Historisches Fachwerkhaus neu gebaut
„Sichtbare Fachwerke zu erhalten, zu reparieren und zu restaurieren ist ein wichtiger Bestandteil unserer täglichen Arbeit“, schreibt Silvio Hellmundt in einem Brief an die dach+holzbau-Redaktion. Der Restaurator im Zimmererhandwerk möchte Fachwerkhäuser wieder neu erbauen, auf dem heutigen Stand der Technik.
„Ich liebe alte Fachwerkhäuser! Sie schmücken unsere Städte und Dörfer mit verschiedensten Farben, Formen und Ausführungen“, sagt Silvio Hellmundt von Holzbau Krieghoff aus Bad Langensalza (www.holzbau-krieg hoff.de). Aus diesem Satz dringt die ganze Leidenschaft des Zimmermanns hervor und es ist förmlich zu spüren, dass ihm der Erhalt der Fachwerklandschaft am Herzen liegt, die für so viele Landstriche hierzulande prägend ist. Es gibt sie bundesweit und weltweit: Auf der Internetseite www.fachwerk.de wird eine Zahl von etwa 2 Millionen Gebäuden in Deutschland genannt, 80 Prozent des Fachwerks sei allerdings verputzt.
Bei einem Besuch des Freilichtmuseums im Kloster Veßra kam Zimmermann Silvio Hellmundt mit dem hennebergischen Fachwerk in Berührung (das Henneberger Land ist die kulturhistorische Bezeichnung für große Teile Südthüringens). In einem Buch über dieses Fachwerk und dessen Geschichte war am Ende zu lesen, dass nie wieder so schönes Fachwerk gebaut wurde wie im Mittelalter. Diese Aussage war für den Handwerksmeister Ansporn genug, sich Gedanken über ein Fachwerkhaus zu machen, welches historisch aussieht, aber auch den modernen Ansprüchen gerecht wird.
Denn ginge es nach Silvio Hellmundt sollte diese Bauweise durch moderne Baustoffe wie Konstruktionsvollholz (KVH) in Verbindung mit Holzfaserdämmstoffen eine Renaissance erfahren. Er kann als erfahrener Restaurator nicht nur historisches Fachwerk restaurieren, sondern ist auch mit den verschiedenen Fachwerkstilen vertraut. Auch mit historischen Ornamenten und Verbindungsmitteln hat er Erfahrung. „Durch die Baustoffkombination Holz und Holzfasern ist die Bauweise ökologisch und lässt gleichzeitig Spielraum für Gestaltung“, sagt Hellmundt. Durch seine Erfahrung als Restaurator und seine Beobachtungen von Fachwerkstilen erwuchs eine Vision, wieder mehr Fachwerkhäuser zu bauen. Durch Zufall kam er dann auch zum ersten Projekt, doch dazu später.
Altes Fachwerk, neues Fachwerk
Silvio Hellmundt fragte sich, weshalb ein altes Fachwerk einem neuen gegenüber als schöner empfunden wird. Untersucht man alte Fachwerkhäuser so liegen die Breiten der sichtbaren Balken ab 20 cm aufwärts. Die Breiten variieren bei verschiedenen Baustilen, Schwellen und Stiele sind für gewöhnlich wesentlich breiter als Riegel und Streben, die eine aussteifende Funktion haben, keine tragende. Allerdings kann das je nach Fachwerkstil unterschiedlich sein. Alte Balken werden zudem von vielen Menschen als schön wahrgenommen. Die Langlebigkeit von Holz ist sicherlich ein Grund dafür und auch die Belastbarkeit. Zudem sind die Giebelstellung (also die Dachneigung und die Dachform) und kleine Fenster (zum Beispiel 80 x 110 cm) Merkmale, die typisch für altes Fachwerk sind und im Allgemeinen als schön empfunden werden.
„Während die Giebelstellung leicht umzusetzen ist, wird es bei kleinen Fenstern schon wesentlich schwieriger, den Bauherrn davon zu überzeugen“, weiß Silvio Hellmundt. „Schließlich gehört Licht ins Haus und ist für uns moderne Menschen wichtig.“
Licht ins Fachwerkhaus
Aber auch hier gibt es Lösungen. Dachfenster und größere Fenster zur Rückseite des Hauses zum Beispiel. Auch denkt Hellmundt an Laubengänge, die – verglast – eine mehrseitig offene Fläche bilden und Verbindungsgang und gleichzeitig Balkon sind. Mit Glasflächen versehen wird er gar Teil des Wohnraums. Werden Laubengänge geplant, sollte das Dach nach Ansicht des Zimmerermeisters unbedingt Aufschieblinge haben. Diese sind zum einen ein typisches Merkmal und erleichtern darüber hinaus den Bau.
