Musizieren unterm gut gedämmten Dach
Bei der denkmalgerechten Sanierung des rund 750 Jahre alten Schlosses von Sangerhausen entschieden sich die Planer beim Wärme- und Schallschutz für ökologische Dämmstoffe, die ein gesundes Raumklima und stabile Temperaturen zu allen Jahreszeiten gewährleisten.
Die Kreismusikschule Mansfeld-Südharz im sachsen-anhaltinischen Sangerhausen hat ihren Sitz in einem etwa 750 Jahre alten Schloss, dessen baufälliges Pfettendach durch einen neuen Dachstuhl ersetzt werden musste. Im Mittelpunkt der Sanierung standen der sensible Umgang mit dem historischen Kontext sowie das Schaffen optimaler Übungsbedingungen für die jungen Musiker.
Mitte des 13. Jahrhunderts, zur Zeit des thüringisch-hessischen Erbfolgekrieges, war im Südosten des Harzgebirges allerdings weniger die Musik, sondern die Wehrhaftigkeit von größter Bedeutung. Die wechselvolle Geschichte des Gebäudes – von Trutzburg über Lager für Waffen und Korn, Gerichtsstätte und Gefängnis ist lang – heute hauchen musisch begabte junge Menschen der mittelalterlichen Anlage im so genannten „Alten Schloss“ neues Leben ein: Blockflöten tönen, Geigen streichen und Gitarren klingen, denn seit etwa 50 Jahren hat die Kreismusikschule Mansfeld-Südharz in dem ehrwürdigen Bau ihren Sitz. Die Musikschüler können in Sangerhausen aus dem reichen Angebot von fast 30 verschiedenen Kursen wählen und sich neben Instrumenten auch in Gesang, Tanz und bildender Kunst üben. In den Kreuzgewölben im Erdgeschoss proben Eleven Ballettschritte, unter dem First üben junge Musiker unter aufmerksamer Betreuung ihre Instrumente. Die Dachräume fügen sich harmonisch in das historische Ensemble und sind dennoch ganz neu: In den Jahren 2011 und 2012 wurde das Dach komplett ausgetauscht.
Ein spontaner Sanierungsfall
Die Sanierung des Daches war nicht von langer Hand geplant, sondern stellten sich plötzlich als dringende Notwendigkeit heraus: Unter den im Rahmen einer Überprüfung entfernten Wandverkleidungen kam mit dem Dachstuhl das „blanke Grauen“ zum Vorschein. „Das Holz war morsch und der Handlungsbedarf groß“, erinnert sich Bauplaner Martin Suchanek. Für den Ingenieur war klar, dass der Ersatz des kompletten Daches nötig war. Auch die Mitarbeiter des Landkreises Mansfeld-Südharz unterstützen diese Option in ihrer Rolle als Bauherr, während die zuständige Denkmalschutzbehörde vorerst für den Erhalt des bestehenden Dachstuhls plädierte, da ihm bauhistorischer Wert zugeschrieben war. In intensiven Diskussionen stellen sich zwei Faktoren als ausschlaggebend für die Neuerrichtung heraus: Zum einen wurde klar, dass der vorhandene Dachstuhl jünger war als angenommen und er daher keinen denkmalpflegerischen Wert besaß. Zum anderen hätte sich eine Sanierung des Bestandes ebenso kostenaufwändig gestaltet wie das komplette Ersetzen des Daches. Daher entschieden sich die Verantwortlichen für die Neuerrichtung unter strengen denkmalpflegerischen Auflagen.
Angemessene Lösungen für das historische Ensemble
Die zentrale Vorgabe war, dass das neue Dach dem alten möglichst stark ähneln sollte: So blieben die Dimension und die Neigung des Dachstuhles gleich. Wie beim Vorbild sind die neuen Dachflächen durch Schleppgauben gegliedert und der westliche Giebel endet mit einem Krüppelwalm. Bei der Gestaltung der einzelnen Elemente gingen Eigentümer, Planer und Denkmalschutzbehörde mit viel Bedacht und großem Bewusstsein für authentische Materialien vor, wie beispielsweise die Holzsprossenfenster sowie die Dachrinnen und der Blitzschutz in Kupfer belegen. Statt konventionellen Dachsteinen kam eine doppelte Biberschwanzdeckung mit Segmentschnitt zum Einsatz, die am Ortgang mit einer Zahnleiste abschließt. Die naturroten Ziegel leuchten als Farbakzent weithin sichtbar über der Stadt.
