Lastenvorteile mit Doppelgewindeschrauben
Im konstruktiven Holzbau halten zunehmend Vollgewindeschrauben Einzug in tragende Konstruktionen. Gegenüber herkömmlichen Teilgewindeschrauben bieten sie deutliche Lastenvorteile, in der Verarbeitung sind sie aber aufwendiger. Der Beitrag wiegt Vor- und Nachteile gegeneinander ab.
Die grundlegenden Unterschiede zwischen Teil- und Vollgewindeschrauben liegen in der Verarbeitung sowie in der Tragfähigkeit. Teilgewindeschrauben lassen sich einfach ohne Vorbohren direkt in das Holz eindrehen und ziehen die Bauteile zusammen. Die Fixierung des Werkstücks erfolgt über den Kopf. Je nach Anwendung genügt es, Teilgewindeschrauben mit Senkkopf zu verwenden, für höhere Anforderungen sind Tellerkopfschrauben notwendig. Ihre besondere Kopfform vergrößert die Auflagefläche, weshalb sich der Auszugswiderstand erhöht und eine tragfähigere Verbindung entsteht. Generell ist das Lastniveau einer Teilgewindeschraube über den Kopfdurchzug begrenzt. Zudem bleibt der gewindelose Teil der Schraube im Werkstück „beweglich“, so dass sich die Verbindung beim Quellen und Schwinden des Holzes lockern kann.
Dies ist bei Vollgewindeschrauben nicht der Fall. Sie halten die Bauteile mit ihrem durchgehenden Gewinde an Ort und Stelle. Die Verbindung ist nicht nur zuverlässiger, es lassen sich auch höhere Lastwerte erzielen. In der Praxis dagegen sind Vollgewindeschrauben etwas schwieriger zu handhaben. Beim Verbinden zweier Holzbauteile entsteht in der Regel ein Spalt. Sobald das Gewinde auf den Befestigungsgrund trifft, wird das Anbauteil etwas nach oben gedrückt. Diesen Spalt drückt eine Teilgewindeschraube einfach wieder zusammen. Bei Vollgewindeschrauben hingegen „sperrt“ das Gewinde, sodass der Handwerker entweder vorspannen oder durch Vorbohren und Zurückschrauben eingreifen muss. Ein zusätzlicher, aber wichtiger Mehraufwand.↓
Kopf- und Gewindeauszug im Vergleich
Die höheren Lastwerte der Vollgewindeschraube lassen sich an einem einfachen Test demonstrieren, der ohne wissenschaftlichen Anspruch die Tragfähigkeit von Teil- und Vollgewindeschrauben einander gegenüberstellt. Hierfür werden die verschiedenen Holzbauschrauben in einer speziellen Versuchsvorrichtung unter Belastung gesetzt. Ziel ist es, die jeweiligen Auszugswerte zu ermitteln. Bei Teilgewindeschrauben ist der Kopfdurchzugswert maßgeblich, also der Moment, ab dem die Last so groß ist, dass das Anbauteil über den Schraubenkopf gezogen wird und die Verbindung versagt. Bei der Voll- oder Doppelgewindeschraube ergeben sich die Lastwerte aus dem Gewindeauszug, weil die Befestigung über das Gewinde erfolgt.
Der Versuchskörper, ein Balken der Stärke 100 mm, wird in einen Stahlrahmen eingelegt. Darüber befindet sich ein Stahlstift, der mittels einer hydraulischen Presse auf die Testschrauben Druck ausübt. Diese werden vorab senkrecht in den Holzbalken eingedreht, bis sie bündig mit der Holzoberfläche abschließen. Die Belastung über die hydraulische Presse stellt dabei eine simulierte Kraft dar, die nicht auf Zug, sondern auf Druck wirkt. Eine Messuhr zeigt die Belastung in Kilonewton (kN) an. Trotz dieses „umgekehrten Effekts“ ist die Simulation vergleichbar, weil die Reaktionskraft im Holz annähernd dieselbe bleibt, unabhängig ob über Druck oder Zug erzeugt. Sie wirkt axial gegen den Kopf und zeigt so die Lastunterschiede zwischen Teil- und Vollgewinde nachvollziehbar an.
