Alte Baustoffe neu genutzt 

Building Cycle Projekt: Pavillon aus wiederverwerteten Baustoffen entsteht auf ehemaligem Brauereigelände in Berlin

In der ehemaligen Kindl-Brauerei in Berlin wird längst kein Bier mehr gebraut. Auf dem Areal entstehen stattdessen neuer Wohnraum und Gewerbeflächen. Ein Pavillon informiert über den Bau – gebaut ist er mit Holzbalken, Schrauben und OSB-Platten, aber auch mit Altholz, Pappe und alten Plakaten.

Der Pavillon auf dem Kindl-Areal in Berlin-Neukölln ist überwiegend aus recycelten Materialien gebaut. Er soll nicht dauerhaft dort stehen bleiben – entspricht aber den statischen Anforderungen für eine dauerhafte Nutzung. Das Projekt wurde von Prof. Eike Roswag-Klinge initiiert, Leiter und Gründer des Natural Building Labs am Institut für Architektur der TU Berlin. Der Architekt und gelernte Tischler hat sich einen Namen damit gemacht, Naturbaustoffe wie Lehm, Holz und Bambus für den Bau von Gebäuden einzusetzen. Die Building Cycle Infozentrale, so lautet der Name des Pavillons, hat der Architekt als Projekt mit 40 Architekturstudenten/-studentinnen der TU Berlin geplant und umgesetzt. Die Infozentrale soll über die aktuell laufenden Prozesse und Planungen auf dem Areal der ehemaligen Brauerei informieren.  

Der Pavillon ist überwiegend aus aufbereiteten Abfallstoffen entstanden. Der Bau soll viele Zukunftsfragen eines sogenannten „ressourcen-positiven“ Bauens in urbanen Räumen beantworten. Das Dachtragwerk und der Boden der Infozentrale sind überwiegend mit Holz und aus Abfallstoffen errichtet. Die Wände bestehen aus einem Wandsystem aus Pappkartons und Plakaten, die mindestens ein Jahr halten sollen. 


Unterkonstruktion aus Altholz

Der Pavillon aus Holz steht auf einem ehemaligen Gärkeller der Kindl-Brauerei. Die Stützenfüße des Pavillons sind mit Bolzen mit der Betondecke des Kellers verbunden. In den Stützenfüßen sind Kreuzstützen aus Holz verankert. Aus statischen Gründen bauten die Studenten die Stützen aus neuem Holz. Die Unterkonstruktion des Bodens besteht aus Altholzbalken, die auf ein Maß von 8 x 10 cm aufbereitet wurden. Die bei der Aufbereitung entstandenen Holzspäne wurden ebenfalls wiederverwertet: sie kommen als Dämmung zwischen den Balken zum Einsatz. Die Späne haben die Studenten über Wochen in der Holzwerkstatt der Uni und später auf der Baustelle gesammelt. Die Unterkonstruktion des Bodens ist doppelt mit 15 mm dicken OSB-Platten beplankt und mit „BeFix“-Holzbauschrauben 3,5 x 50 mm der Behrens AG befestigt. Die Schrauben sind nach der ETA als Bauprodukte für den Einsatz in den Nutzungsklassen 1 und 2 zugelassen. Die blaue Verzinkung der Schrauben soll gegenüber einer herkömmlichen Verzinkung eine höhere Korrosionsbeständigkeit und Oberflächenhärte bieten.


Dachtragwerk aus acht Lagen

Ein Trägerrost aus Holz bildet die Dachkonstruktion für den Pavillon. Die Idee dazu stammt von den Architekturstudenten, die für das Dachtragwerk möglichst viel Altholz gesammelt, aufbereitet und verwendet haben. Aus statischen Gründen konnte das Tragwerk nicht vollständig mit Altholz gebaut werden. Die aufgearbeiteten Holzbalken stapelten die Studenten daher zusammen mit neuen Balken in acht Schichten auf dem Boden übereinander und zogen sie an den Knotenpunkten mit Gewindestangen zusammen.


Dachbahnen im Klettverfahren

Das Tragwerk des Daches ist wie der Boden mit 15 mm dicken OSB-Platten beplankt. Die Platten sind mit „BeFix“-Holzbauschrauben befestigt. Geplant war ursprünglich, gebrauchte OSB-Platten für den Bau zu verwenden. Das ließ sich aber nicht umsetzen, da die gebrauchten Platten nicht in ausreichender Qualität beschafft werden konnten. Das Dach ist mit Dachbahnen abgedichtet, die im Klettverfahren auf den OSB-Platten verlegt sind. Nähte und Kopfstöße sind mit Heißluft verschweißt. Das Dach und die Wände sind teilweise mit Zelluloseeinblasdämmung (von Isofloc) gefüllt.

Bis zum Ende des Jahres sollen der Innenausbau und die Außengestaltung des Pavillons abgeschlossen sein. Die Infozentrale wird als Raum für Besprechungen der zukünftigen Baustellen des „Vollgut“-Areals genutzt und soll über Prozesse und Planungen auf dem Areal informieren. Wenn Sie über die Nutzung des Pavillons auf dem Laufenden bleiben möchten, finden Sie auf der Website des Natural Building Labs aktuelle Fotos und Informationen: https://nbl.berlin/Infozentrale-auf-dem-Vollgut.


Autor


Volker Simon ist Geschäftsführer der Agentur Nota Bene Communications in Weinstadt und betreut die Joh. Friedrich Behrens AG bei der Pressearbeit.

Von der Kindl-Brauerei zum „Vollgut“-Areal

Das Areal der ehemaligen Berliner Kindl-Brauerei ist seit 2015 im Eigentum einer Tochtergesellschaft der gemeinnützigen Schweizer Stiftung Edith Maryon. Seitdem wird das Gelände mit dem heutigen Namen „Vollgut“ durch die Eigentümerin und ihre Partner weiterentwickelt. Die Entwicklung hat das Ziel, die große Industriebrache in Berlin-Neukölln unter Beteiligung möglichst vieler Menschen wirtschaftlichen, sozialen, kreativen und ökologischen Zwecken zur Verfügung zu stellen. Mit der Bewirtschaftung des Geländes verbindet die Eigentümerin die Verantwortung, das Gebiet nicht nur aufzuwerten, sondern auch seinen Bewohnern lebensnah zu erhalten. Dazu sollen Nutzer, die Nachbarschaft und die Bezirksverwaltung einbezogen werden. Zu den bereits bestehenden Bauten sollen mittelfristig durch Neubauten weitere 12 500 m² Wohn- und Nutzfläche geschaffen werden. Hierzu wurden zwei Teilgrundstücke im Erbbaurecht an eine Genossenschaft abgegeben. Die baut in modularer Holzmassivbauweise einen sozialen Beherbergungsbetrieb und ein „Circular Economy Lab“, das vermietet werden soll.

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