Sicher mit orthopädischem Fußschutz
Ohne schützenden Sicherheitsschuh aufs Dach? Das leistet sich heute kaum ein Handwerker. Wer allerdings im Alltag auf orthopädische Einlagen angewiesen ist, darf diese nicht ohne Weiteres mit seinem Fußschutz kombinieren und muss einige Regeln befolgen. Die gute Nachricht: Es gibt passende Lösungen.
Aus gutem Grund gehen Dachhandwerker in der Regel nur mit Sicherheitsschuhen aufs Dach. Rutschige Untergründe, spitze Gegenstände, herabfallende Werkzeuge – die Erfahrung zeigt: Gerade die Füße sind bei der Arbeit vielen Gefahren ausgesetzt – und zudem oftmals auch schmerzhaft vorbelastet. Plattfuß, Senkfuß, Fehlstellung – das wird im Laufe der Jahre meist nicht besser.
Dabei wird Gesundheitsprävention immer wichtiger. Weder Arbeitgeber noch Beschäftigte können sich lange Ausfallzeiten leisten – und noch weniger durch unsachgemäße Persönliche Schutzausrüstung (PSA) ihren Versicherungsschutz riskieren. Denn der geht unter Umständen verloren, wenn der an vielen Arbeitsplätzen gesetzlich vorgeschriebene Fußschutz nicht der Norm entspricht.
Stahlkappe im Zehenbereich, rutschfeste und durchtrittsichere Sohle, dazu je nach Schutzklasse manchmal noch der Schnittschutz. Für Holzbauprofis ist es heute längst Routine, sich mit der geeigneten Persönlichen Schutzausrüstung (PSA) gegen mechanische Einflüsse und unterschiedlichste Gefahren auf dem Dach oder der Baustelle zu wappnen. Und das Tag für Tag. Doch was passiert, wenn hier ein typischer Plattfuß irgendwann Qualen bereitet, wenn der verkürzte Mittelfußknochen zu Schmerzen führt oder der Zimmermann unter seinem Spreizfuß leidet? Mit Schmerzen aufs Dach? Das sollte niemand machen. Hier sind orthopädisch veränderbare Sicherheitsschuhe gefragt. Und zwar immer häufiger. Da die Bevölkerung aufgrund des demografischen Wandels durchschnittlich älter wird und länger arbeitet, benötigen zugleich immer mehr Menschen orthopädisches Schuhwerk. Auch die steigende Zahl übergewichtiger Menschen trägt dazu bei.
Gesetzliche Vorschriften – Wissen schützt vor Fehlern
Allerdings: Einfach die Einlage aus dem privaten Schuh nehmen und in den Sicherheitsschuh legen – das kann böse Folgen haben. „Wer unsachgemäß auch nur kleine Veränderungen an seiner PSA vornimmt, hat damit schon den ersten Fehler gemacht. Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz ist dann im schlimmsten Fall nämlich passé“, erklärt Orthopädieschuhmacher Stefan Tintrup, der beim niederrheinischen Sicherheitsschuhhersteller Elten für die Beratung in allen Fragen rund um den orthopädischen Fußschutz verantwortlich ist. Der Hintergrund: Arbeitsschuhe werden vom Gesetzgeber ähnlich wie technische Geräte behandelt. Sie unterliegen strengen europäischen Normen, erhalten ein CE-Kennzeichen und müssen eine Baumusterprüfung durch unabhängige Institute bestehen.
