Ausgezeichneter industrieller Holzbau
Ein objektbezogenes ganzheitliches Brandschutzkonzept ermöglicht den Bau eines Gewerbeobjektes mit Wand- und Deckenelementen in Holztafelbauweise, die komplett mit Zellulose-Dämmstoff gefüllt sind. Mit Gipsfaser-Platten konnten die bestehenden Brandschutzanforderungen erfüllt werden.
Um die Arbeitsabläufe im Service weiter zu optimieren und das umfassende Serviceangebot für Kunden weltweit noch weiter zu verbessern, errichtete die SMA Solar Technology AG, Weltmarktführer bei Solar-Wechselrichtern in der Nähe des Stammsitzes in Niestetal bei Kassel, ein neues Service-Center. Dabei wurden vorwiegend Baustoffe aus wiederverwerteten und nachwachsenden Rohstoffen eingesetzt.
Die Wandkonstruktion: Holz ist Trumpf
Die Hallenkonstruktion besteht aus tragenden Stahlbeton-Fertigteilstützen der Brandschutzklasse F30 gemäß DIN 4102. Tragende Wände und Brandwände wurden ebenfalls aus Stahlbeton ausgeführt. Die Forderung nach dem Einsatz von nachhaltigen und ökologischen Baustoffen wurde bei dem Bau durch Ausfachungen der Hallen-Längsseiten mit nichttragenden Wandelementen in Holztafelbauweise erfüllt.
Die Wandelemente bestehen aus 24 cm Brettschichtholzständern mit dazwischen angeordnetem 240 mm dickem Zellulose-Recycling-Dämmstoff Isofloc (Baustoffklasse B2 nach DIN 4102-1). Die hallenseitige Beplankung der Holztafelwände erfolgte mit 25 mm OSB-Platten und 15 mm dicken Fermacell-Gipsfaser-Platten (Baustoffklasse A2 nach DIN EN 13501-1 beziehungsweise DIN 4102-1) als Abschluss.
Die äußere Beplankung der Tragkonstruktion der Wandelemente wurde mit einer DWD-Platte mit Winddichtung ausgeführt. Auf der gesamten Außenfläche ist zur Befestigung der Bekleidung aus weißen Aluminiumverbundplatten zusätzlich eine Unterkonstruktion aus Brettsperrholz aufgebracht. An den 120 m breiten Hallen-Stirnseiten wird das Gebäude durch eine Pfosten-Riegel-Fassade abgeschlossen.
Die Dachkonstruktion
Das Dach ist eine Sheddach-Konstruktion aus brandschutztechnisch ungeschützten Stahlfachwerkträgern und aussteifenden Holztafelelementen. Sie bestehen aus einer Tragkonstruktion aus 36 cm Brettschichtholzprofilen mit dazwischen angeordneter Dämmung aus 360 mm dickem Isofloc-Zellulosedämmstoff (Baustoffklasse B2 nach DIN 4102-1), die hallenseitig mit einer feuchteadaptiven Folie sowie einer 30 mm Sparschalung aus OSB-Platten beplankt wurde. Der Abschluss erfolgte durch eine brandschutztechnisch wirksame Bekleidung aus 18 mm Fermacell (Klasse K230 gemäß DIN EN 13501). Analog zu den Dachelementen wurden die Sheds ebenfalls in Holzrahmenbauweise ausgeführt.
Hoher Vorfertigungsgrad
Mit einem Volumen von insgesamt 30000 m² Dach- und Wandfläche setzt der Neubau der SMA neue Maßstäbe im Holzbau. Neue Wege wurden deswegen auch bei der Vorfertigung beschritten: Sämtliche 574 Dachelemente und die 52 Wandelemente der 10 m hohen und 180 m langen Halle wurden in einer temporären Fabrik vor Ort unter idealen Bedingungen komplett – inklusive Fenster und Dachhaut beziehungsweise malerfertiger Innenoberfläche – gefertigt, so dass sie anschließend nur noch montiert werden mussten. Für die Fertigung war die Arbeitsgemeinschaft Sandershäuser Berg verantwortlich.
Die Dimensionen der temporären Fertigungshalle war mit 100 x 20 m auf die Größe der Holztafelelemente abgestimmt. Es wurden Elemente in Abmessungen von 5 x 15 m und 5 x 7,50 m realisiert. Die Dachshed-Elemente hatten die Abmessung von 5 x 6,80 m.
Verarbeitung mit laufender Qualitätssicherung
Die Beplankung der Dach- und Wandelemente erfolgte mit großformatigen Gipsfaser-Platten, die in den jeweils erforderlichen Abmessungen angefertigt wurden. Standard sind Längen von 2,60 m und 3 m bei einer Breite von 1,25 m. Die Platten wurden senkrecht verarbeitet und mit Klammern auf der Unterkonstruktion befestigt beziehungsweise teilweise geschraubt.
Der Zellulosedämmstoff Isofloc wurde im Einblasverfahren in den Wandhohlraum eingebracht. Über Schläuche, deren Länge der Größe der Wand- beziehungsweise der Dachelemente entsprach, wurde die Dämmung trocken, setzungssicher und fugenlos eingeblasen. Durch den Einblasdruck wird das Material stark verdichtet. Im Rahmen der Qualitätssicherung wurde die Lückenlosigkeit der Dämmschicht regelmäßig überprüft. Die hohe Verdichtung sorgte auch für einen hohen Luftdichtungseffekt. Im abschließenden Blowerdoortest wurde so statt der geforderten Luftwechselrate von 0,8 h-1 (1,5-1 bei Gebäuden mit raumlufttechnischen Anlagen) eine Rate von 0,08 h-1 erreicht.
