Sanierung der Stephanuskirche in Köln-Riehl

Bei dem Umbau und der Sanierung der Stephanuskirche in Köln-Riehl konnten Zeller Kölmel Architekten und die evangelische Kirchengemeinde als Bauherrin auf ein gut funktionierendes Handwerksteam bauen. Dabei zeigte sich, wie wichtig gewerkeübergreifende Kreativität für ein gelungenes Bauprojekt ist.

Die Stephanuskirche in Köln-Riehl ist ein ungewöhnliches Bauwerk aus den 1960er Jahren. Aus zwei Dreiecken formte damals das Architektenehepaar Winter und Bracher ein spitz zulaufendes Dach, unter dem eine von dem Avantgardekünstler Lothar Quinte geschaffene Glasfassade den Innenraum in ein fast mystisches Licht taucht. Der in die Jahre gekommene Sakralbau entsprach jedoch weder baulich noch energetisch den modernen Anforderungen, ebenso wie das alte Gemeindezentrum, das durch einen Neubau ersetzt werden musste. Der Kirchenbau mit seinem spektakulären Innenraum sollte jedoch erhalten bleiben, darin waren sich sowohl der Architekt als auch die evangelische Kirchengemeinde in Köln-Riehl einig.  

Eine zweite Hülle für das Innenraumklima

Das Fehlen von Denkmalschutzauflagen erlaubte einen freien Umgang mit der vorhandenen Bausub-stanz. Das ließ den Architekten und Architektinnen alle Freiheiten für einen kreativen und respektvollen Umgang mit dem Bestand. „So konnten wir eine moderne Formensprache für das Gebäude entwickeln und es funktional und ästhetisch weiterbauen. Mit Denkmalschutz wäre dieser Ansatz gar nicht möglich gewesen,“ erinnert sich Klaus Zeller. Das Entwurfskonzept ist so simpel wie genial: Um den spektakulären Innenraum zu erhalten und das Glaskunstwerk zu retten, wird eine neue thermische Hülle die energetischen Probleme lösen. Ihre Gestaltung ist modern und eigenständig. Sie verbindet die Kirche und das neue Gemeindezentrum zu einem zeitgemäßen Ensemble und lässt trotzdem Erinnerungen an den Altbau zu.

Stephanuskirche_Koeln_zeller-koelmel_architekten_Nikola_Tacevski_Fassade_umbaut.jpg Durch die Umbauung der vorhandenen Kirche wurde eine neue thermische Hülle mit einer hölzernen Pfosten-Riegelkonstruktion mit Dreifachverglasung geschaffen. Dadurch kann auf eine aktive Kühlung verzichtet werden
Foto: zeller-koelmel architekten/Nikola Tácevski

Durch die Umbauung der vorhandenen Kirche wurde eine neue thermische Hülle mit einer hölzernen Pfosten-Riegelkonstruktion mit Dreifachverglasung geschaffen. Dadurch kann auf eine aktive Kühlung verzichtet werden
Foto: zeller-koelmel architekten/Nikola Tácevski

Gedämmtes Holzdach mit Aluminiumpaneelen

Für die Sanierung musste das alte Kirchendach abgetragen werden, bis nur noch das Gerippe des beeindruckenden Stahltragwerks übrigblieb. Darauf wurde ein gut gedämmtes Holzdach aufgesetzt, das eine Dacheindeckung aus Aluminiumpaneelen erhielt. Breite Abschlussprofile bilden den oberen Abschluss für die zweite Fassadenhaut, mit der die Architekten und Fachplaner das Problem des sommerlichen Wärmeschutzes lösten. Über Gebäudesimulationen wurde ein Lowtech-System mit einem thermischen Fassadenpuffer entwickelt. Die sommerliche Wärme wird im Zwischenraum zwischen alter Kunstverglasung und neuer Dreifachverglasung gesammelt und durch natürliche Konvektion abgeführt, bevor sich der Innenraum erhitzt. Dafür wurden im oberen und unteren Bereich der Fassade Öffnungsflügel in die speziell für dieses Projekt entwickelte Holz-Pfosten-Riegel-Fassade eingeplant. Auf diese Weise konnte auf eine mechanische Kühlung und Lüftung ebenso verzichtet werden wie auf einen außenliegenden Sonnenschutz, der dem Glaskunstwerk seine Wirkung genommen hätte.

