Casa Invisibile: Holzmodulbau hinter spiegelnder Fassade mit Aluminiumverbund-Platten im Burgenland
Das Projekt „Casa Invisibile“ möchte mit der Modulbauweise experimentieren, zwei Prototypen stehen nun im Burgenland. Die transportablen Wohnmodule in Holzbauweise, versehen mit einer spiegelnden Fassade, sorgen in ihrer ländlichen Umgebung für Aufsehen.
Wie so häufig, wenn Bemerkenswertes entsteht, treten nicht nur mehrere begünstigende Faktoren gleichzeitig auf den Plan, sondern werden von geschickter Hand zu einem harmonischen Ganzen zusammengeführt. Ein wenig Fortune schadet dabei auch nicht.
Das renommierte Architekturbüro Delugan Meissl Associated Architects aus Wien hatte sich schon häufig mit minimalistischem Bauen beschäftigt; insbesondere mit der Frage, wie qualitätsvolles Wohnen mit einem „einfachen“ Haus ermöglicht werden kann. Jeder kennt die Erfahrung von einem kleinen Ferienhaus, einem „Mobile Home“ oder Urlaub auf dem Bauernhof: Man verzichtet auf einiges – aber es fehlt einem nichts. Dieses Phänomen ist ganz sicher nicht ausschließlich mit den Mitteln der Architektur zu erklären, umgekehrt kann eine schlechte, oder eine „zu einfache“ Architektur den Effekt erheblich einschränken. Die erste Frage der Architekten lautet also, was braucht ein Haus, und die zweite, fast noch wichtigere, was braucht es nicht?
Lage, Lage, Lage
Drei Dinge bestimmen den Wert einer Immobilie, die Lage, die Lage und die Lage. Diese alte Maklerweisheit – mit Augenzwinkern zu verstehen – bewahrheitet sich beim hier betrachteten „Casa Invisibile“, dem unsichtbaren Haus, in besonders schöner Weise, denn natürlich sind die spektakulären Spiegelungen der Fassade (sie integrieren das Haus wie unsichtbar in der Landschaft) abhängig von deren Umgebung. Und natürlich steigen Wohn- und Nutzwert wenn Größe und/oder Lage des Grundstücks Rückzugsbereiche und eine gewisse Intimität gewährleisten.
Die Prototypen wurden unabhängig von ihrer Lage geplant und vom Holzbauunternehmen Sporn aus Hallein umgesetzt. Das Architekturbüro Delugan Meissl wollte ein minimalistisches Hauskonzept entwerfen, das trotzdem alles beinhaltet. Denn die Qualität eines Hauses sei nicht allein von der Größe abhängig, betont Dietmar Feistel von DMAA (siehe Interview auf Seite 20).
In diesem Fall war es so, dass der Bauplatz im slowenisch-österreichischen Grenzland den Architekten angeboten worden war, was der Übersetzung des theoretisch Erdachten in gebaute Realität förderlich war. Die Lage inmitten einer durch Weinbau geprägten, landwirtschaftlich dominierten Region stellt natürlich eine Qualität für sich dar, doch selbst wenn sich dies einmal ändern sollte, dann wäre das Haus notfalls transportabel. Die hölzerne Elementbauweise garantiert eine vollständige Rückbaubarkeit des Wohnmoduls und hinterlässt einen minimalen ökologischen Fußabdruck.
Konstruktion aus Brettsperrholz
Bei der Auswahl des Baumaterials entschieden sich die Architekten für Holz. Die Elementbauweise soll eine vollständige Rückbaubarkeit garantieren. Die Architekten entwarfen zwei Prototypen und ließen diese ihren Vorstellungen entsprechend durchplanen. Die Außenmaße von 14,50 m x 3,50 m ermöglichen einen einfachen und schnellen Transport mit dem Lkw. Dadurch war es möglich, die Casa vollständig werkseitig vorzufertigen, mit Ausnahme der Fassade. Da die Einzelteile miteinander verschraubt wurden, lässt sich das kleine Gebäude sogar wieder ganz zerlegen und als einzelne Platten transportieren.
Die noch ungedämmten Wände des Prototyps bestehen aus einer dreischichtigen Holzbauplatte (Brettsperrholz, in Österreich wird es Kreuzlagenholz – KLH – genannt). Dieses aus Kärntener Fichten bestehende Baumaterial bestimmt auch den Innenraum. Bei der Auswahl der Platten wurde deshalb sorgfältig darauf geachtet, im Innenraum möglichst astarmes KLH zu verwenden. Durch das Finish, bestehend aus einer weißen Lasur, entstehen helle Flächen, während der Holzcharakter erkennbar bleibt. Fichtenholz war ursprünglich auch als Bodenbelag vorgesehen, bei den nun serienreifen Versionen sind aber auch andere Bodenbeläge erhältlich. Nachdem es nun Erfahrungen mit den Prototypen gab, besteht der Wandaufbau aus den tragenden CLT-Platten (Cross Laminated Timber, der kanadischen Variante des Kreuzlagenholzes), einer Holzfaserdämmung als Außendämmung, einer Membran zur Herstellung der Winddichtigkeit, Aluminium-UK-Profilen sowie dem Fassadenmaterial.