Um genügend Licht in den Raum zu bekommen, bewähren sich auch Dachgauben. Sie sind gleichzeitig ein Gestaltungselement. Silvio Hellmundt empfiehlt hier kleine Gauben, die deutlich von der Traufe zurückspringen.
Die Garage war in früheren Zeiten der Aufbewahrungsort für Kutsche, Heu und Stroh. Heute ist sie Garage, Abstellplatz und Hobbyraum, so viel hat sich also gar nicht geändert. Große Tore aber sind heute eigentlich nicht mehr nötig, im Fall eines Fachwerkhaus-Neubaus sollten diese aber – aus ästhetischen Gründen – trotzdem vorhanden sein. Das Öffnen der Tore könnte zum Beispiel elektrisch geschehen. Auch mit einem Trick könne man sich behelfen, erzählt Silvio Hellmundt. „Der untere Bereich kann elektrisch geöffnet werden, während der obere Teil passend gestaltet wird, aber nur der Optik dient. Im Ganzen betrachtet strahlt es dann den Charme eines alten Hoftores aus, entspricht aber dem Stand der Technik und den heutigen Bedürfnissen.“
Die Eingangstüre sei ein besonderes Gestaltungselement: Sie war früher oft aufwendig verziert und direkt am Fachwerk. Auch bei den Raumhöhen kann der Planer tricksen. Die niedrigen Raumhöhen im Mittelalter sind mit den heutigen Ansprüchen nicht zu vergleichen. Der Sockel des Hauses könnte zum Beispiel höher liegen als der Fußboden innen. Damit kann wieder Raumhöhe gewonnen werden.
An Baustilen der Region orientieren
Welche Schmuckelemente letztlich aufwendig in Szene gesetzt werden sollen, hängt vom gewünschten Fachwerkstil ab, erklärt Silvio Hellmundt. „Ich empfehle, sich an ortstypischen Beispielen zu orientieren und Balkenzonen mit profilierten Balkenköpfen und profilierten Füllhölzern nachzuempfinden“. Passend zur Balkenzone und zum Fachwerkstil werden diese gemeinsam mit Streben und Bändern angeordnet. Eine einfache Strebe aus der Neuzeit sollte aber unbedingt vermieden werden. Um den Eindruck von altem Holz zu entsprechen, müssen die gesamten Holzoberflächen mit einer Stahlbürste behandelt werden, oder mit speziellen Kunststoff-Bürstenaufsätzen, wie man sie aus dem Restauratorenbereich kennt.
Vision in die Praxis umgesetzt
Das eine war die Vision für den Bau eines modernen Fachwerkhauses, das andere der glückliche Umstand, dass Silvio Hellmundt mit seiner Zimmerei die Gedanken in die Praxis umsetzen konnte. Eine Frau aus Bad Langensalza hatte genau ein solches Haus angefragt. Heraus kam ein Prototyp, das Silvio Hellmundt „Histomod-Fachwerkhaus“ nennt, abgeleitet von: historischer Stil – moderne Bauweise.
Das neue alte Fachwerkhaus sollte in eine Baulücke in Bad Langensalza passen, die der Vorgängerbau nach dem Abriss hinterließ. Am gleichen Ort sollte ein giebelständiges Haus – diese Ausrichtung der Häuser war im Mittelalter üblich – entstehen mit ähnlicher Aufteilung wie das alte Haus. Im rechten Teil wurde die Garage geplant. Um die typische Optik eines historischen Fachwerkhauses zu erreichen plante Hellmundt über der Garage ebenfalls ein giebelständiges Satteldach. Die optische Verbindung beider Dächer gelang über ein kurzes Pultdach, das das Flachdach (dient als Terrasse) verdeckt und gleichzeitig die Funktion eines Geländers übernimmt. Der Zugang zum Flachdach erfolgt über zwei Gauben. Für ausreichend Licht sorgen große Fenster und Balkontüren auf der Rückseite, die gleichzeitig den Zugang zum dort liegenden Garten ermöglichen. Das Dachgeschoss ist im Innenraum offen und teilweise als Galerie ausgeführt. Für Licht sorgt hier die Balkontür. Sämtliche Deckenbalken und Balken der Innenwände blieben sichtbar.
