Ziegeldeckung von der Antike bis heute
Das Eindecken von Gebäudedächern hat eine lange Tradition. Schon in der Antike gab es verschiedene Deckungsarten. In der Zeit von 800 bis 600 v. Chr. gab es in Griechenland bereits Ziegeldeckungen. Nördlich der Alpen führten die Römer diese Bauweise ein. Weitere Verbreitung erfuhren Sie durch Ordensgemeinschaften.
Bereits im frühen griechischen Hausbau zeigen Hausmodelle aus Ton ab dem 8 Jahrhundert v. Chr. geneigte Dächer. Besonders bei Kultstätten, wie Tempel, wurden hölzerne Dachkonstruktionen mit einer Neigung von circa 10 bis 16 Grad errichtet. Die Dachhaut bestand aus aufliegenden Ziegeln. Die Größe war mit 0,4 bis 0,8 m² deutlich größer als die heute verwendeten Dachziegel. Es gab verschiedene Systeme zur Verlegung, so zum Beispiel das lakonische oder korinthische System mit jeweils unterschiedlichen Arten der Überlappung und Verbindungsziegeln. Die Befestigungsart der Ziegel ist dagegen noch nicht völlig geklärt. Man vermutet, dass die Stabilität der Ziegel durch Verzapfung oder das einfache Verlegen auf Lehm oder Strohbettung erreicht worden ist. Der Abschluss an der Traufe bilden die Stirnziegel in vielfältigen Formen und dienten als Schmuck der unteren Dachkante.
Historische Funde in Mitteleuropa
Durch archäologische Funde wurden in verschieden Orten in Deutschland Ziegeleien aus römischer Zeit nachgewiesen. Die Ziegelproduktion wurde unmittelbar nach der Besetzung durch die römische Armee begonnen. Bei den zahlreichen Ausgrabungen wurden unter anderem Dachziegel unterschiedlicher Formate aber auch Dachziegel mit Rauch- und Lichtluken gefunden.
Die Bedeutung der Ziegeldeckung im Mittelalter
Die Produktion und Verwendung von Dachziegeln wurde auch nach dem Untergang des Römischen Reiches fortgesetzt. Neben der Deckung mit Kupfer und Bleiplatten war die Verwendung unterschiedlicher Ziegel von Bedeutung. In mehreren erhaltenen Schriften aus dem frühen Mittelalter werden die Herstellung und deren Verwendung erwähnt. Die Ziegeldeckung hat sich allerdings nicht nur in Klöstern und herrschaftlichen Bauten, sondern auch in Städten durchgesetzt. Im 14. und 15. Jahrhundert verboten zahlreiche Städte aus brandschutztechnischen Gründen die Eindeckung von hölzernem Dachmaterial. Die Ziegeldeckung wurde deshalb in einigen Städten durch Einrichtung von Ziegelhütten gefördert.
Dachziegel waren früher wertvoll
Die Dachziegel hatten im Mittelalter einen hohen materiellen Wert. Sie wurden bei Um- und Neubauten sorgfältig geborgen und später wieder verwendet. Teilweise bekamen die Dachziegel, der römischen Tradition entsprechend, einen Herstellerstempel mit dem Namen des Auftraggebers. Zum Beispiel von Bischof Bernhardt (996-1022 n. Chr.). Die Dachziegel erhielten dann einen Rechteckstempel mit der Inschrift: BERNHARD. Insbesondere Klöster hatten eine reiche Tradition. Dort haben die Mönche Inschriften hinterlassen. Mehrfarbige Ziegel, gefertigt mit gelber und brauner Bleiglasur sowie durch Auftragen weißer Kalkschlämmen, wurden auch schon im Mittelalter hergestellt. Diese verwendete man bei besonders repräsentativen Kirchen, herrschaftlichen Anlagen und städtischen Gebäuden. Das Dachdeckerhandwerk hatte also im Mittelalter einen hohen Stellenwert. Dies zeigt sich in überlieferten Darstellungen. In den Büchern von Westminster Abbey aus dem Jahre 1253 gibt es eine Liste der am Bau beschäftigter Arbeiter, wo die Dachdecker gesondert aufgeführt werden.