Stehfalzdach mit Sonderlösungen

Für die Dachkonstruktion holten die Architekten und Architektinnen schon früh das Team von Hoffmann Bedachungen aus Bad Münstereifel ins Boot. Aufgrund der zu erwartenden Hitzeeinwirkung auf die großformatigen Dachflächen wurden diese mit einem diffusionsoffenen und für den sommerlichen Hitzeschutz perfekt ausgestatteten Dachaufbau ausgeführt. Schon in der Vorplanung wurden gemeinsam Berechnungen und Lösungsmöglichkeiten diskutiert. „Zum Schluss entschieden wir uns dafür, die Konstruktion aus vorgefertigten Dachelementen mit einer aussteifenden OSB-Platte als Dampfbremse zu realisieren,“ erläutert Sebastian Hoffmann, „wegen der großen Spannweiten im Stahltragwerk haben wir die zum Teil 12 m langen Sparren unterseitig mit den OSB-Platten versehen und dann das Element nach oben gezogen.“ Auf der Baustelle stellte sich heraus, dass es zum Teil gewaltige Höhenunterschiede bei den Trägern in dem alten Stahltragwerk von bis zu 10 cm gab. Gemeinsam mit dem Statiker entwickelten die Dachhandwerker daher eine Lösung mit selbstschneidenden Schrauben und Holzknaggen als zusätzlicher Schubsicherung, um die Dachelemente sicher zu befestigen.

Die Holzdachelemente wurden mit 40 mm Holzweichfaserplatten verschlossen und mit 240 mm Zellulose ausgeblasen. Auf die Belüftungsebene folgte die Holzschalung
Foto: zeller-koelmel architekten

Die Holzdachelemente wurden mit 40 mm Holzweichfaserplatten verschlossen und mit 240 mm Zellulose ausgeblasen. Auf die Belüftungsebene folgte die Holzschalung
Foto: zeller-koelmel architekten

Nach der Montage der Dachelemente wurden Holzweichfaserplatten aufgebracht und die Hohlräume mit Zellulosedämmung ausgeblasen. „Zellulose haben wir gewählt, weil es in der Herstellung nachhaltig ist, aber auch wegen der guten Phasenverschiebung, um den Tag- und Nachtausgleich zu verbessern,“ erklärt Klaus Zeller. Nach einer Entlüftungsebene wurde dann die Vollholzschalung montiert, bevor die eigentliche Dachdeckung aufgebracht werden konnte. Aus statischen und gestalterischen Gründen kam auf dem Kirchendach, ebenso wie auf dem neuen Gemeindezentrum, eine Aluminium-Stehfalzdeckung zum Einsatz. „Allerdings haben wir die Stehfalze nicht lotrecht fallen lassen, sondern senkrecht zum First, der ja gekippt ist“, sagt Klaus Zeller. Die Stehfalze wurden vom Dach abgeneigt montiert und als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme ein Dichtband in den Falz eingelegt. „An das Bild der nicht parallel zum Wasserlauf verlaufenden Scharen mussten sich unsere Mitarbeiter erst einmal gewöhnen,“ sagt Sebastian Hoffmann schmunzelnd.

Übliche Rechenmodelle nur bedingt tauglich

Weil das Projekt so ungewöhnlich war, habe man viele Details in Zusammenarbeit mit dem Hersteller klären müssen. Tatsächlich war es nicht ganz einfach, bei der großen Höhe und der ungewöhnlichen Kons-truktion das Volumen der Einlaufrinne und des Wasserfangbeckens zu berechnen. Die üblichen Rechenmodelle waren für so eine Art Dach nur bedingt tauglich. „Wir haben da viel Unterstützung von Prefa erhalten,“ erinnert sich Sebastian Hoffman, „sie haben für uns die Berechnungen gemacht und es hat funktioniert.“ Die „Feuerprobe“ fand kurz nach Fertigstellung des Daches stand, als die Konstruktion ein Starkregenereignis im Juli 2021 ohne Schäden überstand.

Pfosten-Riegel-Fassade aus Holz

Die neue Fassadenkonstruktion der Stephanuskirche ist für das angenehme Raumklima in der Kirche entscheidend: Vor die bestehende Glasfassade ließen die Architekten eine Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Holz errichten, die zudem über Eck steht und selbsttragend ist. Der ein bis zwei Meter breite Zwischenraum dient als Solarpuffer. Die gesammelte Wärmeenergie kann je nach Bedarf nach außen geleitet werden oder den Innenraum temperieren.

„Eine 19 m hohe Konstruktion, zudem selbsttragend, das war schon eine Herausforderung,“ sagt Fabian Bischoff von der Zimmerei Lemm & Overberg, „wir mussten das mit sehr schlanken Querschnitten bewerkstelligen und haben dafür die entsprechenden Details entwickelt.“ Pfosten und Riegel wurden aus Tannen-Fichten-Brettschichtholz gefertigt, das nach speziellen Vorgaben extra für dieses Projekt verleimt wurde. Die Konstruktion wurde vor Ort aufgerichtet und zur Sicherung an der Bestandsfassade verankert. Die Rückverankerungen übernehmen verzinkte Stahlrohre zwischen den verstärkten waagerechten Holzriegeln der neuen und den Stahlpfosten der alten Fassade.