Holzrahmenbau mit Sichtfachwerk
Der Grundgedanke für die Konstruktion des Hauses ist, dass alte Fachwerkhäuser mit den heutigen energetischen Anforderungen und den veränderten Wohnsituationen nicht mehr mithalten können. Ständige Beheizung, Luftdichtigkeit, moderne Verglasungen und eine Zentralheizung stellen andere Ansprüche an die Wandkonstruktion als in der Vergangenheit. Das Ziel war deshalb, dieses alte neue Fachwerkhaus an die modernen Ansprüche anzupassen. Damit musste dann allerdings auch die Konstruktion verändert werden: So ist das Fachwerkhaus im Prinzip ein Holzrahmenbau mit vorgesetztem Sichtfachwerk, die Besonderheit ist die Verbindung dieser beiden unterschiedlichen Konstruktionen. Gerechnet wurde die Konstruktion mit der 3D-CAD-Holzbausoftware „LigniKon XL“ von Weto. Der Abbund wurde von Hand mit üblichen Zimmereimaschinen gemacht. Selbst die schönen Verziehrungen an den Balkenköpfen haben die Zimmerer, die viel mit Restaurierungsaufgaben betraut sind, von Hand ausgearbeitet.
Die sichtbaren Gefache außen sind gedämmt
Auf der Außenseite wurde von den Mitarbeitern von Holzbau Krieghoff eine getrocknete Sparschalung (Fichtebretter, 25 mm) als Befestigungsebene für das Sichtfachwerk aufgebracht. Durch diese Befestigungsebene wird einerseits die Diffusion durch die Wandkonstruktion ermöglicht und andererseits eine gute Grundlage für die Schraubenbefestigung hergestellt. Die Schalung wird sorgfältig an den Stielen befestigt, damit beim Arbeiten des Sichtfachwerkes keine Risse in den Gefachen entstehen. Vor dem eigentlichen Sichtfachwerk brachten die Handwerker eine Schalungsbahn auf die Sparschalung auf. Dieser Aufbau wurde vom Hersteller Unger Diffutherm (Holzfaserwerkstoffe) in seinem Ausführungskatalog empfohlen. Anschließend wurde das Sichtfachwerk aus KVH-Fichtenholz (60 mm, unterschiedliche Breiten) von hinten angeschraubt. Die Befestigung erfolgte mit ganz normalen Senkkopf-Holzschrauben 5 x 60 mm.
Um die Dauerhaftigkeit zu gewährleisten, empfiehlt Silvio Hellmundt alle Fachwerkhölzer zuvor rundum zu imprägnieren und zu streichen. Das soll aus seiner Sicht sicherstellen, dass sich die Hölzer nicht zu sehr „schüsseln“. Auch die Schnittflächen sollten endbehandelt sein und die Anschlüsse zusätzlich mit UV-beständigem Kompriband geschlossen werden. Günstig ist es, die Oberseiten der waagerechten Hölzer abzuschrägen. Die unteren und seitlichen Anschlüsse der Schalungsbahn werden mit passenden Klebebändern verklebt. In die Gefache werden dann schließlich 60 mm dicke Holzfaserplatten eingepasst. Die „Udi-Speed“-Holzfaser-Dämmplatten wurden mit zugehörigen Tellerdübeln von vorn befestigt. Um die Platten mit dem Fachwerk dauerhaft abzudichten, werden sie leicht schräg angeschnitten und mit Spezialkleber rundum abgedichtet. Dabei soll die Fuge nicht komplett geschlossen sein, damit der Außenputz weit genug an das Fachwerk reicht. Bei den Balkenköpfen und Füllhölzern müssen zusätzlich die Fugen von der Innenseite mit dampfdichtem Klebeband abgedichtet werden. Mit diesem letzten Schritt ist die Herstellung des Sichtfachwerkes abgeschlossen und die Gefache können verputzt werden. Hier wurden die von Unger Diffutherm empfohlenen Systemputze verarbeitet.
