Wohnbauprojekt mit Modellcharakter
Viergeschossiges Mehrfamilienhaus im brandenburgischen Saarmund mit Wänden und Decken in Holzbauweise erfüllt hohe Brandschutzanforderungen
In Saarmund bei Potsdam entstand ein barrierefreies, viergeschossiges Mehrfamilienhaus mit 98 Wohneinheiten, dessen Wand-, Decken- und Dachelemente in Holzbauweise vorgefertigt und aufgerichtet wurden. Um die Brandschutzanforderungen zu erfüllen, waren besondere Konstruktionslösungen nötig.
Für die Berliner Gokom Immobiliengruppe als Bauherrin des Mehrfamilienhauses in Saarmund waren bei der Planung und Umsetzung des Wohnbauprojekts eine Strom- und Wärmeerzeugung auf Basis erneuerbarer Energiequellen und eine hohe Energieeffizienz besonders wichtig. Dadurch sollen die Nebenkosten für die Mieterinnen und Mieter langfristig überschaubar und planungssicher gehalten werden. Dabei wurde zum einen auf Luft-Wasser-Wärmepumpen, zum anderen auf eine Stromerzeugung über eine 134-kWp-Photovoltaikanlage mit Batteriespeichersystem auf dem Flachdach des Wohngebäudes gesetzt. Die Mieter haben so die Möglichkeit, den lokal erzeugten Solarstrom vom Dach zu nutzen und ihren Verbrauch rund um die Uhr selbst einzusehen und zu überwachen. Ermöglicht wird das durch ein spezielles Mieterstrommodell des Energieanbieters Polarstern, der den vor Ort erzeugten Strom vergünstigt an die Mieter abgibt.
Holzbauelemente in wenigen Wochen vorgefertigt
Die Gebäudehülle des Mehrfamilienhauses in Saarmund wurde entsprechend des Standards „Effizienzhaus 40 Plus“ nach BEG in Holztafelbauweise umgesetzt. Rund 2600 m2 Außenwände, knapp 7000 m2 Innenwände und etwa 6650 m2 Deckenflächen in Holzbauweise wurden für den Neubau des Mehrfamilienhauses vorgefertigt und augerichtet. Dafür wurden insgesamt knapp 160 m3 Konstruktionsvollholz verarbeitet. Die gesamten Holzbauelemente wurden in nur fünf Wochen vom Unternehmen Kampa vorproduziert. Die vier Geschosse des Wohnhauses wurden anschließend innerhalb von drei Monaten aufgerichtet. „Da sich die Baustelle an bestehende Randbebauungen anschloss, war der Platz sehr begrenzt und der vor Ort herrschende Verkehr gestaltete die Logistik zusätzlich schwierig“, erklärt Josef Niehues, technisch verantwortlicher Projektleiter des Holzbauspezialisten Kampa, der die Umsetzung des Projekts begleitet hat. „Daher war die regionale Nähe der Kampa-Hausmanufaktur in Freiwalde zur Baustelle gerade in Bezug auf die Einsparungen der Transportwege und kurze Kommunikationswege von großem Vorteil.“ Die Wandelemente für das Mehrfamilienhaus wurden im brandenburgischen Freiwalde vorgefertigt, rund 80 km von Saarmund entfernt. Die Massivholzdecken für den Neubau wurden am Kampa-Standort in Werder (Havel) vorgefertigt und nach Saarmund geliefert.
Vorreiterrolle im Brandschutz in Brandenburg
Für das Neubauprojekt in Holzbauweise galten hohe bauphysikalische Anforderungen, deren Erfüllung dieses Projekt beispielhaft für zukünftige, vergleichbare Bauvorhaben macht. Da in Brandenburg bislang noch keine Holzbau-Standards wie etwa in den südlichen Bundesländern vorhanden waren, musste in Saarmund teilweise „Pionierarbeit“ geleistet werden. Aufgrund der hohen Brandschutzanforderungen der Gebäudeklasse 4 (Gebäudehöhe bis 13 m) und des geforderten Energieeffizienz-Standards KfW 40 nach BEG bedurfte es dabei besonderer Konstruktionslösungen und einer hohen Ausführungssicherheit.
