusproduzenten bambuseto sind die Eigenschaften des Bambus keine neue Erkenntnis. „Bambus wächst unglaublich schnell, in einem Jahr bis zu 35 m, und bindet dabei große Mengen Kohlendioxid. Außerdem ist er härter als die meisten anderen Holzsorten. Dabei kommt er längst nicht mehr nur aus Südostasien. Die Stangen für den Bambusturm wurden auf einer Plantage in der Toskana geerntet“, erklärt Eike Roswag.
Besondere Geometrie mit spezieller Befestigung
Die mit dem Baustoff Bambus versierten Mitarbeiter des Architektur- und Ingenieurbüros entwarfen eine filigrane, acht Meter hohe Konstruktion mit schräg geneigten und sich kreuzenden Stangen, die im Sockel in einen Ring mit 4,70 m Durchmesser und auf Höhe der späteren Aussichtsplattform von einem 4,20 m im Durchmesser messenden Ring gefasst werden. In der Mitte verjüngt sich der Turm auf nur noch 2,60 m.
Podest mit 16 Vollholzblöcken
Die besondere Geometrie des Bauwerks und die statische Belastung erforderten eine besonders haltbare und präzise Befestigung der Stäbe. Dazu ordneten die Handwerker in einem sechs mal sechs Meter großen Podest ringförmig 16 Blöcke (32 x 20 cm) aus Kon-struktionsvollholz an und positionierten sie exakt, dann setzten sie die Aufnahmebohrungen für die Stangen. Die Blöcke für die Aufnahme der Stangen und die Unterkonstruktion für das Podest sägten die Handwerker mit einer Mafell Kettensäge, der „Zsx Ec 260 Hm“.
Schwenkbarer Bohrständer auf Rollen
An nur einem Tag fertigte das neunköpfige Team die gesamte Holzkonstruktion. In die 16 Sockelblöcke und die vier Ringelemente für die Krone bohrten sie insgesamt 128 Aufnahmen. Der schwenkbare Bohrständer „Bst 460“ (ebenfalls von Mafell) ermöglichte die exakte Bohrung mit einer Neigung von 24,7 Prozent und einer Tiefe von etwa 22 cm. Das Konstruktionsprinzip des Bohrständers ist bislang einzigartig. Basis ist eine Profilsäule aus robustem Aluminium-Guss. Die Bohrmaschine wird direkt am Adapter der Säule eingespannt und über ein hochfestes Seil in einer Schiene geführt. Die Zugkraft des Seils kann individuell auf die Bohrerlänge eingestellt werden. Nach dem Bohren fährt die Maschine automatisch zurück. Der Bohrer wird von sechs vertikal gelagerten Rollen geführt, die ein Verlaufen des Bohrers verhindern. In Kombination mit der schwenk- und justierbaren Säule sind auch Schrägbohrungen in Balken möglich. Die exakt vorgebohrten Löcher frästen die Handwerker mit einem 60 mm großen Kopfsenker mit der Zimmereibohrmaschine „Zb 400 E“ auf das Sollmaß.
Bambusstangen per Hand mit Knoten verbunden
Beim Aufbau in Mailand verkleideten die Handwerker das Podest mit beschichteten, 19 mm starken Siebdruckplatten, beschwerten es im Inneren mit 1,5 t Sandsäcken und setzten dann die Stangen ein. Mit dem Handhobel bearbeiteten sie die 55 bis 60 mm starken Stangen für eine passgenaue Aufnahme. Geduld und Übung waren gefragt bei der Verknotung der Stangen. Das Team hatte sich dazu von einem Zimmermann und Korbflechter in Berlin die Technik zeigen lassen und sich in Mailand mit einem Bambusgerüst von innen, Knoten um Knoten, nach oben gearbeitet. Mit insgesamt 192 Knoten verbanden die Handwerker letzendlich das Bambusgerüst.
Web-Service:
www.bauhandwerk.de
Im Internet finden Sie weitere Fotos vom Bau des Bambusturmes. Geben Sie hierzu bitte den Webcode in die Suchleiste ein.