Einblasdämmung trotzt Wetterextremen
Viele Gründe sprachen beim Neubau auf der Schwägalp dafür, das Dach nicht wie ursprünglich geplant mit Ortbeton, sondern aus vorgefertigten Holzelementen zu erstellen und dabei statt einer konventionellen Dämmung, Zellulosedämmstoff zu verwenden. Dabei kam neue industrielle Einblastechnik zum Einsatz.
Die Schwägalp am Übergang vom Appenzellerland ins Toggenburg gehört zu den schönsten Naturlandschaften in der Schweiz. Entsprechend groß ist die Nachfrage von Touristen: Im Sommer wie im Winter kommen Tausende in die Region rund um die Talstation der Säntis-Seilbahn. Diesem Ansturm war das vor rund 77 Jahren gebaute „Berghotel Schwägalp“ nicht mehr gewachsen und sollte daher durch einen zeitgemäßen Neubau ersetzt werden.
Geplant wurde ein insgesamt siebengeschossiger Bau aus zwei im stumpfen Winkel zueinander angeordneten Gebäudeteilen. Die neue Anlage besteht aus einem massiven Erdgeschoss, dessen Ortbeton mit aufbereitetem Kies aus dem Aushub erstellt wurde. Der darüber liegende und klar vom Bereich der Tagestouristen abgegrenzte Hotelbereich steht mit seiner fein strukturierten Holzfassade im Kontrast zum Betonunterbau, stellt jedoch gleichzeitig durch die Kombination mit dem massiven Untergeschoss eine moderne Interpretation der ortstypischen Bauweise dar. Der Hotelkomplex wurde in Stahlbetonskelettbauweise mit einer Außenhülle aus vorgefertigten Holzrahmenelementen erstellt. „Das äußere Erscheinungsbild“, sagt Richard Jussel von der Blumer-Lehmann AG, „sollte einem Holzbau entsprechen.“
Knappe Zeitspanne
Das Dach wurde aus vorgefertigten Holzelementen konstruiert, damit konnte auch der Bauablauf deutlich beschleunigt werden. Die ursprüngliche Planung mit Ortbeton und einer mit Blech verkleideten Holzkonstruktion als äußerem Abschluss wurde aus Zeit- und Kostengründen verworfen. „Wir befinden uns hier auf einer Höhe von etwa 1350 m und in einem Gebiet mit extremen Wetterbedingungen“, erklärt Florian Schällibaum von der Schällibaum AG, die die Planung nach der Fertigstellung des Vorprojektes übernommen haben. Die Winter in der Region sind extrem lang und dauern teilweise bis in den Mai. Entsprechend kurz ist die Zeitspanne, in der gebaut werden kann. „Die wenigen zur Verfügung stehenden Monate sollten daher durch die Montage vorfabrizierter Bauteile optimal genutzt werden“, sagt Schällibaum. Dies ist gelungen: Für die Montage sämtlicher Wand- und Deckenelemente vor Ort wurden lediglich sechs Wochen benötigt. Anschließend war das Gebäude geschlossen und dicht, so dass der Innenausbau starten konnte.
Mit kalkulierten Schneehöhen von bis zu sieben Metern war das 1160 m² große Dach in statischer Hinsicht eine besondere Herausforderung. Es besteht aus rund 60 vorgefertigten Holzelementen mit jeweils einer OSB-Platte unten und oben. Der etwa 500 mm große Dämmraum wurde mit Zellulose des Herstellers Isofloc (60 kg/m³) gedämmt. Nach außen hin kam eine Unterdachbahn mit 12 cm Hinterlüftung, danach die Konterlattung mit Nagelband, 27 mm Schalung und eine weitere diffusionsoffene Trennlage. Den äußeren Abschluss bildet ein Doppelstehfalzdach. Zum Innenraum hin blieb in einigen Räumen die OSB-Platte sichtbar. In den meisten Räumen wurden die Decken abgehängt.
Hohe konstruktive Anforderungen
Aber nicht nur in statischer Hinsicht war das Dach des Projektes Schwägalp eine Herausforderung. Die ungewöhnliche Form eines Satteldachs mit diagonal verlaufendem First, stellte an die Holzbauunternehmen sowohl bei der Vorfertigung als auch später bei der Montage hohe Anforderungen. Sämtliche Holzbauarbeiten wurden von der Arge Schwägalp, die aus insgesamt acht regionalen Holzbauunternehmen besteht, unter der Führung der Blumer-Lehmann AG ausgeführt. „Durch die steigende und fallende Traufe“, erklärt Richard Jussel, „entspricht das Dach einem Vieleck. Entsprechend vielfältig waren die Geometrien der einzelnen Elemente. Rechtecke, Dreiecke, Rhomben oder Trapeze – alles war dabei.“
Zellulose als wirtschaftliche Alternative
Als Alternative zur konventionellen Dämmung der durchschnittlich 510 mm dicken Dachelemente mit Mineralwolle (denn auch das wurde zunächst geprüft) kristallisierte sich die Zellulose-Einblasdämmung heraus. Ausschlaggebend war die schnelle und wirtschaftliche Verarbeitung, die sich gerade bei unregelmäßigen Geometrien auswirkt. Mit der Einblasplatte „easyfloc G2“ von Isofloc, die von Mettler Holzbau GmbH, Schwellbrunn, eigens für diesen Zweck angeschafft wurde, konnte der Zellulosedämmstoff schnell und einfach von nur einem Mitarbeiter in die Dachelemente eingebracht und damit im Ergebnis eine deutlich verkürzte Produktionszeit realisiert werden.
