Statisch ertüchtigt und neu eingedeckt

Altes Fachwerkhaus im Wiesbadener Goldsteintal saniert

Ein altes Fachwerkgebäude im Wiesbadener Goldsteintal wurde saniert und als Restaurant wiedereröffnet. Zuvor hatten Handwerker das Tragwerk des Gebäudes ertüchtigt, neue Stützen und Binder eingezogen und Fußschwellen ergänzt. Von außen wurde das Dach mit Doppelmuldenfalzziegeln eingedeckt.

Das Naherholungsgebiet Goldsteintal liegt in direkter Nähe des Wiesbadener Stadtteils Sonnenberg und ist ein beliebter Zielpunkt für Wanderungen. Das Restaurant im alteingesessenen Schützenhaus des Goldsteintals, ein Fachwerkgebäude aus dem Jahre 1911, schloss 2016 nach mehreren Überschwemmungen und aus altersbedingten Gründen. Eine Zeitlang war die Zukunft des in die Jahre gekommenen Gebäudes unklar. Bis sich ein neuer Besitzer fand, der die Lokalität übernahm und mit großem Aufwand sanieren ließ.Zum Frühjahr 2019 wurde das Restaurant als „Das Goldstein“ wiedereröffnet und bietet nun in drei Räumen Platz für bis zu 150 Gäste. Außerdem gibt es zwei Terrassen und die Möglichkeit, Zelte für bis zu 300 Personen aufzustellen. Vor der Wieder­eröffnung mussten allerdings umfangreiche Sa­nierungs- und Umbauarbeiten durchgeführt werden, auch am Dachtragwerk. So waren einige Streben und Sparren des Kehlbalkentragwerks durch ein­gedrungene Feuchtigkeit geschädigt. Auch wurden in der Vergangenheit unfachmännisch ausgeführte Umbaumaßnahmen durchgeführt, die in die Statik eingegriffen und zu Setzungen im Dachgeschossbereich geführt hatten.

Sparren aufgedoppelt

Die Jürgen Rohr Bedachungen GmbH aus Eltville am Rhein erhielt den Auftrag für die Sanierungsarbeiten am Dach und die statische Ertüchtigung des Fachwerkgebäudes. Zusammen mit seinem Sohn, der Geselle im Dachdeckerhandwerk ist, sowie einem Lehrling führte Dachdeckermeister Jürgen Rohr die langwierigen und umfangreichen Arbeiten aus.

In Abstimmung mit der Denkmalpflege sowie dem Statiker wurden die Sparren unterseitig aufgedoppelt. So wurden sie statisch ergänzt und das äußere Erscheinungsbild der Dachlandschaft nicht beeinträchtigt. Außerdem konnte der entstehende zusätzliche Sparrenzwischenraum für den Einbau der mineralischen Wärmedämmung genutzt werden um eine spätere Nutzung des Dachgeschosses zu Wohnzwecken zu ermöglichen. Im Zuge der Aufdopplungsarbeiten wurden einzelne Stützen, Binder und Fußschwellen ergänzt oder fachgerecht ersetzt.

Unterdeckbahn als zweite wasserführende Ebene

Nach dem Abriss der alten Dachdeckung aus Doppelmuldenfalzziegeln und den Dachlatten verlegten die Dachdecker eine diffusionsoffene Unterdeckbahn als zweite wasserführende Ebene unter der Dachdeckung. Zum Einsatz kam die Unterdeckbahn „Divoroll Top RU“, die auch die Anforderung der DIN 4426 als Einrichtung zum Schutz gegen Absturz auf Dächern erfüllt. So gelten Dachdeckungen für Inspektions- und Wartungsarbeiten mit lichtem Abstand der Dachlatten von mehr als 40 cm als betretbar, wenn diese mit zusätzlich dauerhaften Maßnahmen zur Durchsturzsicherheit ausgestattet sind. Diese Anforderung wird durch die „Divoroll Top RU“, mit einer Zugfestigkeit von ≥ 450 N/50 mm erfüllt. Die Doppelklebezone der Bahn im Überlappungsbereich erleichtert die wasser- und winddichte Verklebung. Die Bahn gilt mit einem sd-Wert von 0,03 m als diffusionsoffen. So kann Feuchtigkeit nach außen diffundieren. Die Funktion der Wärmedämmung wird geschützt und eine dauerhaft trockene Dachkonstruktion ermöglicht. Bei Bedarf kann die Bahn aufgrund der Verklebung auch als regensicheres Unterdach auf Schalungen oder einer druckfesten Dämmung verlegt werden. Die Bahn entspricht den Klassen UDB-A und USB-A der Produktdatenblätter im Regelwerk des ZVDH. Zur Sicherung während der Verlegung befestigten die Dachdecker nach dem Abrollen die Bahn im überdeckten Bahnenrand auf den Sparren und sicherten diese mit der Konterlattung.

