Ein neues Dorfzentrum entsteht

Umnutzung eines Konsum-Marktes in Sundhausen als „DesignBuild“-Projekt

Bei der Umnutzung eines Konsum-Marktes in Sundhausen ging es um mehr als nur darum, in eine Gebäudehülle aus den 1970er Jahren ein Holzhaus hineinzubauen. Es ging auch darum, gesellschaftliches Engagement mit theoretischem und praktischem Lernen in einer Bauhütte zu verknüpfen.

An guten Ideen mangelt es im ländlichen Raum nicht, aber häufig fehlen Strukturen, finanzielle Möglichkeiten oder schlichtweg Fachkräfte für die Umsetzung. Mit dem Einsatz von Architektur und Handwerk soll sich das in der Thüringer Dorfregion Seltenrain ändern. Die Stiftung Landleben und der Verein Landengel e.V. engagieren sich dort seit Jahren in der Planung und Umsetzung eines neuen Gesundheits-, Pflege- und Versorgungsnetzwerks. Ziel ist es, im Zuge des demografischen Wandels nicht nur Gesundheitsdienstleistungen im Unstrut-Hainich-Kreis anzubieten, sondern auch soziale Isolation zu vermeiden und Pflege, Altenhilfe und das Wohlfahrtswesen in ländlichen Regionen zu stärken. Hierzu finden im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) Thüringen seit dem Frühjahr 2021 wiederkehrende Bauhütten statt. Bei diesen Workshops mit begleitendem Fach- und Kulturprogramm gestalten sowohl Studierende der Architektur als auch Handwerkerinnen und Handwerker des Ausbaugewerbes (Maler und Stuckateure) die örtliche Infrastruktur. Beteiligt sind dabei neben der TU Berlin die Veldacademie Rotterdam mit der TU Delft, die TU Wien, die PUC Santiago de Chile, die Bauhaus-Universität Weimar, die IBA Thüringen sowie die gemeinnützige Sto-Stiftung. Die Stiftung fördert junge Architektinnen und Architekten sowie junge Handwerkerinnen und Handwerker. Diese Förderung nimmt auch in konkreten Projekten Gestalt an, so auch bei dem Umbau eines ehemaligen Konsum-Markts in Sundhausen zum neuen Landzentrum.

Dem Aufbruch auf dem Land eine Gestalt geben

Die Internationale Bauausstellung Thüringen ist ein auf mehr als zehn Jahre angelegtes Planungs- und Baukulturformat, das in diesem Jahr abgeschlossen wird. Unter dem Motto „StadtLand“ arbeitet die IBA zusammen mit verschiedenen Partnern an nachhaltigen Projekten mit hohem Gestaltungsanspruch. Die Umnutzung des ehemaligen Konsum-Marktes im thüringischen Sundhausen ist ein solches Projekt. Es dockt thematisch unter anderem an den IBA-Schwerpunkt „LeerGut“ an, der sich mit dem Bestand als Ressource und den Potentialen des Um- und Weiterbauens im ländlichen Raum auseinandersetzt. Und weil es hier um einen hohen gestalterischen Anspruch geht, kommt auch die TU Berlin mit Prof. Ralf Pasel und seinen Studentinnen und Studenten ins Spiel. „DesignBuild“ ist wiederum ein Projekt an der TU Berlin, das sich damit beschäftigt, wie dem Aufbruch auf dem Lande kleinmaßstäblich Gestalt gegeben werden kann.

Das Besondere an der Umnutzung in Sundhausen ist, dass dort Architektur und Handwerk vereint werden. „In der Zusammenführung von Architekturstudierenden und jungen Fachkräften des Bauhandwerks sollen über die konkrete Zusammenarbeit am Bau ein besseres Verständnis der Bauaufgabe sowie Wissen und Austausch gefördert werden. Die Architekten sollen die konkrete Umsetzung erleben, die Handwerker ein Gefühl dafür bekommen, wie der Planer das Projekt als Ganzes sieht“, erklärt Till Stahlbusch von der Sto-Stiftung.

Vom Entwurf bis zur Umsetzung

Anfang März 2022 fuhren wir auf Einladung der Sto-Stiftung nach Sundhausen, um den Umbau des dortigen Konsum-Marktes vor Ort zu begleiten. Das ehemalige Geschäft aus DDR-Zeiten wird Stück für Stück zu einem neuen Dorfmittel- und Treffpunkt umgebaut. Das neue Landzentrum soll nach der Fertigstellung neben einer Bürgermeisterei zum Beispiel auch einer Mietarztpraxis Platz bieten.