„Alle Sicherheitsschuhe, die in Verkehr gebracht werden, müssen haargenau dem zur Baumusterprüfung eingereichten, zertifizierten Musterschuh entsprechen. Theoretisch macht so jede Änderung am Schuh eine erneute Prüfung für jedes einzelne Schuhpaar erforderlich. In der Praxis aber ist das kaum zu gewährleisten, da es sehr aufwendig und kostenintensiv ist“, weiß Stefan Tintrup. „Herstellern von Sicherheitsschuhen ist es darum heute erlaubt, Prototypen so zertifizieren zu lassen, dass auch nach ihrer orthopädischen Veränderung der Schutz weiter besteht, weil genau definierte Anpassungen in der Baumusterprüfung bereits berücksichtigt wurden.“
Orthopädische Versorgung – passgenau und normgerecht
Spezialisten bieten also mittlerweile für die häufigsten orthopädischen Problemstellungen und Veränderungen ein umfangreiches Sortiment im Vorfeld dafür zertifizierter Sicherheitsschuhe an – auch wegen der starken Nachfrage nach orthopädischen Anpassungen. „Dazu gehören beispielsweise Schuherhöhungen von bis zu drei Zentimetern, ebenso Innen- und Außenrand-erhöhungen. Aber auch ein erhöhter Keilabsatz oder orthopädische Abrollhilfen sowie Einlagen werden berücksichtigt“, erklärt Stefan Tintrup. „Dabei gilt: Je kleinschrittiger das Zertifizierungsverfahren, desto größer ist später das Angebot an möglichen Zurichtungsvarianten. Und das ist gut wegen der Vielzahl sehr individueller Fußprobleme.“ Allen Dachbauprofis, die auf orthopädische Maßnahmen bei ihren Sicherheitsschuhen nicht verzichten können, wird die Versorgung so möglichst leicht gemacht.
Experte Tintrup zum Prozedere: „Anhand einer vom Hersteller mitgelieferten Anleitung kann heute jeder zugelassene Orthopädieschuhmacher die erforderliche Veränderung vornehmen. Dabei ist natürlich die Fertigungsanweisung zwingend einzuhalten. Sie enthält neben verfahrenstechnischen Anweisungen auch Materialvorgaben für die Schuhherstellung.“ Der Vorteil für die Profis? Ein Zimmermann, der sein zertifiziertes Schuhwerk durch Einlagen oder Absatzerhöhungen verändern muss, kann diese nun problemlos durch einen Orthopädieschuhmacher oder im Sanitätshaus um die Ecke vornehmen lassen – und geht dabei trotzdem auf Nummer sicher, auch was seinen Versicherungsschutz betrifft. Ob Spreizfuß oder Knickfuß, Fersensporn oder Hallux valgus – für jeden Träger von Sicherheitsschuhen findet sich so die individuelle Lösung. Und wer zahlt? Auch das ist eine Frage, die sich den Dach- und Holzbauunternehmen stellt. Generell gilt für orthopädische Zurichtungen und orthopädische Einlagen: Die Kosten dafür übernehmen die Krankenkassen nur für Privatschuhe – nicht aber für Sicherheitsschuhe. Hier gibt es andere Kostenträger: Wenn eine Fußschädigung die Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist, übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung. Wenn kein Arbeitsunfall vorliegt, kommen andere Kostenträger in Frage, beispielsweise die gesetzliche Rentenversicherung oder die Bundesagentur für Arbeit. Mittlerweile beteiligen sich aber auch viele Unternehmen selbst an den Kosten für orthopädisch veränderten Fußschutz. Denn die sind für die Dach- und Holzbetriebe meist günstiger als der Ausfall ihrer Mitarbeiter.
Autor
Bastian Linsen ist Fachjournalist und Kommunikationsberater. Er arbeitet in der Agentur document1 in Uedem am Niederrhein.
Selbst kleine Veränderungen an der Persönlichen Schutzausrüstung gefährden den gesetzliche Unfallversicherungsschutz
Orthopädischer Fußschutz – relevante Normen und Richtlinien
Sicherheitsschuhe unterliegen den strengen Richtlinien der DIN EN 20345 und müssen eine Baumusterprüfung vorweisen. Nur wer zertifizierten Fußschutz trägt, hat Anspruch auf den Unfallversicherungsschutz durch die Berufsgenossenschaften. Lange Jahre war die orthopädische Umarbeitung von Sicherheitsschuhen in der relevanten BGR 191 „Benutzung von Fuß- und Knieschutz“ nicht erfasst, doch 2007 wurde sie um den lange überfälligen Punkt „4.2.2 Orthopädischer Fußschutz“ ergänzt.