Eine Auslandserfahrung fürs Leben

Handwerkerinnen und Handwerker leben und arbeiten drei Monate in der Toskana

Die Toskana erleben, Praxiserfahrungen in Handwerksbetrieben und auf Baustellen sammeln und dabei Freundschaften fürs Leben schließen: In diesen Genuss sind 14 Gesellinnen und Gesellen, davon zwei Zimmerer, beim diesjährigen „Erasmus+“-Projekt der Handwerkskammer Region Stuttgart gekommen.  

In den ersten vier Wochen des Auslandsprogramms lernten die Gesellinnen und Gesellen aus der gesamten Region Stuttgart in einem Intensivsprachkurs grundlegende Italienischkenntnisse, die sie in der anschließenden Arbeitsphase in den Betrieben und auf den Baustellen einsetzen und verfeinern konnten. Restauriert wurde unter anderem das Museo Etrusco Guarnacci, das zu den ältesten Museen für etruskische Kunst zählt. Um die Decken und Wände des Museums zu streichen, wurden alte italienische Techniken angewendet.

„Besonders gut haben uns die Arbeitstechniken, aber auch die Zusammenarbeit gefallen – wir sind als Malerteam wie eine kleine Familie geworden“, erklärt Malerin und Lackiererin Katharina Albert-Socaciu aus Göppingen. Tatkräftige Unterstützung erhielt das Team von Jacqueline Dobrautz, einer gelernten Raumausstatterin aus Erdmannhausen. Auch Friseurgesellin Isabel Hummel aus Weilheim an der Teck tauschte jeden Montag die Schere gegen den Pinsel ein und half im Museum.

Über 100 Jahre alte Tür aus Kastanienholz restauriert

Die Restaurierung der über 100 Jahre alten Eingangspforte der Stadtbibliothek war ein weiteres Großprojekt, dem sich ein „Erasmini“-Team stellte. In aufwendiger Handarbeit wurde die mehrere Meter hohe Tür aus Kastanienholz neu lackiert, Metallringe wurden ausgetauscht und das Holz an einigen Stellen ersetzt. „Für uns Zimmerleute waren die Schreiner-Tätigkeiten wie das Schleifen erst mal eine Herausforderung, aber es war sehr interessant, neue Techniken zu lernen“, erklärt Zimmerer Julian Preuß aus Fellbach.

In der Bildungseinrichtung SIAF wurde gleich an mehreren Projekten gearbeitet: „Neben einem gemauerten Outdoor-Barbecue-Grill und einem Brunnen dürfen sich die Schülerinnen und Schüler des SIAF auf einen neu gestalteten Platz freuen, der den Austausch verschiedener Kulturen fördern soll“, berichtet die Maurergesellin Esther Schoofs aus Viersen. Eingeweiht wurde der Grill bei der Überraschungsparty für Tischler Arne Harr, der in Volterra seinen Geburtstag feierte. Der Barbecue-Grill sei für den Handwerker aus Schlierbach definitiv das Highlight gewesen, denn beim Bau durfte er sich als Maurer ausprobieren. „Ich habe unglaublich viel Neues gelernt und auch viel fachübergreifend gearbeitet“, betont Arne Harr.

Italienisches Arbeitsklima ist entspannter

„Jeden Abend beim gemeinsamen Essen haben wir erzählt, welche Highlights es am Tag gegeben hat“, erklärt Zimmerer Benedikt Hilliges. Interessant sei für den 20-Jährigen das italienische Arbeitsklima gewesen, das etwas entspannter sei als in Deutschland. „Aber auch mit anderen Handwerkern zusammenzuleben war etwas ganz Besonderes – die Zeit in Volterra wird für immer eine wunderschöne Erinnerung bleiben“, betont der Zimmerergeselle aus Deckenpfronn. „Meine italienischen Kollegen im Betrieb waren sehr motiviert und die Zusammenarbeit hat viel Spaß gemacht“, berichtet Maurerin Esther Schoofs. Zudem habe sie viel Freiraum, aber auch gute Arbeitsanweisungen erhalten. „Da viele von uns vor wichtigen Entscheidungen im Leben stehen, war die Zeit wertvoll, da die Gedanken komplett frei sein konnten“, erklärt Tischlerin Corinn Wizemann. Die Karlsruherin strebt die Selbständigkeit mit einem eigenen Betrieb an.

Gaststädte profitieren von handwerklichen Fähigkeiten

„Das Erasmus+-Projekt zeigt eindrucksvoll auf, welche großartigen Leistungen durch europäische Freundschaft und Zusammenarbeit entstehen können und ist eine Win-win-Situation für beide Seiten“, erklärt Peter Friedrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Region Stuttgart. Während die „Erasmini“ eine fremde Kultur kennenlernen und Arbeitserfahrungen sammeln, profitiere die gesamte Stadt von den handwerklichen Fähigkeiten der deutschen Fachkräfte. Ein besonderer Dank gelte dem starken Netzwerk, das hinter dem Projekt stehe: „Das große Engagement der Stadt Volterra, der Sparkassenstiftung vor Ort, den Naturfreunden GIAN Volterra und der Villa Palagione ermöglicht den jungen Menschen einen einzigartigen und prägenden Auslandsaufenthalt“, sagt Peter Friedrich.

(Der Artikel stammt von der Handwerkskammer in der Region Stuttgart)

Als Handwerker Auslandserfahrungen sammeln mit „Erasmus+“-Programm

Das jährlich stattfindende Auslandsprogramm „Erasmus+“ der Handwerkskammer Region Stuttgart bietet Handwerksgesellinnen und -gesellen die Möglichkeit, drei Monate in der italienischen Stadt Volterra zu leben und zu arbeiten. Gesellinnen und Gesellen aus dem Bau-, Ausbau- und Dienstleistungssektor, vorrangig aus der Region Stuttgart, können sich für das Programm bewerben.

Wenn die Berufe, die Bewerberzahl und die Bewerberqualität passen, werden vorrangig Handwerkerinnen und Handwerker aus der Region Stuttgart ausgewählt. Ansonsten können die Plätze auch an Absolventen außerhalb des Kammerbezirks vergeben werden

Das Programm beginnt jedes Jahr im November/ Dezember mit einem Vorbereitungswochenende in Deutschland. Im Januar heißt es dann für die Teilnehmer/innen: Koffer packen und ab in die Toskana! Dort erwartet sie zuerst ein einmonatiger Sprachkurs. Auch wer noch keine Italienischkenntnisse mitbringt, kann nach dem Intensivkurs gut in Volterra zurechtkommen.

Auf den Sprachkurs folgt das zweimonatige Praktikum: Meist werden historische Gebäude unter Aufsicht des Denkmalschutzamts restauriert und renoviert.

Weitere Informationen über das Projekt „Erasmus+“ und Erfahrungsberichte aus den vergangenen Jahren gibt es online unter www.hwk-stuttgart.de/volterra.

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