„Für den Geschosswohnungsbau wurde in Brandenburg erst 2022 die Holzbaurichtlinie eingeführt“, sagt Josef Niehues. Der Baubeginn des Mehrfamilienhauses in Saarmund war im gleichen Jahr. „Nahezu alle Decken- und Wandkonstruktionen des Neubaus mussten daher die K260-Brandschutz-Kapselungskriterien erfüllen. Das bedeutet, dass alle Holzbauteile den Flammen bei einem Gebäudebrand über einen Zeitraum von mindestens 60 Minuten standhalten müssen.“ Um die strengen Anforderungen der K260-Kapselung zu erfüllen, entwickelte man gemeinsam mit den projektbeteiligten Unternehmen Isover und Rigips Wand- und Deckenkonstruktionen, die neben Brandsicherheit auch einen Beitrag zur hohen Energieeffizienz und zum Schallschutz der Bauteile leisten. „Die Erreichung des Kapselkriteriums gemäß den Zertifizierungsvorgaben durch das Materialprüfungsamts für das Bauwesen, Abteilung Holzbau, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle der Technischen Universität München, ist grundsätzlich nur mit nichtbrennbaren Dämmstoffen der Euroklasse A1 mit einem Schmelzpunkt von mehr als 1000 °C möglich“, erläutert Josef Niehues. Davon ausgehend bauen sich alle Außenwände des Mehrfamilienhauses in Holzständerbauweise von innen nach außen wie folgt auf: Die innenseitige Beplankung bildet eine „Rigips RB“-Bauplatte, gefolgt von einer 50 mm breiten Installationsebene. Hinter dieser Ebene wurden zwei Lagen 18 mm dicke „Rigips RF“-Feuerschutzplatten montiert. Diese schützen das 200 mm Holzständerwerk, das mit einer Gefachdämmung aus „Isover Ultimate ZKF-031“-Mineralwolle gedämmt wurde. Außenseitig wurde das Ständerwerk mit zwei Lagen „Rigips RF“-Feuerschutzplatten (18 mm) beplankt und um ein 120 mm dickes Wärmedämmverbundsystem ergänzt.
Brandsichere Außenwandkonstruktionen
Durch die Kombination aus „Rigips RF“-Feuerschutzplatten und der nichtbrennbaren Gefachdämmung aus „Ultimate“-Mineralwolle mit einem Schmelzpunkt von über 1000 °C ergeben sich brandsichere Außenwandkonstruktionen. Sämtliche Brandschutzanforderungen wurden auf diese Weise erfüllt, außerdem konnte der geforderte U-Wert von 0,11 W/m2K mit einem vergleichsweise schlanken Wandaufbau realisiert werden – und auch die in Teilbereichen der Fassaden geforderten Schallschutzanforderungen von R´w,ges ≥ 42 dB wurden erfüllt. Bei den Innen- und Wohnungstrennwänden mit erhöhten Schallschutzanforderungen setzte man ebenfalls auf eine Kombination aus Brandschutzplatten und nichtbrennbaren Mineralwolldämmstoffen. Die Innenwände in den Wohneinheiten bestehen aus einem 100 mm Holzständerwerk und einer Dämmung aus „Protect BSP 40“-Steinwolle-Brandschutzplatten von Isover. Die Wände wurden auf beiden Seiten zweilagig mit 18 mm „Rigips RF“ (bzw. imprägnierten „RFI“)-Feuerschutzplatten beplankt. Die Wohnungstrennwände wurden aus zwei jeweils 80 mm breiten Holzständerwerken und einem 10 mm breiten Hohlraum dazwischen erstellt und ebenfalls mit nichtbrennbaren Steinwolldämmplatten gedämmt. Beide Wandseiten der Wohnungstrennwände wurden doppelt mit Brandschutzplatten von Rigips beplankt.
Dachdämmung und Photovoltaikanlage
Die Außenwände des Neubaus erreichen einen U-Wert von 0,11 W/m2K – für das Flachdach des Mehrfamilienhauses war jedoch ein U-Wert von 0,9 W/m2K gefordert. Der notwendige Wärmeschutz wurde im Dach über eine 260 mm starke Grunddämmung und eine darüber verlegte Gefälledämmung erreicht. Am höchsten Punkt des Gefälles erreichen die beiden Dämmschichten zusammen eine Höhe von 460 mm. Beide Dämmstoffe verfügen über eine ausreichend starke Druckbelastbarkeit, um eine im Anschluss installierte Photovoltaikanlage tragen zu können.