Traditioneller Doppelmuldenfalzziegel

Nach dem Ausmitteln der Decklänge sowie dem Einlatten wurden die Dachziegel verlegt. Zum Einsatz kam hier in Abstimmung mit der Denkmalpflege der Dachziegel „Granat 11V“ in matt naturrot. Die traditionelle Optik des Doppelmuldenfalzziegels eignet sich besonders für historische Bauwerke. Dank seines variablen Verschiebespiels von 42 mm lässt sich der Ziegel an die vorhandenen Lattweiten anpassen. Bei einer Länge von 445 mm und einer Breite von 265 mm beträgt die minimale Decklänge 338 mm und die maximalen Decklänge 380 mm. Die Deckbreite einer ganzen Pfanne beträgt 230 mm, so ergibt sich ein Flächenbedarf von 11,4 - 12,9 Stück/m2. Die Eindeckung ist im Verband, aber auch in Reihe möglich. Die windsogsichere Befestigung der Dachziegel erfolgte mit Sturmklammern.

First- und Gratrollen und spezielle Ziegel

Als Abdeckung von First- und Gratlatten kamen First- und Gratrollen („Figaroll“) zum Einsatz. Die doppelseitigen Kanäle des Lüftungslabyrinths der Rollen sorgen für eine hohe Lüftungsleistung. Gleichzeitig bieten die Rollen eine hohe Sicherheit vor Triebregen und Flugschnee und unterstützen die Langlebigkeit der Dachkonstruktion. Der Vliesseitenstreifen ermöglicht die Anformung an das Profil der Dachziegel. So wird die Unterkonstruktion vor dem Eintrieb von Flugschnee und Treibregen in der trockenen Verlegung geschützt.

An First und Grat setzten die Dachdecker den „Sattelfirst K“ mit entsprechender Firstklammer sowie den „Sattelfirstanfänger K“ mit schmückender Muschelscheibe ein. Die First- und Gratbereiche der Walm- und Krüppelwalmdächer wurden mit der dreifach überdeckenden Walmkappe „Sattelfirst HO“ abgedeckt.

Turm mit Kupfer in Doppelstehfalztechnik

Die Wangen der Schleppgauben wurden in Schuppendeckung verschiefert. Für die fachgerechte Ortgangausführung der Gauben setzten die Dachdecker linke  und rechte Ortgangziegel mit einer Abdeckhöhe von 55 mm ein. Der Turm des Hauses wurde in Kupfer mit Doppelstehfalztechnik ausgeführt.

Dachdeckermeister Jürgen Rohr unterstützte auch die Innenarbeiten mit altem Hebezeug. So konnten zwei große, mächtige Doppel-T-Stahlträger eingezogen werden, damit im Erdgeschossbereich ein großzügiger Gastraum entsteht. Mit dem Restaurant „Das Goldstein“ wurde ein kulinarischer Anziehungspunkt im Goldsteintal reaktiviert. „Die umfangreichen Arbeiten haben sich lange hingezogen, aber sie haben sich gelohnt“, resümiert Dachdeckermeister Jürgen Rohr.

Autor

Horst Pavel ist Leiter der Awendungstechnik bei der Braas GmbH in Oberursel.

Bautafel (Auswahl)

Projekt Sanierung des historischen Schützenhauses im Wiesbadener Goldsteintal, Wiedereröffnung als Restaurant „Das Goldstein“

Bauherr Michael Conradi

Architekt Neugebauer Architekten BDA, 65205 Wiesbaden, www.jpn-architekten.de

Dachdecker Jürgen Rohr Bedachungen GmbH, 65346 Eltville

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