Individuelles Brandschutzkonzept
Konstruktionen in Holzrahmenweise mit einer als B2-Baustoff zugelassenen Zellulose-Dämmung sind – zumal in dieser Größenordnung – im Industriebau eher selten. Maßgeblich für die Genehmigung des Projektes war ein von der Dehne, Kruse Brandschutzingenieure GmbH & Co. KG erarbeitetes individuelles ganzheitliches Brandschutzkonzept, das der Bauaufsichtsbehörde gemäß Bauvorlagenerlass zur hessischen Bauordnung vorgelegt wurde. Das Konzept stützt sich auf die Einstufung der Halle als Sonderbau nach § 2 HBO Abs. 8 sowie auf die Tatsache, dass die Halle formal in den Geltungsbereich der Industriebaurichtlinie (IndBauRL) fällt und auf Grund ihrer Konstruktion gemäß Ziffer 3.5 und 5.3 IndBauRL als erdgeschossiger Industriebau zu beurteilen ist.
Vor diesem Hintergrund können gemäß § 45 der HBO Erleichterungen gestattet werden, wenn nachgewiesen wird, dass die bauaufsichtlichen Schutzziele trotz der Abweichungen vom Baurecht erfüllt werden. Im vorliegenden Fall wurde dies durch Maßnahmen zum baulichen Brandschutz sowie durch ergänzende anlagetechnische, brandabwehrende und organisatorische Maßnahmen erreicht. Damit sind unter anderem Brandmeldeanlagen, Sprinkleranlagen, Brandweitermeldungen, Feststellanlagen für Feuerschutzabschlüsse, Wandhydranten, Feuerlöscher, spezielle Einrichtungen für die Feuerwehr, Rauchableitungen, Sicherheitsstromversorgungen, Sicherheitsbeleuchtung, eine Brandschutzordnung, Flucht- und Rettungswegpläne, Feuerwehrpläne usw. gemeint. Das sehr umfangreiche Brandschutzkonzept schlüsselt diese Maßnahmen sehr detailliert auf.
Baulicher Brandschutz
Die tragenden Wände, Pfeiler und Stützen wurden in Stahlbeton mit der Feuerwiderstandsklasse F 30 ausgeführt. Die Brandschutzanforderungen, die gemäß Ziffer 5.10 der IndBauRL an die nichttragenden Ausfachungen der Außenwände bestehen, konnten durch die hallenseitige Beplankung der Holztafelelemente mit 15 mm dicken Gipsfaser-Platten erfüllt werden. Die Platten gewährleisten je nach Konstruktion Brandschutz bis zur Feuerschutzklasse F 120 und sind gemäß der EN 13501 als nichtbrennbarer Baustoff der Baustoffklasse A 2 klassifiziert.
Gipsfaser-Platten wurden ebenfalls in der Dachkonstruktion eingesetzt. Die Dachelemente erhielten unterseitig eine K230 Bekleidung gemäß DIN EN 13501 mit einer 18 mm Platte. Laut Brandschutzgutachten wird damit sichergestellt, dass das Brandverhalten des Bauteils auch bei einem Versagen der Sprinkleranlage für 30 Minuten bei einer Brandbeanspruchung von unten dem eines nicht brennbaren Bauteils entspricht und somit als gleichwertig anzusehen ist. Damit konnten brandschutztechnische Bedenken gegen den Dachaufbau, der keine geprüfte Konstruktion gemäß DIN 18234-1 ist, ausgeräumt werden.
In allen Holzrahmenelementen werden keine elektrischen Leitungen geführt. Eine Entzündung der in die Baustoffklasse B2 eingestuften Dämmung und Holzkonstruktion im Hohlraum kann daher mangels Zündquellen nahezu ausgeschlossen werden.
Insgesamt konnte durch die im Gutachten aufgeführten konstruktiven Maßnahmen zum baulichen Brandschutz sowie durch ergänzende anlagentechnische, brandabwehrende und organisatorische Maßnahmen begründet werden, dass die insgesamt 21 780 m² große Halle in nur zwei Brandabschnitte unterteilt wird, von denen einer mit 11 860 m² die zulässige Größe überschreitet. Nach Ziffer 6 der IndBauRL sind maximal 10 000 m² zulässig.
Fazit – Holztafelbau im Industriebau ist möglich
Der Bau des neuen Service Centers der SMA Solar Technology AG setzt neue Maßstäbe für den Holzbau und zeigt, dass die bisher nur zögerlich im Industriebau eingesetzte Holztafelbauweise durchaus eine Alternative zu massiven Systemen beziehungsweise zu Hallen in Leichtbauweise ist. Brandschutzauflagen konnten durch die Erarbeitung eines individuellen Brandschutzkonzeptes und den Einsatz von Fermacell Gipsfaser-Platten erfüllt werden. Hinzu kommen kurze Bauzeiten durch Vorfertigung: Lediglich vier Monate wurden für Fertigstellung und Montage sämtlicher Wand- und Deckenelementen benötigt. Der Neubau wurde zurecht mit dem Holzbaupreis Hessen ausgezeichnet.
Autorin
Rita Jacobs arbeitet als freie Fachjournalistin. Sie führt ein PR-Büro, das auf die Bauwirtschaft und Architektur spezialisiert ist.
Für die Vorfertigung wurde eine temporäre Fabrik vor Ort erstellt
Mit einem Volumen von 30 000 m² Dach- und Wandfläche setzt der Neubau neue Maßstäbe im Holzbau