Im Test untersucht werden drei Holzbauschrauben:
1. Teilgewindeschraube 8 x 200 mm, Senkkopf mit Kopfdurchmesser 14,8 mm.
2. Teilgewindeschraube 8 x 200 mm, Tellerkopf mit Kopfdurchmesser 18,1 mm.
3. Doppelgewindeschraube 8,5 x 190 mm, Gewindelänge 90 mm + 90 mm.
Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 in Spalte 4 dargestellt und belegen eine höhere Tragfähigkeit bei der Doppelgewindeschraube.
Demnach liegt die Lastfähigkeit der Doppelgewindeschraube mit 15 kN um 115 Prozent höher als die der Tellerkopfschraube. Interessant ist auch, dass im Bereich der Teilgewindeschrauben bereits wenige Millimeter Auflagefläche des Schraubenkopfes die Lastwerte merklich erhöhen. Dennoch bleibt die Last über den Kopfdurchzug beschränkt. Bei der Doppelgewindeschraube hingegen ergibt sich wegen dem Gewindeauszug eine deutlich höhere Last, was zu einer tragfähigeren und zuverlässigeren Verbindung führt.
Mehr Tragfähigkeit – mehr Wirtschaftlichkeit
In der Regel kommen Vollgewindeschrauben dann zum Einsatz, wenn es die Statik vorgibt und es die Lastwerte erfordern. Unbestreitbar ist aber ihr höherer Montageaufwand. Eine verarbeitungsfreundliche und gleichzeitig wirtschaftliche Alternative stellen Doppelgewindeschrauben dar. Sie sind seit einigen Jahren auf dem Markt und bieten neben den positiven Eigenschaften von Vollgewindeschrauben wie höhere Lasten und Lasteintrag auch anwendungstechnische Vorteile. Dank ihres Gewindeaufbaus, bestehend aus zwei Gewinden unterschiedlicher Steigung, ziehen sie beim Verschrauben die Bauteile zusammen. Das bei reinen Vollgewindeschrauben übliche „Sperren“ entfällt, so dass auf weitere konstruktive Maßnahmen wie Vorspannen oder Vorbohren verzichtet werden kann. Für Handwerker bedeutet dies eine schnelle und anwenderfreundliche Verarbeitung und damit eine Zeitersparnis.
Dieses Wissen über die Tragfähigkeit und die Montagevorteile von Schrauben mit Doppelgewinde kann in vielen Anwendungen des konstruktiven Holzbaus nützlich sein und zu neuen Lösungen in der Praxis führen. Das betrifft nicht nur statisch relevante Ausführungen, auch handwerkliche Tätigkeiten, wie etwa die Auffütterung von Sparren, können wirtschaftlicher hergestellt werden. Nachfolgendes Berechnungsbeispiel macht den Vorteil sichtbar.
Praxisbeispiel Auffütterung
Auf einer Dachfläche von 160 m2 sollen die Sparren um 40 mm aufgefüttert werden. Nach Eingabe der relevanten Parameter wie Gewicht der Eindeckung und Schneelasten berechnet die Bemessungssoftware, dass zur Ableitung der vorgegebenen Lasten 460 Teilgewindeschrauben der Abmessung 8 x 120 mm notwendig wären. Demgegenüber kann die Auffütterung auch mit 228 Doppelgewindeschrauben der Abmessung 6,5 x 150 mm bei 8,5 x 150 mm sogar nur mit 190 Montagepunkten umgesetzt werden.
Das Rechenbeispiel und der oben genannte Vergleich zeigen, dass der Schraubenmarkt in Bewegung ist. Neben reinen Mengenbetrachtungen eröffnen die neuen Schrauben Möglichkeiten zugunsten von filigraneren Konstruktionen mit geringeren Querschnittmaßen. Ebenso können Holzkonstruktionen im Bestand wirkungsvoll und ohne aufwendige Konstruktionen verstärkt werden.
Autor
Andreas Hettich ist Leiter der Abteilung Produktmanagement und Marketing bei der Firma Heco Schrauben GmbH.
Bei Teilgewindeschrauben erfolgt die Fixierung über den Kopf, beim Schwinden kann sich die Verbindung lockern