Tragfähiges Bausystem mit Holzstegträgern
Der Architekt Hans-Ludwig Stell aus Münster hat für den ein- und zweigeschossigen Hausbau ein ausgeklügeltes Baukastensystem entwickelt. Diese einfache, schnelle und selbsterklärende Holzbauweise mit dem Namen „SI-Modular“ gründet auf dem Metsä Wood Holzstegträger „Finnjoist“.
Möglichst einfach sollte es sein, in der Konstruktion und bei der Montage. Als an Hans-Ludwig Stell, den geschäftsführenden Gesellschafter der Stellinnovation GmbH im Frühjahr 2011 die Aufgabenstellung gerichtet wurde, im Rahmen der Entwicklungshilfe einen Haustyp zu konstruieren, der möglichst einfach aufgebaut werden kann, war guter Rat teuer. „Das System sollte leicht verständlich, möglichst ohne (aufwendiges) Werkzeug, ohne Kran – deshalb kleinteilig – oder Gerüst sehr fehlertolerant von jedermann zu errichten sein“, sagt Hans-Ludwig Stell. Dennoch sollte das System eine dauerhafte Wohnnutzung über Generationen sicherstellen. Nach 15-monatiger Planung und Konstruktion konnte schließlich ein Prototyp präsentiert werden. Mit dem SI-Modular-System werden Häuser durch den Einsatz von Steckverbindungen vollständig aus Holz errichtet.
Stahlkonstruktion kam nicht in Frage
„Als Architekt wurde ich vom Stahlbau inspiriert“, sagt Hans-Ludwig Stell, der mit seinem Büro vor allem Projekte aus den Bereichen Wohnungs- und Verwaltungsbau plant und die Bauvorhaben bis zur Fertigstellung begleitet: „Jedoch schloss unser Architektenteam eine Stahlkonstruktion gerade für diesen Einsatzweck aus. Holzstegträger von Metsä Wood haben sich dagegen als geeignete Lösung gezeigt“.
Die Holzstegträger sind analog dem Prinzip eines Doppel-T-Stahlprofils konstruiert: einem Abstandhalter, dem OSB-Steg, an dessen Längsseite oben und unten Gurte verlaufen. Letztere sind an einem Stück aus hochfestem „Kerto-S“ gefertigt und können dauerhaft enorme Druck- und Zuglasten tragen. „Die Holzstegträger „Finnjoist“ sind vielseitig einsetzbar und erfüllten alle erforderlichen Eigenschaften für den geplanten Haustyp“, sagt Stell.
Hans-Ludwig Stell entwickelte den Haustyp weiter, so dass er den heutigen europäischen Standards beispielsweise hinsichtlich der EnEV entspricht. Vorgefertigt werden die einzelnen Baukastenteile von der Tischlerei / Zimmerei Bartmann aus Sendenhorst-Albersloh auf zwei CNC-Anlagen.
Nach festem Raster einfach aufzubauen
Das Baukastensystem der SI-Modular basiert auf einem festen Raster. Die Abstände sind genau ein Meter. Fünf Felder, sprich fünf Meter, bilden die maximale Breite, die Länge ist im Raster beliebig. „Für bestimmte Ausführungen, wie beispielsweise Putzoberflächen, kann die lichte Spannweite durch Einsetzen eines im System integrierten Zwischenstiels halbiert werden“, erklärt Hans-Ludwig Stell. Aufgrund der hohen Traglast werden die Metsä Wood-Holzstegträger für die Wände, die Decken und das Dach verwendet. Die Holzstegträger werden auf horizontale Schwellen, die an der Bodenplatte verankert sind, gesteckt. Wie das System aufgebaut wird, zeigen wir im Folgenden Schritt für Schritt: Zunächst werden auf der bereits vorbereiteten Stahlbeton-Bodenplatte (oder Streifenfundamenten) die Schwellen per Schwalbenschwanzverbindung zusammengesteckt und „ins Wasser“ gebracht. In Kürze werden alternativ auch Schraubfundamente mit Bodenrost für das System verfügbar sein. Die Schwellen werden danach auf der Bodenplatte verschraubt. Das ganze System wird später noch mit großen Nagellaschen und Schraubankern in den Ecken seitlich an der Bodenplatte fixiert. Auf die Schwellen werden die Stützen aus „Finnjoist“-Holzstegprofilen gesteckt und per Stabdübel fixiert. Danach werden die Zangen in der Brüstungs- und Sturzebene eingeführt. Jetzt folgen die Rähme, die analog zu den Schwellen auf die Stützen aufgelegt werden. Ein solches Erdgeschoss ist in rund 20 Minuten erstellt (Maße 5 x 5 Meter). Auf den Rähmen werden die Dach- oder je nach Gebäudetyp auch Deckenträger verlegt. Auch hier erfolgt die Montage mittels Stabdübeln.
Es folgen nun die Kippsicherungen, die in vorgefertigte Taschen eingeschoben werden. Die Bodenlage aus ESB-Platten („Elka-Strong-Board“) wird anschließend vernagelt und bildet so die Scheibenwirkung der Geschossdecke aus. Beim Satteldach werden nun die Sparren mittels Steckverbindung zu Sparrendreiecken zusammengesteckt und in die Aufnahmen der Deckenträger geschoben. Der First wird mit Passstücken zwischen den Sparrendreiecken montiert. In die Drempelbereiche werden passgenau gefräste ESB-Platten eingesetzt, die für zusätzliche Stabilität sorgen. Nun können beim Satteldachtyp noch die Giebelstützen und der Luftsparren montiert werden.
