Handwerksgeselle auf Wanderschaft baut Orgelgehäuse in der Schweiz
Eric Trummer unterstützt Orgelbaufirma im schweizerischen Stans beim Neubau einer Hausorgel
Nach Abschluss seiner Ausbildung zum Orgelbauer ging Eric Trummer auf die zünftige Wanderschaft, die Walz, um neue Erfahrungen zu sammeln und seine Fertigkeiten weiterzuentwickeln. Bei der Firma Erni Orgelbau erstellte er das Gehäuse für eine Orgel aus Eichenholz – im Artikel berichtet er von seinen Erfahrungen.
In der Orgelbaufirma Erni Orgelbau in Stans in der Zentralschweiz arbeiten der Firmeninhaber Erwin Erni und sein Mitarbeiter Christian Musch. Es handelt sich um einen Familienbetrieb in der dritten Generation, der sowohl neue Orgeln baut als auch bestehende Orgeln restauriert, wartet und pflegt. Nachdem ich als gelernter Orgelbauer bei Erwin Erni um Arbeit vorsprechen konnte, wurde ich eingeladen, die Firma im November und Dezember 2022 beim Neubau einer Hausorgel zu unterstützen.
Planung und Umsetzung
Das Orgelgehäuse wurde modern gestaltet und aus Eichenholz konstruiert, im oberen Bereich der Orgel wurden Verzierungen angebracht
Foto: Eric Trummer
Die Konzeption der Orgel sowie die Gestaltung des Prospektes, also des äußeren Erscheinungsbilds des Instruments, wurden von Erwin Erni ausgearbeitet. Außerdem wurden von ihm auch die Windlade und die Traktur gebaut, sowie die Schleierbretter (das sind Holzschnitzereien am Prospekt der Orgel). Die Disposition haben Erwin Erni und Christian Musch zusammen erarbeitet. Christian Musch war für die Detailplanung, den gesamten Spieltisch, das Pfeifenwerk, die Windanlage, die Registermechanik und den Zusammenbau zuständig. Die Vorintonation wurde größtenteils von Erwin Erni ausgeführt. Die Endintonation führten die beiden Orgelbauer vor Ort zusammen aus. Andreas Stirnimann hat wertvolle Arbeit an den Holzpfeifen sowie bei vielen anderen Detailarbeiten geleistet. Mein Auftrag bestand darin, das Orgelgehäuse für die Hausorgel zu bauen. Auf die Umsetzung werde ich in den folgenden Abschnitten genauer eingehen.
Mit klassischen Holzverbindungen gebaut
Das Gehäuse der Orgel sollte aus Eichenholz und in Massivholzbauweise ausgeführt werden. Die Oberfläche sollte mit dem Hobel handverputzt werden. Zunächst startete ich mit dem Zuschnitt des Holzes. Zum Ablängen der einzelnen Bohlen arbeitete ich mit einer einfachen Tauchsäge, zum Besäumen und längs auf Breite schneiden mit der Bandsäge. Für die Füllungen, das Kniebrett, die Füllung in der Spieltischnische und das Notenbrett habe ich die Bohle aufgetrennt und dann gestürzt verleimt. Nach dem Zuschnitt wurde das Holz mit Abrichte und Dickenhobel auf die exakte Breite und Stärke zugerichtet. Danach konnte der Zusammenbau des Orgelgehäuses beginnen.
Bei der Firma Erni Orgelbau in Stans baute Eric Trummer ein Orgelgehäuse aus Eichenholz. Dabei musste er viele Einzelteile des Gehäuses von Hand hobeln und schleifen
Foto: Eric Trummer
Die einzelnen Gehäuseelemente werden durch eine Rahmenkonstruktion zusammengehalten. Bei der Erstellung der Konstruktion habe ich mit klassischen Holzverbindungen gearbeitet. Die Rahmen werden mit Schlitz-Zapfenverbindungen zusammengehalten, die Massivholzfüllungen sind genutet und können so frei arbeiten. Nach der Vormontage des Gehäuses habe ich alle Einzelteile des Gehäuses von Hand mit dem Hobel verputzt. Durch die vielen unterschiedlichen, schrägen Flächen am Gehäuse wäre das Hobeln nach der Verleimung nicht mehr möglich gewesen.
Nach dem Hobeln konnte ich die einzelnen Gehäuseelemente verleimen. Das Orgelgehäuse war nach der Verleimung für die Auslieferung der Orgel insgesamt in drei Teile zerlegbar. Alle Verbindungen wurden dabei gesteckt oder verleimt. Es wurden nach altem Handwerksbrauch keine Schrauben für den Zusammenbau des Orgelgehäuses verwendet.
Das Orgelgehäuse wurde modern gestaltet und sollte in massiver Holzbauweise ausgeführt werden. In der Rahmenbauweise müssen alle Füllungen frei arbeiten können. Das Gehäuse muss in drei Teile zerlegbar sein, um die Orgel transportieren zu können.