Ein besonders heikles Detail war der Anschluss der Fassade an das Dach. Dieser war insofern kritisch, als hier viel Bewegung im Spiel ist und Vertikalkräfte entstehen. Auch die Spitze des Bugs musste detailliert und entsprechend umgesetzt werden. „Es hat wirklich Zeit gekostet, dieses Detail so zu entwickeln, dass es in der Praxis auch umsetzbar war,“ sagt Bischoff, „wir haben uns darauf geeinigt, dass das Dachdeckerteam die Dachkonstruktion grob überstehen lässt und wir dann vor dem Aufstellen der Fassade die Montage der Randbohle vornehmen.“ Die Bohle ist Anschlagpunkt für die innenliegende Regenrinne und für die Stahlschwerter mit Langloch, an denen die Fassade beweglich angeschlossen ist. Außerdem ist die Bohle die Unterkonstruktion für die Attika, die als breite Abdeckung das Ende des Daches und den Abschluss der Fassade bildet.  

Spezialglas mit Besenstrichstruktur

Erst als die Fassade stand, konnte die Verglasung eingesetzt werden. Das äußere Glas der 3-Scheiben-Verglasung sollte von der Struktur her dem Besenstrichputz am Gemeindezentrum ähneln. Wichtig waren dabei eine hohe Lichttransmission (also Lichtdurchlässigkeit) und ein geringer Reflektionsgrad, um Spiegelungen an der Außenfassade zu vermeiden.

zeller-koelmel_architekten_Nikola_Tacevski_Pfosten_Riegel.jpg Die neue Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Holz setzt sich vom Bestand ab, dessen Bleiverglasung von einer Stahlkonstruktion gehalten wird

Foto: zeller-koelmel architekten/Nikola Tácevski

Die neue Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Holz setzt sich vom Bestand ab, dessen Bleiverglasung von einer Stahlkonstruktion gehalten wird
Foto: zeller-koelmel architekten/Nikola Tácevski
Das Glas ist eine Sonderanfertigung der Firma Derix Glasstudio in Taunusstein. Die fertige Strukturscheibe wurde von einem Isolierglashersteller zu einer Wärmeschutzeinheit mit einem U-Wert von 0,7 W/m²K zusammengesetzt. Die Gläser sind jeweils auf beiden Pfosten und beiden Riegeln aufgelegt. Statt des waagerechten Druckprofils ist außen eine Silikon-Versiegelung zwischen den Scheibenkanten angebracht. Um Innenkondensat zu vermeiden, sind die Gläser mit einem UV-beständigen Randverbund ausgestattet. Eine weitere Besonderheit: Aus ökologischen Gründen wurde auf ein Basisprofil aus Aluminium verzichtet und stattdessen mit dem System „Stabalux H“ gearbeitet, das eine Nut im Holz für das Einbringen der Gummidichtung vorsieht.

„Wir haben eine Musterfassade in Originalgröße gebaut mit drei verschiedenen Glasausführungen, die wir vor die Bestandsfassade gestellt haben,“ berichtet Andreas Rempe vom Werkhof Witten. Daran wurde die Wirkung zusammen mit der Buntglasfassade bei Sonne, Kunstlicht und nachts überprüft. „Wir wollten unbedingt die Farbreflexe im Raum erhalten und gleichzeitig die Durchsicht reduzieren, um einen introvertierten Raum zu schaffen,“ erklärt Klaus Zeller den großen Aufwand.

Ein gelungenes Meisterstück

Allen Beteiligten ist ein gewisser Stolz anzumerken, an diesem mehrfach ausgezeichneten Projekt mitgearbeitet zu haben. Insgesamt ist die Sanierung der Stephanuskirche in Köln ein gelungenes Meisterstück, das die Kompetenzen der verschiedenen Berufe zu den besten Lösungen zusammengebracht hat – so wird das Projekt auch von allen Beteiligten wahrgenommen.

Autorin

Dipl. Ing. (FH) Inga Schaefer ist freie Architektur- und Baufachjournalistin und schreibt als freie Autorin unter anderem für die dach+holzbau und die DBZ.

Projekt (Auswahl)

Objekt Sanierung der Stephanuskirche und Neubau des Gemeindezentrums in Köln-Riehl

Architektur Zeller Kölmel Architekten, Köln, www.zeller-koelmel.eu

Dachdecker Hoffmann Bedachungen GmbH, Bad Münstereifel, www.hoffmann-bedachungen.eu

Fassade Zimmerei Lemm & Overberg, Bochum, www.lemmoverberg.de und Werkhof Witten Schreinerei GmbH, Witten, www.werkhof-witten.de

Dacheindeckung „Prefalz P.10“ in dunkelgrau, Prefa, www.prefa.de

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