Wie ein Azubi zum Zimmermann in Roetgen ein eigenes Haus in Holzständerbauweise gebaut hat
Vor seiner Lehre als Zimmermann hatte Luis Blesken mit Handwerk wenig am Hut. Trotzdem hat er sich zugetraut, im ersten Lehrjahr mit seiner Freundin ein eigenes Haus in Holzständerbauweise zu bauen. Der Bau war für beide eine Herausforderung, aber auch ein riesiges Erfolgserlebnis.
Die Idee, ein Haus zu bauen, entsteht in einer 65 m²-Wohnung in Aachen. Hier wohnen Luis Blesken und Laura Löhrer bis Mitte 2014. Luis Blesken hat neun Monate zuvor seine Lehre als Zimmermann angefangen. Da bekommen die beiden überraschend ein Grundstück von Laura Löhrers Großeltern geschenkt. Es liegt in Roetgen, einer Gemeinde bei Aachen. Das Grundstück ist 324 m² groß. „Erst war der Hausbau eine Spinnerei, wurde dann aber mehr und mehr Realität“, sagt Luis Blesken, der heute ausgebildeter Zimmermann ist. Mit dem Plan, ein Haus auf dem schmalen Grundstück zu bauen, wenden sich die beiden an den befreundeten Architekten Helmut Lorenz.
Alter Plan nicht maßstabsgetreu
„Der alte Bebauungsplan war nicht maßstabsgetreu“, sagt der Architekt heute, „die bebaubare Fläche schien viel zu klein. Da riet ich erst einmal von dem Projekt ab.“ Der Architekt bittet die jungen Bauherren, das Grundstück noch einmal in den Außenmaßen nachzumessen und ihm das Aufmaß zu geben. Mit Maßbändern machen sich die beiden an die Arbeit. Es stellt sich heraus, dass eine bebaubare Brutto-Grundrissfläche von 62 m² zur Verfügung steht. „Damit ließ sich planen“, sagt Architekt Helmut Lorenz.
Trapezförmiges Grundstück
Er macht die Entwurfsplanung innerhalb von zweieinhalb Monaten. Dann reicht er den Bauantrag ein und holt die Baugenehmigung. „Die größte Herausforderung war für mich, auf dem trapezförmigen Grundstück ohne rechte Winkel ein Haus zu planen“, sagt Lorenz. Der Plan gelingt. Das fertige Haus ist an der Straßenseite 5,90 m breit, an der Hinterseite aber nur 3,60 m. Im Erdgeschoss ist ein offenes Wohnzimmer mit Küche. Neben dem Wohnzimmer befindet sich mit knapp 24 m² ein Haustechnik- und Abstellraum. Im ersten Stock ist auf 43 m² genug Platz für zwei Schlafzimmer und das Bad. Unter dem Schrägdach ist noch ein heller, fast 30 m² großer Raum.
Erst im Sägewerk, dann per Hand
Im Sommer 2014 geht es dann los und die Fundamente werden gegossen. Auf den Rand des Fundaments mauert Luis Blesken Porenbetonsteine und schafft so einen vor Spritzwasser geschützten Sockel. Durch die Porenbetonsteine hindurch werden dann Holzschwellen in der Bodenplatte befestigt. Nachfolgend werden auf den Schwellen die ersten KVH-Ständer verschraubt. Die Holzständer für das Erdgeschoss bindet Luis Blesken mit einem Freund zunächst im Sägewerk ab, später dann zu Hause mit eigenem Werkzeug
Ausbilder und Berufsschullehrer unterstützen
Das Holz für den Bau erhält Luis Blesken über seinen Lehrbetrieb Bartsch Holzbau in Roetgen. Achim Bartsch, Inhaber der Zimmerei, ist für Blesken einer der wichtigsten Unterstützer beimHausbau. Genau wie sein Berufsschullehrer Walter Küßner. Was er von seinem Ausbilder in der Werkstatt erfährt und von seinem Lehrer lernt, setzt er nachmittags auf seiner Baustelle um. Die Holzständer im Erdgeschoss beplankt Luis Blesken von innen mit OSB-Platten, um die Konstruktion auszusteifen. Außen werden DWD-Platten befestigt.
Erst Schwalbenschwanz, dann Schrauben
Oben auf den KVH-Ständern befestigt er Rähmhölzer. Darauf werden die acht Meter langen Balken gelegt. Eine aufwendige Schwalbenschwanz-Verbindung fertigt er mit der Oberfräse. Im Obergeschoss wählt er eine weniger aufwendige Lösung. Hier werden die Deckenbalken zunächst mit Schrauben fixiert, dann mit Winkeln und Kammnägeln befestigt.
Flachdach neben Steildach
Der Boden im 1. OG wird mit OSB-Platten ausgebildet. Danach geht Luis Blesken vor wie im Erdgeschoss: Schwellen am Rand setzen, Ständer darauf verschrauben. Dann die Rähmhölzer oben auf den Ständern montieren. Zuletzt werden die Deckenbalken auf die Rahmhölzer gelegt und verschraubt.