Verwendung von unterschiedlichen Ziegelarten
Im Mittelalter verwendeten Handwerker unterschiedlich geformte Dachziegel. Es gab den Leistenziegel, den Deckziegel, den Flachziegel, die Hohlpfanne, die S-Pfanne und den Krempziegel. Zum Teil wurden diese Ziegelformen und deren Verwendung in architekturtheoretischen Schriften aus dem 15. Jahrhundert beschrieben.
Der Leistenziegel
Der Leistenziegel war ein Erbe der römischen Architektur. Er war flach geformt und hatte an den Seiten zwei hochstehende Leisten. Die seitlichen Stöße wurden mit rund geformten Deckziegeln abgedeckt, diese wurden dann in Mörtel verlegt. Der Leistenziegel kam auf sehr flachen Dächern zum Einsatz. In späterer Zeit wurden diese Ziegel auch bei etwas steileren Dächern verbaut und entweder mit Nägeln befestigt oder sie hatten Nasen. Damit konnten sie auf den Dachlatten eingehängt werden. Diese Ziegelart griffen im 13. Jahrhundert die Ziegelhütten der Zisterzienser auf. In Südwestdeutschland wurden Leistenziegel beim Bau von Klöstern zur Dacheindeckung verwendet.
Der Deckziegel
Der Deckziegel war ein halbrund gewölbter Hohlziegel und hatte eine Breite von ungefähr 10 cm. Bei First und Gratziegel wies er eine Breite von 20 cm und mehr auf. Er wurde bei steinernen oder metallenen Dachplatten als Firstziegel eingesetzt. Diese Ziegel hatten Kanten am Einzug oder anmodellierte Nasen, die das Abrutschen verhinderten. Manchmal wiesen die Firstziegel auch Nagellöcher auf.
Der Flachziegel (Biberschwanz)
Der Flachziegel ist eine mittelalterliche Erfindung. Er hatte unterschiedliche Formen und Größen. Diesen verlegte man in zwei oder drei überlappenden Schichten, um eine dichte Dachfläche zu erhalten. Zu Beginn des Hochmittelalters stellt man sehr sorgfältig gearbeitete, großformatige Ziegelplatten her. Die Dachfläche wurde mit spitz geschnittenen Flachziegeln gedeckt. An der Traufe verwendete man Ziegel mit geradem Schnitt. Diese Ziegel wurden mit gesondert angesetzten Nasen versehen, damit sie auf die Dachlattung eingehängt werden konnten. Sie waren rund 53 bis 55 cm lang und 23 bis 26 cm breit. Viele der Dachziegel waren durch Bleiglasur oder Kalkschlämme farbig gestaltet. Entsprechende Flachziegel mit farbiger Glasur wurden im 13. bis 15. Jahrhundert an vielen Bauwerken der Klöster, in den Städten und des Adels in Sachsen sowie in West- und Süddeutschland benutzt. Der Flachziegel wurde erst im 16. Jahrhundert zur preiswerten Massenware und dann auch im städtischen und ländlichen Hausbau eingesetzt. Die spätere Bezeichnung „Biberschwanz“ bekam er durch den üblichen halbrunden Schnitt.
Die Hohlpfannendeckung
Die Hohlpfannendeckung ist in allen deutschen Regionen im Spätmittelalter (1250 bis 1500 n. Chr.) verbaut worden. Diese Deckungsart wird auch Mönch- und Nonnedeckung genannt. Es wurden zwei Ziegelarten benötigt: der Unterziegel, der das Regenwasser aufnahm und der Deckziegel. Der Unterziegel (Hohlpfanne) war 23 bis 32 cm lang. Der Deckziegel wies meist eine Länge von 13 bis 18 cm auf. In der Frühzeit gab es Ziegel mit Nagellöchern. Später versah man sie mit kantigen Nasen am oberen Ende, um sie an den Dachlatten aufhängen zu können. Der Deckziegel wurde mit Mörtel befestigt und abgedichtet. Teilweise versah man die Hohlpfannen mit einer Glasur, damit das Regenwasser besser abgeleitet werden konnte. Diese Deckungsart wurde vermutlich erst ab Mitte des 12. Jahrhunderts verbaut. Bis zum Ende des Mittelalters setzte man Hohlpfannendeckung vor allem bei weniger bedeutenden Bauwerken ein. Nur im norddeutschen Raum verwendete man diese Deckungsart bis in das 14. Jahrhundert sehr häufig.