Eine erste Bauhütte widmete sich in Sundhausen im September 2021 der Frage, wie dem Aufbruch in der Dorfregion gestalterisch begegnet werden kann. Nach einer ersten, vorübergehenden Umnutzung des ehemaligen Konsum-Marktes entwarfen und bauten die Studentinnen und Studenten Holzmöbel, die den Außen- und Innenraum des Gebäudes miteinander verbinden und sehr flexibel einsetzbar sind. Ein Vierteljahr später wurden zur zweiten Bauhütte weitere Entwürfe und Transformationsideen für den Altbau erarbeitet. In der dritten Bauhütte ging es von Mitte Februar bis Anfang März 2022 dann um die konkrete Umsetzung dieser Entwürfe.

Leerstand in neues Zentrum verwandeln

Der Konsum-Markt in Sundhausen stammt aus den 1970er Jahren. Das Gebäude hat weder Fundamente noch eine Horizontalsperre. Eine Ertüchtigung der Bausubstanz würde Unsummen verschlingen. Also weg damit? Nein, denn aus dem seit vielen Jahren leerstehenden Altbau soll ein neuer Dorfmittelpunkt werden. Aber wie soll das baulich zu vernünftigen Kosten gelingen? „Das Haus-im-Haus-Prinzip ist eine angemessenere Lösung, als den ganzen Bestand auf EnEV zu ertüchtigen“, erklärt Prof. Pasel, „der Bestand dient dabei quasi als Pufferzone.“

Haus-im-Haus-Konzept

Holz ist als Baustoff für dieses Konzept sehr gut geeignet, denn man kann es leicht ein- und auch wieder ausbauen. Um mit wenig Aufwand und Kosten das Gebäude von außen zu verschönern, sollen an der Fassade zumindest stellenweise neuer Putz und Farbe aufgebracht werden. Erfahrene Maler zeigten den Studentinnen und Studenten vor Ort, wie man den anthrazitfarbenen Putz auf der Straßenseite des Gebäudes an die Außenwand bringt. Später trugen die Maler auf dem grauen Untergrund mit Hilfe von Schablonen den Schriftzug „Sundhausen“ auf. An eine energetische Ertüchtigung brauchte und konnte weder von außen noch von innen gedacht werden, denn die Einbauten aus Holz wurden bereits gedämmt.

Zunächst bauten die Studentinnen und Studenten ein Traggerüst aus Holz mit genügend Luftschicht zum Bestand in den Altbau ein. Die Räume zwischen den Ständern und Balken wurden an Wand, Fußboden und Decke mit Mineral- beziehungsweise Holzfaserdämmplatten gedämmt. So entsteht eine gedämmte Holzhülle, der das ungedämmte Steinhaus als Wetterschutz dient. Zur Raumseite hin bilden geschliffene Dreischichtplatten die äußerste Schicht der Holzhülle. Diese könnte man später auch noch mit einem Putzträger und Lehmputz beschichten. Vorerst bleibt die Holzoberfläche der Nut- und Federplatten jedoch von innen sichtbar. Mittlerweile haben die Holzbauarbeiten im Altbau ihren Abschluss gefunden und auch der Schriftzug „Sundhausen“ hat auf der Fassade zur Straße hin seinen Platz gefunden.

Im Sommer 2022 planten und erstellten die Teilnehmer der Bauhütte zusätzlich einen neuen Zugang zum Landzentrum an der Stelle, wo sich einst die Laderampe des Gebäudes befand. Gleich gegenüber bauten sie eine multifunktionale Fassadenverkleidung auf der dem Anger zugewandten Seite des ehemaligen Konsums. Diese bietet jetzt Sitzgelegenheiten mit bester Sicht auf eine neue, größtenteils pinke Bühne (siehe Foto auf Seite 54).

Pinkes Holz aus Rotterdam

Das Pink an der Fassade und dem Mobiliar ist dem Ursprung des Baumaterials geschuldet. So steuerte beispielsweise das Het Nieuwe Instituut aus Rotterdam das Holz bei. Es war zuvor Teil des Kunstprojekts „Rooftop Walk“. Dort bildete es ein begehbares Dach, dessen Aussicht im Sommer vielen Veranstaltungen eine faszinierende Kulisse bot. 650 m² Holz stammen allein von der Plattform des Podiums. Hinzu kam Material aus Treppen und Geländern. Für die Zukunft ist bereits vorgesorgt: „Es ist immer noch genug Material für weitere Bauhütten da“, meint Pasel. Als nächstes Projekt soll ein Vordach mit integrierter Bushaltestelle für das Landzentrum entstehen.

Fazit

Der lange Zeit leer stehende Supermarkt in Sundhausen wurde mit einer neuen Funktion gefüllt. Ob das Projekt der Dorfgemeinschaft eine neue Mitte gibt, muss sich erst noch zeigen. Die Verknüpfung von Handwerk und Architektur mit gesellschaftlichem Engagement hat auf jeden Fall unseren vollen Respekt verdient!

 

Autor

Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschrift bauhandwerk.

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