Für das Dachgeschoss setzt Blesken wieder Holzständer an den Rand. Sie ergeben die Kniestockhöhe von rund einem Meter. Die Holzständer beplankt er wieder mit OSB-Platten. Auf die linke Wand setzt er ein Rahmholz und dann eine acht Meter lange Fußfpette. Auf der rechten Seite erstellt er einen Drempel. Dazu montiert er auf dem Boden des Dachgeschosses, oberhalb des Badezimmers, zwei Pfosten. Auf die Pfosten montiert er die Fußpfette. So hat er zwei parallel verlaufende Fußpfetten als Basis für das Dach erstellt. Auf den Fußpfetten erstellt er das Steildach, daneben entsteht ein kleines Flachdach, das mit Rauspundbrettern verschalt wird.
Nach dem Verlegen der Fußpfetten werden die Dachsparren aufgelegt und von innen mit OSB-Platten verschraubt, außen mit DWD-Platten vernagelt. Auf den diffusionsoffenen Wand- und Deckenplatten verlegt Luis Blesken eine Unterdeckbahn. Darauf verschraubt er Konter- und Traglattung und verlegt dann Tondachziegel. Den kleinen Anbau des Hauses erstellt Luis Blesken ebenfalls in Holzständerbauweise. Er bekommt ein Steildach, das mit DWD-Platten beplankt und später mit Tondachziegeln belegt wird.
Vorsprung vor anderen Gesellen
Den kompletten Holzständerbau bereitet Luis Blesken für die Zelluloseeinblasdämmung vor, die ein Fachbetrieb übernimmt. „Ich denke Luis kann vieles, was er auf seiner Baustelle gelernt hat, auch beruflich nutzen. Er hat durch den Bau einen riesigen Vorsprung an Erfahrung vor anderen Gesellen“, sagt Georg Raida, der die Einblasdämmung mit Zellulose durchführt. Während die Bereiche zwischen den Holzständern mit Zellulose ausgeblasen werden, werden die Installationsebenen und Innenwände mit „SteicoFlex“-Holzfaserplatten gedämmt. „Ich habe Holzfaser statt Glaswolle benutzt, weil es beim Schneiden nicht so juckt“, sagt Blesken. Viele Arbeiten erledigen Luis Blesken und Laura Löhrer selbst. Aber die Fensterbänke, Dachrinnen und Ortgangverkleidung mit Zink überlassen sie lieber einem Dachdecker. Auch die Elektrik und Hausinstallation übernimmt ein Elektrofachbetrieb. Das Verputzen und Malern ebenfalls.
Großeltern kochen und waschen
Während des gesamten Baus zieht das Bauherrenpaar zu den Großeltern von Laura Löhrer. Die wohnen nur ein paar hundert Meter vom Grundstück entfernt. „Sie haben uns sehr unterstützt“, sagt Laura Löhrer, „ohne sie und viele andere Familienmitglieder wäre der ganze Bau nicht möglich gewesen.“ Der Bau dauert etwa ein Jahr. Gearbeitet wird fast nur abends und an den Wochenenden. „Dabei waren wir zu siebzig Prozent allein auf der Baustelle“, sagt Luis Blesken. Die Großeltern kümmern sich währenddessen um die Wäsche und kochen für die beiden. „Hätten wir noch gleichzeitig einen Haushalt führen müssen, hätten wir den Hausbau womöglich nicht geschafft“, sagt Luis Blesken.
Fertig und erschöpft, aber glücklich
„Der ganze Bau war eine riesige Herausforderung für uns“, sagt Laura Löhrer im Rückblick. Zum einen mussten sich die beiden ständig neue Fertigkeiten aneignen. Zum anderem die Materialien so auswählen, dass alles zueinander passt. „Aber die größte Herausforderung war, als Paar zusammen zu halten und sich nicht verrückt machen zu lassen“, sagt Laura Löhrer. Inzwischen hat Luis Blesken seine Lehre als Zimmermann abgeschlossen und die beiden haben ein Kind. Jetzt wohnen sie zu dritt in ihrem eigenen, selbst gebauten Holzständerhaus.
Autor
Stephan Thomas ist Volontär in der Redaktion der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau in Gütersloh.
Bautafel (Auswahl)
Bauherren Laura Löhrer und Luis Blesken,
52159 Roetgen-Rott
Architekt Helmut Lorenz, 52159 Roetgen-Rott,
Einblasdämmung Raida Dämmtechnik GmbH,
52156 Monschau-Imgenbroich, www.raida.org
Bauzeit Juni 2014 - Juli 2015
Material (Auswahl)
Dämmung „SteicoFlex“-Holzfaserdämmstoff,
www.steico.com, „Isofloc“-Zellulosedämmstoff,
Tonziegel „Der neue Holländer“, Braas/Monier Building Group Services, www.braas-monier.com
„Die größte Herausforderung war, zusammen zu halten und sich nicht verrückt machen zu lassen.“