Die S-Pfanne und der Krempziegel
Im Mittelalter experimentierte man auch mit anderen Ziegelformen, um Material und Gewicht zu sparen. Daraus entstanden weitere Ziegelarten: die S-Pfanne und der Krempziegel. Bei Grabungen des Ottonischen Magdeburger Domes (erbaut um 960/80) fand man sehr große, grün glasierte Flachziegel mit ungewöhnlicher Form. Diese Ziegel waren an den beiden seitlichen Kanten mit Hakenfalzen profiliert, die nach unten beziehungsweise nach oben zeigen. Somit konnten die nebeneinander liegenden Dachziegel fest ineinander greifen. Trotz einlagiger Deckung blieb so das Dach dicht. Um 1400 wurde aus der Hohlpfanne die S-Pfanne weiterentwickelt. Bei der S- Pfanne vereinigte man die beiden Hohlpfannenziegel zu einer asymmetrischen S-Form. Mit dieser Ziegeldeckung reduzierte sich die Anzahl der offenen Fugen und der zu versetzenden Dachziegel um die Hälfte.
Unterschiedliche Verbreitungsgebiete
Die Verbreitung der oben beschriebenen Dachziegel und Deckungsarten war sehr unterschiedlich. Die Hohlpfannendeckung wurde im ganzen deutschen Sprachraum eingesetzt. Andere Ziegelarten fanden nur regionale Anwendung, wie zum Beispiel der Krempziegel. Er wurde hauptsächlichen im nordwestdeutschen Raum verbaut, setzte sich aber letztendlich nur in Niedersachsen durch. Eine Erklärung dafür, ist sicherlich die Wanderschaft von Bauhandwerkern beziehungsweise Baumeistern im Mittelalter. Mit der Errichtung von Klöstern, vor allem der Zisterzienser, in den eroberten Ostgebieten wurde das Wissen um die Herstellung sowie der Dachdeckung verbreitet. So wurde an den Orten eines neuen Klosters meist auch eine Ziegelei errichtet, um die verschiedenen Ziegel für den Eigenbedarf selbst produzieren zu können. Die unterschiedlichen Ziegel und Deckungsarten aus dem Mittelalter haben sich so zum Teil bis in die Neuzeit erhalten.
Autor
Lutz Reinboth ist Bauingenieur und schreibt regelmäßig für die Zeitschrift dach+holzbau.
Ziegel bekamen gemäß römischer Tra-
dition einen Herstellerstempel
Mancherorts wurden die Hohlziegel mit Glasuren versehen, sie sorgten dafür, dass das Wasser besser abfloss
Ziegel-Einzelanfertigung nach historischem Vorbild
In der Ziegel-Manufaktur Glindow in Brandenburg (www.ziegelmanufaktur.com) kann der Handwerksbetrieb Dachziegel nach historischem Vorbild in kleiner Stückzahl anfertigen lassen. Ein umfangreiches Formenarchiv steht von der Romantik bis zur Neuzeit zur Verfügung. Als Trennmittel werden Wasser oder Sand verwendet und somit können Dachziegel mit unterschiedlich strukturierten Oberflächen individuell hergestellt werden. Damit kann bei einer Sanierung eines historischen Daches das ursprüngliche Aussehen wieder hergestellt und wird so den Anforderungen des Denkmalschutzes gerecht.
Im Märkisches Ziegeleimuseum Glindow wird heute die Geschichte der regionalen Ziegeleien dokumentiert.