Flachdachüberwachung sorgt für Sicherheit
Für zusätzliche Sicherheit im Flachdachaufbau sorgt die Feuchteüberwachung durch ein Monitoringsystem. Insgesamt wurden auf der rund 1600 m2 großen Dachfläche neun „Isover Guard“-Systeme verbaut. Diese Monitoring-Einheiten bestehen aus Dachsensoren, GSM-Übertragungsmodulen und einem webbasierten Analysetool. Alle relevanten Daten zur Feuchtigkeit im Dach sowie Innen- und Außentemperatur werden vom System permanent erfasst und mithilfe einer Referenz-Datenbank automatisch bewertet. Das System ermöglicht dadurch die Verfolgung von Feuchtigkeitsanreicherungen im Dachaufbau. Alle registrierten Nutzer, zum Beispiel der zuständige Hausmeisterdienst, können auf die vorhandenen Messwerte im Webportal zugreifen. Eine regelmäßige Beobachtung ist jedoch nicht notwendig: Das System setzt automatisch eine E-Mail-Warnmeldung in Echtzeit ab, sobald die Feuchteanreicherung eine kritische Menge erreicht. Dabei löst nur der jeweils betroffene Sensor einen Alarm aus, wodurch die Leckage in der Dachabdichtung eingegrenzt werden kann. „Insbesondere bei Flachdächern mit Tragschalen aus Holzbauteilen wie in Saarmund ist eine frühzeitige Erkennung möglicher Schadstellen von besonderer Bedeutung, um schnell reagieren zu können und den Reparaturaufwand so gering wie möglich zu halten“, erklärt Mark Wagner, Produktmanager bei Isover, der die Montage des Monitoringsystems vor Ort begleitet hat. „Die Feuchtemessung über die Sensoren erfolgt oberhalb der Dampfbremse, sodass die Platzierung der Sensoren bei einer Gefälledämmung eher mittig in der Dachfläche erfolgt“, sagt Wagner. Handele es sich jedoch um ein bauseitiges Gefälle der Dachfläche, sollten die Sensoren grundsätzlich im Bereich der Gefälletäler gesetzt werden, da sich dort als Erstes eindringende Feuchtigkeit bemerkbar mache, so Wagner.
Modellprojekt für zeitgemäßes Bauen und Wohnen
Das Mehrfamilienhaus in Saarmund ist mit moderner Gebäudetechnologie ausgestattet, die den Wohnkomfort erhöhen soll, beispielsweise verfügt jede Wohnung über ein Frischluftsystem mit Wärmerückgewinnung. Alle Wohnungen werden zudem über Niedrigtemperatur-Fußbodenheizungen mit Einzelraumsteuerung beheizt, was die Wohnungen gleichmäßig und konstant erwärmen soll.
Für Josef Niehues, Projektleiter des ausführenden Holzbauunternehmens Kampa, ist das von der Tiefgarage bis zum Dachgeschoss barrierefrei erschlossene Mehrfamilienhaus in Saarmund vor allem eines: ein Modellprojekt für zeitgemäßes Bauen und Wohnen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und zunehmender Energieunsicherheiten.
AutorenMichael Berger ist Marktmanager für Holzbau bei den Unternehmen Isover und Rigips. Claas Loskamp ist Techniker im Bereich Holzbau bei Rigips.
Bautafel (Auswahl)
Projekt Neubau eines viergeschossigen Mehrfamilienhauses in Holzbauweise in Saarmund (Gemeinde Nuthetal) gemäß dem „Effizienzhaus 40 Plus“-Standard nach BEG, Fertigstellung: 2023
Bauherr Gokomm Immobiliengruppe / Daheim in Saarmund GmbH, Berlin, www.gokom-immobilien.de
Planung Friedrich-W. Groefke Planungs GmbH, Berlin, www.f-wgroefke.de
Holzbau Kampa GmbH, Firmenzentrale: Aalen-Waldhausen, Produktion von Wand- und Deckenelementen in Freiwalde und Werder (Havel), www.kampa.de