Im Gegensatz zu mineralischen Dämmstoffen kann der Zellulosedämmstoff dank seiner ausgezeichneten hygroskopischen Eigenschaften mit knapp 500 mm Dämmstärke problemlos gut fünf Liter Wasser pro Quadratmeter Dachfläche aufnehmen, ohne dass ein angrenzender Baustoff Schaden nimmt. Die Mehrdämmstärke bedeutet eine stärkere Abkühlung der äußeren OSB-Platte, was schneller zur Tauwasserbildung führen würde. Dank der Sorptionsfähigkeit der Zellulose (also der Möglichkeit Feuchtigkeit aufzunehmen und wieder abzugeben) wird das Holzwerkstoff-Plattenmaterial aber entlastet und das Risiko von Bauschäden minimiert. Speziell bei bauphysikalisch anspruchsvollen Aufbauten bedeutet dies eine hohe Sicherheit.
Eine hohe Dämmstärke minimiert die Wärmeverluste, erhöht aber den Einsatz von grauer Energie. So wird für den Zellulosedämmstoff im Gegensatz zu Mineralfaserdämmstoff bei der Dämmstärke von knapp 500 mm über 50 kWh Graue Energie pro Quadratmeter Dachfläche weniger aufgewendet. Das bedeutet eine Energieeinsparung von rund 67 000 kWh (= Jahres-Wärmebedarf von zehn neuen Wohnungen).
Das Projekt „Neubau Schwägalp“ konnte nach gut zwei Jahren Bauzeit (die Grundsteinlegung fand im September 2013 statt, die Eröffnung ist für Dezember 2015 geplant) abgeschlossen werden. Durch die hohe Vorfertigungsrate war die Dauer der Bauarbeiten gut abzuschätzen. Der Hybridbau aus Ortbeton und vorgefertigten Fassadenelementen ist eine weitere Referenz für den Holzbau bei Großprojekten in den Alpen.
Eine große Dämmstärke bedeutet hohe bauphysikalische Anforderungen
Bautafel (Auswahl)
Objekt Neubau der Schwägalp, Talstation der Säntis-Bergbahn (Gastronomie, Hotel, Infrastrukturgebäude, Parkgarage)
Bauherrschaft Säntis-Schwebebahn AG, CH-9107 Schwägalp
Bauzeit 2013 bis 2015
Baukosten 42 Mio. SFR (exkl. MwSt.)
Architekten Bünzli & Courvoisier Architekten / BGS Architekten (Vorprojekt)
Planung ab Vorprojekt Generalplanerteam Schwägalp bestehend aus Ammann Partner AG, CH-9063 Stein / Schällibaum AG Ingenieure und Architekten, 9630 Wattwil
Holzbau Arge Schwägalp bestehend aus acht Holzbauunternehmen
Dachfläche 1160 m²
Konstruktion 60 Dachelemente, Elementstärke 510 mm,
Dämmung Zellulosedämmung, Isofloc AG, CH-9606 Bütschwil
Das Einblasdämmsystem
Das industrielle Dämmsystem „easyfloc“ ist speziell auf das Dämmen von vorgefertigten, oben offenen Holzbauelementen ausgelegt und hat seine Stärken besonders bei ungleichmäßigen Geometrien. Es wurde für moderne Fertigungsstraßen konzipiert und kann in jede Betriebsstruktur integriert werden. Über einen Anschlusskanal werden die voraufgelösten Flocken aus dem Großballenauflöser „flocfeeder“ der Einblasmaschine „maxifloc“ zugeführt. Hier werden die Zellulosefasern vollständig aufgelockert und dann über einen Schlauch zur Einblasplatte „easyfloc G2“ befördert. Mit einem Kransystem wird die Einblasplatte manuell auf den oben offenen Deckenelementen platziert. Neben einem Wandschwenkkran sind auch andere Aufhängungen wie ein Wandlauf- oder Portalkran oder ein Rollgestell möglich. Die Befüllung der jeweiligen Gefache erfolgt automatisch über einen computergestützten Einblasassistenten. Insgesamt fünf Einblasstutzen, die in Abhängigkeit der Größe und Geometrie des Gefaches beliebig angewählt werden können, sorgen für gleichmäßige und fugenfreie Resultate mit der gewünschten Einblasdichte.