Natürliche Baustoffe, natürliches Licht - die Kita Wildblume in Garz auf Rügen

Viel Licht, Luft und Raum zur Entfaltung erhalten die jüngsten Einwohner der Stadt Garz in ihrer neuen Kita. Ein durchdachtes Energiekonzept und natürliche Baumaterialien sorgen für ein gutes Raumklima, der Innenhof mit Folienüberdachung sowie Lichtkuppeln in Dach und Fassade sorgt für Helligkeit.

„Öffne diese Tür, lehne dich zurück und genieße zusammen mit uns ein Stück Natur!“ – so lautet das Motto der Kita „Wildblume“. 54 Kindergartenkinder und zwölf Mädchen und Jungen im Krippenalter lernen hier die Natur von klein auf schätzen. Welche Pflanzen wachsen in der Umgebung? Welche Tiere leben dort? In der Kita erleben die Kinder die heimische Natur direkt vor der Haustür. Sie sind viel im Freien unterwegs, doch besonders stolz sind die Mädchen und Jungen auf ihr neues, außergewöhnliches Gebäude: Bereits während der Errichtung waren die künftigen kleinen Nutzer häufig zu Besuch bei ihrem „UFO“, wie sie es nannten. Heute sind sie von ökologischen Baustoffen umgeben, beschäftigen sich beim Spielen mit Naturmaterialien und haben das Bauen mit natürlichen Baustoffen von Anfang an schätzen gelernt. Träger der Kita ist das Deutsche Rote Kreuz, das den 2,2 Millionen Euro teuren Bau mit der Unterstützung des Landes Mecklenburg-Vorpommern und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt realisierte. Konzept und Pläne stammen vom Institut für Ge­­bäu­de+Energie+Licht-Planung der Hochschule Wismar. Auch Studenten waren an dem zukunftsorientierten Vorzeigeprojekt beteiligt und konnten so ihr Wissen über ökologisches Planen und Bauen praxisnah erweitern und vertiefen.

Ressourcenschonung hoch drei

Das außergewöhnliche Gebäude liegt am südlichen Rand von Garz, der ältesten und kleinsten Stadt der Insel Rügen, nahe an Wäldern und Wiesen und steht ganz im Zeichen der Naturverbundenheit: Als erstes Gebäude in Mecklenburg-Vorpommern erhielt die Kindertagesstätte „Wildblume“ den Standard Gold des Bewertungssystems Nachhaltiges Bauen. Dieses Ergebnis konnte mit dem sogenannten „Triple-Zero“-Ansatz erzielt werden: Das Ziel dabei ist, auf dreifache Weise so wenig Einfluss wie möglich auf die umgebende Natur zu nehmen. Das Gebäude soll zum einen keine schädlichen Emissionen abgeben und so weder die Luft noch den Boden belasten. Zweitens wurden kaum fossile Energien und Ressourcen für den Bau eingesetzt und schließlich sind auch der Rückbau des Gebäudes und die Wiederverwertung der Materialien bereits bei der Planung mitgedacht. Beispielsweise wurden schwer trennbare Verbundbaustoffe vermieden und vorwiegend regionale Baustoffe mit kurzen Transportwegen eingesetzt. So bestehen die Wände aus einer Holzkonstruktion, die mit Lehmsteinen gefüllt und mit mehrschichtigem Lehmputz versehen ist. Die 65 cm dicken Lehmwände dienen als Speichermasse und erfordern keine weitere Wärmedämmung. Um die empfindlichen Außenwände vor der Witterung zu schützen, bildet das Dach einen schützenden Überhang.

Foliendach sorgt für einen „Pufferspeicher“

Die introvertierte, kompakte Form der über 1000 m2 großen Kita mit ihrem asymmetrischen, ovalen Pultdach sorgt für eine optimale Energiebilanz. So sind die Wände Richtung Süden höher, um viel Wärme zu sammeln, während der Bau nach Norden hin niedriger wird. Neben vier Gruppenräumen für kleinere und größere Kinder enthält das Gebäude auch einen zentralen Kreativ- und Bewegungsraum. Dieser Mittelpunkt ist als Lichthof gestaltet, der als sogenannter „Pufferspeicher“ eine wichtige Funktion bei der Regulierung des Raumklimas einnimmt: Er ist mit pneumatischen, lichtdurchlässigen ETFE-Folienkissen überdeckt. An seiner Spitze befindet sich ein elektrisch gesteuerter Rauchabzug, über den überschüssige Wärme abziehen kann. Die tagsüber entstehenden thermischen Energieüberschüsse werden nachts an die umgebenden Räume abgegeben. Erdwärme, Photovoltaik, Wärmerückgewinnung und Solarthermie für die Warmwasserversorgung sind ebenfalls Teil des ausgeklügelten energetischen Konzepts.

Essertec-Lichtkuppeln in Lehmwänden

Ein besonderes Anliegen der Planer war es, die starke Verbindung zur Natur auch durch die Gestaltung des Gebäudes zu unterstreichen. Dazu tragen beispielsweise die Lichtkuppeln „essertop“ des Herstellers Essertec bei: Über die zahlreichen runden Dachfenster sind die Innenräume vom Tageslicht durchflutet. Sie verschaffen den kleinen und großen Nutzern stets einen Eindruck von der Witterung und rücken den Himmel ins Blickfeld. Einen weiteren Clou halten die außenliegenden Lehmwände bereit: Sieben Lichtkuppeln sind dort anstelle herkömmlicher Fenster verbaut. Sie ragen wie neugierige Glubschaugen in die Umgebung hinaus. An den Stellen, an denen sie in der Wand liegen, ist der schützende Dachüberhang etwas zurückgesetzt, um viel Licht und Sonne in das Innere dringen zu lassen. Mit ihrer niedrigen Brüstung und ihrer Höhe von 1,80 m regen die vertikal montierten Lichtkuppeln die Kinder dazu an, ihre Umwelt zu erkunden.