Das Gehäuse der Orgel musste in drei Teile zerlegbar sein, um diese transportieren zu können
Foto: Eric Trummer
Vor dem fahrbaren Bodenrahmen schwebt das Orgelgehäuse optisch sechs Millimeter in der Luft. Die Mitte des Gehäuses ist an der Stelle, an der die Pedalklaviatur eingeschoben wird, komplett freitragend. Die Seitenfüllungen haben einen nach unten offenen Rahmen. Dem aufmerksamen Leser fallen diese technischen Details vielleicht auf dem einen oder anderen Foto auf.
Oberflächenschutz
Die Orgel wurde Anfang April 2023 fertiggestellt. Der Neubau der Orgel umfasste insgesamt über 2000 Arbeitsstunden
Foto: Eric Trummer
Nachdem das Gehäuse der Orgel zusammengesetzt war, brauchte es noch einen passenden Oberflächenschutz. Wie schon weiter oben erwähnt, sollte die Oberfläche mit dem Hobel handverputzt werden. Um die Wirkung dieser Oberfläche zu erhalten und trotzdem einen adäquaten Schutz schaffen zu können, habe ich mich in Absprache mit der Firma Erni für den folgenden Oberflächenaufbau entschieden: Auf die gehobelte Holzoberfläche habe ich zunächst eine Leimlösche mit Hasenleim aufgetragen, dadurch werden die Poren des Eichenholzes aufgefüllt und die Fläche ist für die weitere Oberflächenbehandlung weniger saugfähig. Nach der Leimlösche wurde die Oberfläche mit Rosshaar wieder aufpoliert. Anschließend wurde sie mit Hartwachs versiegelt und mattiert. Durch die vorhergehende Leimlösche feuert das Holz nicht so stark an und die Mattierung erscheint flacher.
Die Orgel wurde Anfang April 2023 fertiggestellt. In dem Projekt stecken über 2000 Arbeitsstunden. Alle Orgelteile und Komponenten, bis auf die Klaviatur und die Metallpfeifen, wurden in der Firma Erni gefertigt. In der Orgel befinden sich genau 496 Pfeifen, davon sind 162 aus Holz ausgeführt.
Wie funktioniert eine Orgel eigentlich?
Die drei Hauptteile der Orgel sind das Pfeifenwerk, das Windwerk (Gebläse, Bälge, Kanäle, Windkasten, Windladen) und das Regierwerk, das ist der Mechanismus, welcher dem Wind den Zugang zu den einzelnen Pfeifen öffnet (Spieltisch, Spieltraktur, Registertraktur). Der Organist bedient die Orgel vom Spieltisch aus. Die Töne werden über die zwei Manuale und das Pedal angesteuert, denen die Register fest zugeordnet sind. Dabei wird die Bewegung der Tasten über die Traktur mechanisch zu den Ventilen unter den Pfeifen geleitet. Mit den Registerzügen ruft der Organist einzelne Pfeifenreihen verschiedener Tonhöhe und Klangfarbe (Register) auf und erzeugt so verschiedene Klangmischungen. Die Klangerzeugung erfolgt mehrheitlich durch Labialpfeifen, bei denen die Luftsäule im Inneren der Pfeife durch das Anblasen eines Labiums, wie bei einer Blockflöte, zum Schwingen gebracht und damit ein Ton erzeugt wird. Außerdem gibt es in dieser Orgel ein Zungenpfeifenregister; bei dieser Art Pfeifen wird der Ton wie bei einer Klarinette durch ein schwingendes Zungenblatt erzeugt.
Autor
Eric Trummer ist gelernter Orgelbauer und Mitglied der Gesellenvereinigung Freie Vogtländer Deutschlands (FVD).
Verband der Europäischen Gesellenzünfte
Dieser Bericht wurde erstmals im Magazin „Bulletin“ Nr. 85/2023 veröffentlicht. Das „Bulletin“ ist das Verbandsmagazin des CCEG (Confédération Compagnonnages Européens / Europäische Gesellenzünfte), einem Dachverband von neun europäischen Gesellenvereinigungen. Zu dem Verband gehören fünf deutschsprachige, drei französischsprachige und eine skandinavische Gesellenvereinigung. Die Hauptziele des CCEG sind die Vernetzung und der Austausch der einzelnen Verbände und Vereinigungen untereinander (siehe online unter www.cceg.eu).
Das Verbandsmagazin „Bulletin“ erscheint zwei Mal pro Jahr und enthält in jeder Ausgabe Reiseberichte von Gesellen und Gesellinnen, die in Europa und weltweit auf die zünftige Wanderschaft gehen, Berichte aus den einzelnen Verbänden sowie Hinweise auf Fortbildungen und Seminare. Bestellt werden kann es online unter www.cceg.online.