OSB-Platten dienen als Aussteifung des Ständerwerks und als Dampfbremse von der Innenseite. Darauf brachten die Handwerker eine putzfähige Holzfaserplatte auf. Zwischen dem Ständerwerk sind wegen deren positiven Eigenschaften (Sorptionsfähigkeit) flexible Holzfasermatten angebracht. Nur im Bereich des rechten Nachbargebäudes und im Giebel in der Garage musste aus Brandschutzgründen auf Mineralwolle zurückgegriffen werden.
Fußboden im Trockenbau
Zimmerer Silvio Hellmundt achtete bei seiner Bauweise darauf, dass möglichst wenig Feuchte in das Bauwerk kommt. Idealer Weise wird deshalb als Bodenplatte eine Thermoplatte eingebaut. Dies ist v.a. in skandinavischen Ländern verbreitet. Auf diesen gedämmten Bodenaufbau werden dann die Wände gestellt. Damit entstehen keine Wärme-/Kältebrücken und auch keine Feuchteschäden.
Bei dem beschriebenen Bauwerk ist es allerdings so, dass die Wände mehr aus pragmatischen Gründen konventionell auf die Bodenplatte gestellt wurden. Der Fußbodenaufbau erfolgte in Trockenbauweise mit einer Fußbodenheizung und unterschiedlichen Belägen.
Die Kundschaft entschied sich für rustikale Fliesen im Wohn- und Essbereich. Die Schlafräume und die Galerie wurden mit Korkparkett belegt. Für die Lüftung des Wohnraumes wurden zwei und im Bad ein dezentraler Lüfter mit Wärmerückgewinnung installiert.
„Falsches“ Scheunentor
Da ein Teilbereich hinter der Garage von Mauern des Nachbarhauses umgeben ist, konnten hier keine Fenster eingebaut werden. Aus diesem Grund gibt es hier einen Lichtschacht mit einem Dachfenster.
Das Garagentor ist als Seitensektionaltor mit festem Oberlicht ausgeführt. Durch aufgesetzte Zierleisten erreichten die Planer eine Optik, die an ein einfaches Brettertor erinnern soll. Der vorgesetzte Sockel aus Travertin-Platten wurde optisch nach oben verlängert, um die gedrungene Form zu verstärken. Da hinter den außen bündigen Fenstern die Küchenarbeitsplatte ist, fällt es im Innenraum nicht auf, dass die Fenster höher sitzen.
Kreativer Austausch gewünscht
Silvio Hellmundt würde sich wünschen, dass mehr kreative Zimmerer das Konzept aufgreifen und umsetzen. Ihm geht es dabei nicht um die Vermarktung seines Prototypen, sondern mehr um den „Open Source“-Gedanken, bei dem das Wissen geteilt wird. Er freut sich daher über einen regen Austausch mit anderen Kollegen. Positive Rückmeldung bekamen er und sein Zimmerer-Team noch während des Baus auf ganz andere Weise. „An Wochenenden gab es einen regelrechten Pilgerstrom von Neugierigen, die den Baufortschritt des neuen „alten“ Hauses verfolgen wollten“, erinnert er sich. „Passanten, die nun das fertige Haus sehen und nichts von der Entstehung wissen stehen bewundernd davor und loben unsere Firma für die gelungene Sanierung dieses schönen alten Hauses. Ein größeres Lob könnte uns nicht passieren“.
Das neue Fachwerkhaus ist im Grunde ein Holzrahmenbau mit Sichtfachwerk
Im Internet finden Sie weitere Fotos vom Bau des Histomod-Fachwerkhauses und einen Zeitrafferfilm über das Bauvorhaben. Geben Sie hierzu bitte den Webcode in die Suchleiste ein.
Bautafel (Auswahl)
Projekt Neubau eines Fachwerkhauses in 99947 Bad Langensalza
Baukosten etwa 200 000 Euro
Holzbau, Bauleitung Silvio Hellmundt, Holzbau Krieghoff, 99947 Bad Langensalza
Herstellerindex (Auswahl)
Dämmung + Systemkomponenten Unger Diffutherm, Chemnitz, www.unger-diffutherm.de
Brandschutzwand/Garage Knauf Insulation (Steinwolle), Simbach am Inn, www.knaufinsulation.de
Eternit (Faserzementplatte „Duripanel“), Heidelberg, www.eternit.de
Dachdeckung „Futura“-Dachziegel von Creaton,
Wertingen, www.creaton.de
Flachdachabdichtung Polyfin AG, Meckesheim,
Dachfenster Roto Frank AG, Leinfelden-Echterdingen, www.roto.de