Die Dachschalung aus aussteifenden Holzfaserplatten kann nun aufgebracht werden. Die Platten werden genau wie die „ESB“-Platten im modularen Rastermaß produziert, ein Ablängen und Anpassen entfällt. Flachdach und Pultdach werden entsprechend montiert. Es folgt die Dachdeckung, beziehungsweise die Dachabdichtung auf Gefälledämmung und EPDM-Bahn beim Flachdach, und die Dämmung des Daches. Auch hier wird mit vorbereiteten Dämmstoffpaketen gearbeitet, anschließend innenseitig mit „ESB“-Platten.
Dämmung, Fenster und Türen
In die Wände werden zunächst auf der Außenseite passgenau gefertigte Holzwolle-Leichtbauplatten einfach eingestellt. Der restliche Wandquerschnitt wird mit einer Dämmung (Mineralwolle, Einblasdämmstoff, andere Dämmstoffe) ausgefüllt/eingeblasen. Fenster und Türen entsprechen den Modulabmessungen und werden einfach eingeschoben.
Für die Fassade hat Hans-Ludwig Stell ein Einhang-Rahmensystem entwickelt, welches in eine speziell für diesen Zweck konzipierte Alu-Unterkonstruktion eingehängt wird. Beplankt werden können die Rahmen nach eigenen Wünschen zum Beispiel mit Blechen, Holzprofilen, PV-Modulen oder farbigen Glasplatten. Die Stellinnovation GmbH bietet vorgefertigte Fassadenelemente aus Rhombus-Profilen oder alternativ auch HPL-Platten an. Die Häuser können natürlich auch einfach verputzt oder verblendet werden. Das Gebäude ist nun winddicht, wärmegedämmt und wetterfest. Eine Installationsebene auf Lattung, Konterlattung und einer Oberfläche zum Beispiel aus Fermacell- oder Lehmbauplatten bildet die Schnittstelle zu den Folgegewerken Gebäudetechnik und Ausbau, die nicht Bestandteil des Baukastensystems sind.
Lediglich ein Hammer nötig
Beim Aufbau der Wände sind querverlaufende Hölzer sichtbar. Diese, die Schwellen sowie Anschlüsse und Aussteifungen, sind aus dem tragenden und aussteifenden „Kerto-Q“ beziehungsweise dem dimensionsstabilem „Kerto-S“ gefertigt. Verbunden werden die einzelnen Holzbauteile durch exakte Steckverbindungen.
Aufgrund der Dimensionsstabilität der Holzstegträger und der millimetergenauen Fräsungen entstehen keine Montagefehler und der Aufbau ist sehr stabil. Für die Montage ist lediglich ein Hammer notwendig.
Mehrere Häuser sind bereits gebaut
Getestet wurde das Stecksystem bei einem Nebengebäude an ein bestehendes Haus in Laatzen bei Hannover. Inzwischen sind schon mehrere Häuser gebaut worden.
Ein Teil der Häuser wurde von einem Tischlereibetrieb aus dem Münsterland schlüsselfertig erstellt. Teilweise wurde aber auch ein großer Anteil in Eigenleistung durch die Bauherren realisiert.
Die Bauzeit betrug jeweils nur wenige Monate, wobei der zeitintensive Faktor der Ausbau war. Das Tragwerk und auch die Gebäudehülle lassen sich innerhalb weniger Tage montieren.
Geschäftsfeld für Holzbauer
Für den Vertrieb in größeren Stückzahlen baut der Hersteller gerade ein Montage-Partnernetzwerk in Deutschland und mehreren europäischen Ländern auf. Das Angebot richtet sich vor allem an Firmen aus dem Bereich Zimmerei, Tischlerei oder allgemeinem Holzbau, die sich hiermit ein weiteres Standbein oder sogar ein komplett eigenes Geschäftsfeld aufbauen möchten. Die Partnerschaft ist anders als bei Franchisesystemen nicht mit Kosten verbunden.
AutorenJulia Heymann ist PR-Beraterin bei der Agentur Cohn & Wolfe und betreut den Hersteller Metsä Wood bei der Pressearbeit. Rüdiger Sinn ist freier Journalist und Redakteur der Zeitschrift dach+holzbau.
Erdbebenhilfe in Nepal mit Stellinnovation-System
2015 hat ein Erdbeben in Nepal das Leben vieler Menschen noch schwerer gemacht. Das Land im Himalaya gehört zu den ärmsten Ländern der Erde (Nepal belegt den 175. Platz in der Welt von 189 Ländern):
In Zusammenarbeit mit der nepalesischen Hilfsorganisation „Children Nepal“ (CN) werden in Nepal Ausbildungsplätze geschaffen und berufliche Kenntnisse vermittelt. Der Fachverband „Tischler NRW“ unterstützt die Arbeit von CN beim Aufbau der Werkstatt durch finanzielle Mittel und persönlicher, konkreter Unterstützung vor Ort. Deshalb reisten Auszubildende 2016 nach Nepal um konkrete Hilfe zu leisten. Bei dem Projekt wurden die in Deutschland hergestellten Bauelemente des Stellinnovationssystems für Multi-Funktionshäuser nach Nepal geschickt. Damit wurde eine Unterkunft für Waisenkinder gebaut.
Der Aufbau der Häuser in Nepal vermittelt Erfahrungen im konkreten Aufbau der Häuser und den Einsatzmöglichkeiten in strukturschwachen Ländern. Zudem wird geprüft, inwieweit die Technologie dieser Holzverarbeitung sich unter dem extrem ausgeprägten Klima des Monsunregens bewährt. Die neu entwickelte „Fachwerk“-Bauweise knüpft an die lange gepflegte Fachwerkbauweise in Nepal an. Die nepalesischen Fachwerkbauten halten Erdbeben wesentlich besser Stand als Häuser in Ziegelbauweise.