Das Pfettendach ist 6,60 m hoch und mittig durch eine Decke geteilt. Wie bereits vor der Neuerrichtung befinden sich auf der unteren Dachebene die dreizehn Übungsräume der Musikschule, der Spitzboden ist als zweiteiliges Archiv konzipiert. Für Sparren, Pfetten und Deckenträger wurde Nadelholz gewählt, die Deckenkonstruktion ist aufgrund statischer Anforderungen mit Brettschichtholz verstärkt. Die Deckenbalken sind als Doppelzangen ausgeführt, die jeden Sparren umfassen und unterhalb der Pfetten liegen. Zwischen Lattung und Konterlattung garantiert eine diffusionsoffene Unterspannbahn sicheren Feuchteschutz. Zwischen den Sparren sorgt eine Wärmedämmschicht aus 900 mm breiten und 200 mm starken Homatherm holzFlex standard-Holzfaserdämmstoffen für ein gesundes Raumklima und angenehme Temperaturen zu allen Jahreszeiten. Darunter vervollständigen eine Metall-Unterkons-
truktion und eine Dampfsperre den Dachaufbau,
raumseitig sorgen Gipskarton-Bauplatten mit sonnig-gelbem Putz für einen angenehmen Eindruck in den 14-18 m2 großen Übungsräumen.
Eine zentrale Funktion bei der Planung und Umsetzung des neuen Daches war der sommerliche Hitzeschutz. „Dieser Aspekt geht leider im aktuellen ‚Dämmfieber’ nach EnEV etwas unter, ist aber für die Nutzer besonders an der Südseite eminent wichtig“, berichtet Planer Suchanek. Die Holzfasermatte überzeugt dabei durch ihre Dämmwirkung, ihre feuchteausgleichenden Eigenschaften sowie nicht zuletzt durch ihre bequeme und rasche Verlegung: Die flexiblen, biegsamen Matten werden passgenau und unkompliziert zwischen die Sparren geklemmt. Ihre Formate sind für gängige Ras-
ter bemessen und bei Bedarf – wie bei den Gauben im Dach der Musikschule – lassen sie sich schnell und einfach mit dem Dämmstoffmesser zuschneiden, wie Verarbeiter Lutz Bornemann vom Dachdeckerbetrieb Bunzel bestätigt. Insgesamt wurden im neuen Dach 800 m2 Holzfaserdämmstoff verbaut.
Ein Raum im Raum zum Üben
Neben sehr guten Wärmedämmwerten – der U-Wert für die Dachschrägen beträgt nach der Sanierung 0,19 W/m²K – erfüllen die neuen Übungsräume auch höchste Anforderungen an den Schallschutz. Um konzentriertes, ungestörtes Musizieren zu gewährleisten, bilden doppelte Ständerwände zwischen den Zimmern einen schalldämmenden Luftraum und verbergen gleichzeitig die Stiele der Deckenkonstruktion. Die Wände zum Flur, die Dachschrägen und die Kniestöcke erhielten ebenfalls zusätzliche Vorsatzschalen, um die Schallübertragung zu minimieren. „Ein Raum im Raum“, fasst Martin Suchanek die umfangreichen Schallschutz-Maßnahmen anschaulich zusammen.
Der Spitzboden erfüllt als Lager zwei unterschiedliche Funktionen: Seine Westseite ist nach außen gedämmt und dient der Aufbewahrung von Instrumenten. Dank der großen Wärmespeicherfähigkeit und hohen Sorptionsfähigkeit der dampfdiffusionsoffenen Holzfaserdämmmatten können die empfindlichen Musikinstrumente direkt unter dem First gelagert werden. Der unbeheizte Raum in der östlichen Hälfte des Spitzbodens ist als Abstellfläche nutzbar. In diesem Bereich sind die vielseitigen flexiblen Holzfaser-Dämmmatten zwischen den Deckenträgern eingesetzt, um die darunter liegenden Übungszimmer gut temperiert zu halten.
Autorin
Valentina Fries studierte Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Marketing. Seit Anfang 2013 ist sie Marketingmanagerin bei der Homatherm GmbH.
Das Holz des Dachstuhls war morsch und der Handlungsbedarf für eine Sanierung groß
Das neue Dach sollte dem alten mit gleicher Dachneigung und Schleppgauben sehr ähneln