Alles gut bedacht mit Flachdachkollektoren

Die Dachkonstruktion mit den Oberlichtern trägt ebenfalls zum Wohlbefinden der Nutzer bei. So sorgen die auf dem Dach installierten solarthermischen Flachkollektoren für warmes Wasser im Gebäudeinneren. Das hinterlüftete Pultdach übernimmt neben dem Witterungsschutz und der Wärmedämmung auch weitere wichtige Aufgaben. Seine Tragkonstruktion, errichtet von der Zimmerei Jantzen, besteht aus einer Balkenlage von Holzbindern 12/20, die mit Wärmedämmung aus Holzfasern ausgefacht ist. Darunter befinden sich eine Dampfsperre und raumseitig 12,5 mm dicke Gipsfaserplatten. Über der Tragkonstruktion liegt eine Schicht aus OSB-Platten, die den 120 mm hohen Luftraum mit Abstandshölzern (Raster: 0,5 m) begrenzt. An der Außenseite befindet sich eine weitere Schicht OSB-Platten und schließlich eine mit Klettsystem verlegte Dachbahn, die für Dichtigkeit sorgt. Zu ihrer neutralen grauen Farbe bieten die Aufsetzkränze der über 30 Lichtkuppeln einen wirkungsvollen Kontrast: Sie wirken wie zufällig über das Dach verteilt, sind in vier kunterbunten Farben gestaltet und so ein lebendiger Blickfang. Die gleichen Töne finden sich auch im Farbkonzept der Gruppenräume im Inneren und an der Fassadengestaltung wieder.

Die Mehrzahl der Oberlichter sind die starren Lichtkuppeln „essertop“. Die thermisch getrennte Rahmenkonstruktion mit PUR-Kern sorgt für eine gute Wärmedämmung. Die Rahmendichtung ist wirksam gegen eindringende Feuchtigkeit und bietet eine hohe Winddichtigkeit.

Montage der Essertop-Lichtkuppeln

Die Montage der Kuppeln erledigten die Dachdecker der Noba Schlüsselfertigbau GmbH aus Greifswald, aufgrund der vormontierten Beschläge dauerte die Montage nicht lang. Nach der kraftschlüssigen Verbindung zwischen Aufsetzkranz und Gebäudedecke, mit Befestigungspunkten mindestens alle 250 mm, wurden die Lichtkuppeln in die Dachabdichtung eingebunden. Entsprechend der Flachdachrichtlinie ist eine Mindestanschlusshöhe für die Anbindung der Dachbahn von 15 cm einzuhalten. Wichtig ist hier, dass als unterer Messpunkt die Oberfläche des Dachbelags auf der Dachfläche gilt (nicht auf dem Flansch des Aufsetzkranzes).

Nach der Einbindung in die Dachoberfläche wurde von den Dachhandwerkern schließlich die Lichtkuppel auf den Aufsetzkranz aufgelegt. Werkseitig vormontierte Scharnieroberteile erleichterten die Arbeit beim Einsetzen in die Scharnierunterteile. Zuletzt wurden die Scharnierbolzen mit einem Hammer eingeschlagen, bis sie bündig mit dem unteren Scharnierteil waren. Die starren Lichtkuppeln wurden mit Lichtkuppelnägeln verriegelt. In die lüftbare Ausführung wurde von den Handwerkern anhand der werkseitig vormontierten Beschläge das Öffnersystem montiert. So werden sie ein Teil des Lüftungskonzeptes: Die lüftbaren Kuppeln werden über Sensoren gesteuert, die die Luftqualität im Raum messen, können aber auch manuell bedient werden. Bei Bedarf öffnen sie sich und die verbrauchte Luft gelangt in das Zwischendach. Dort entsteht ein „geneigter Solarkamin“, in dem die warme Luft mit Hilfe der Thermik in Richtung des überdachten Innenhofes strömt. Dieser versorgt wiederum die Gruppen- beziehungsweise die Aufenthaltsräume mit frischer Luft. Somit entstand bei dem Bau in lüftungstechnischer Hinsicht ein natürlicher Kreislauf, der mit minimalem technischen Aufwand große Wirkung erzielt – und steht damit stellvertretend für den gesamten Planungsansatz. 

Autor

Volker Tings ist Marketingmanager bei Essertec in Neuss.

Bautafel (Auswahl)

Projekt Naturkindertagesstätte „Wildblume“ in Garz, www.kita-wildblume.hs-wismar.de

Bauherr Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverband Rügen e. V.

Planung Institut für Gebäude+Energie+Licht-Planung, 23966 Wismar

Produkte Essertec Lichtkuppeln „essertop“ rund, lüftbar und starr, Rauchabzug „fumilux 4000-EAZ“

Holzbauarbeiten Karsten Jantzen GmbH, 18069 Elmenhorst-Lambrechtshagen,

www.zimmerermeister-jantzen.de 

Abdichtungsarbeiten NOBA Schlüsselfertigbau GmbH, Greifswald, www.noba-sfb.de

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