Die Gründung des Hauses gelang mit Schraubfundamenten, die – zumindest theoretisch – auch mobil sind, jedenfalls aber rückbaubar. Diese gewährleisten sichere Fundamente bis zur Bodenklasse VII (schwer lösbarer Fels) und können bei Bedarf wieder aus dem Erdreich entfernt werden, ohne Spuren wie Betonfundamente oder Aushub zu hinterlassen.
Raumgestaltung
Der Gedanke der Modularität setzt sich auch im Inneren fort. Nachdem es nun Erfahrungen mit den Prototypen gab, ist das Haus inzwischen in drei Größen erhältlich, und zwar mit der von den Entwicklern vorgeschlagenen Ausstattung oder auch „leer“. Der Vorschlag der Architekten besteht aus einem grundsätzlich offenen, wenngleich sinnvoll zoniertem Raum. Gleich nach dem Betreten der Casa an einem Längsende finden sich Küche, Bad und Toilette. Diese Konzentration der Funktionsräume vereinfacht die Installation der Gebäudetechnik. Die Mitte des Raumes beherbergt einen Ess-/Arbeitsplatz; an dieser Stelle lässt sich das Haus durch die großen Schiebeelemente maximal öffnen. Im weiteren Verlauf wurde eine Sitzgruppe vorgesehen. Schließlich fungiert der Holzofen als Raumteiler und trennt den Schlafbereich ab. Die Einbauschränke und -regale bestehen aus demselben Holz wie die Wände. Fensterschlitze erlauben ein gewisses Maß an Belichtung und Ausblicken, auch wenn die großen Schiebeelemente geschlossen sind.
Fassade mit Aluminium-Verbundplatte
Der oben beschriebene Wandaufbau weist die Konstruktion als vorgehängte hinterlüftete Fassade (VHF) aus. Diese Technik steht unter anderem für eine hohe Variabilität bei der Wahl der Dämmstoffdicke und ermöglicht es, eine große Zahl von Materialien als Gebäudehülle vorzusehen. In diesem Fall entschieden sich die Architekten für eine spektakuläre, verspiegelte Fassade, ausgeführt mit der Aluminium-Verbundplatte Alucobond. Deren dreilagiger Aufbau gewährleistet hohe Planebenheit und sorgt für eine große Biegesteifigkeit, welche in diesem Fall nicht zuletzt dazu führt, dass die Spiegelungen auf der Fassade äußerst verzerrungsfrei erfolgen können. Darüber hinaus weist das Materialkomposit ein sehr geringes Flächengewicht auf, weshalb die großformatigen Tafeln hier sicher verklebt werden konnten. Um den kubischen Entwurf der Architekten optisch sauber und mit vertretbarem technischen Aufwand umsetzen zu können, war außerdem ein Material gefragt, dessen Bearbeitbarkeit eine überdurchschnittliche Präzision zulässt. Die sogenannte Fräskanttechnik, bei der mit einem V-Nut-Fräser in einem definierten Winkel rückseitig Material bis zur vorderen Deckschicht abgetragen wird, gestattet Kantungen „wie mit dem Lineal gezogen“. Diese bewährte Technik kommt vorzugsweise im Rahmen der Vorfertigung auf einem CNC-Bearbeitungszentrum oder einer Plattensäge zum Einsatz, es lassen sich aber mit einfachen Mitteln (Handmaschine und Führungsschiene) überzeugende Ergebnisse auch noch vor Ort auf der Baustelle erzielen.
Bei der Materialwahl spielte das Anschmutzungsverhalten der Fassadenelemente eine große Rolle. Die aufsehenerregenden Spiegelungen würden schnell ihre Attraktivität einbüßen, wenn die zurückgeworfenen Bilder der Natur schon bald trübe und unansehnlich ausfielen. Im Fall des „Casa Invisible“ kam ein hochentwickelter Lack des Herstellers 3A Composites (Oberfläche NaturAL Reflect) zum Einsatz. Der Lack besitzt eine hohe Haltbarkeit und UV-Stabilität. Zudem reicht in der Regel ein kräftiger Regenguss aus, um die Fassade zu reinigen.
Dies ist im Fall der „Casa Invisible“ von Vorteil, denn nur eine blanke Fassade bringt den Effekt, den sich die Architekten und Planer von dem Objekt erhofft haben. Eine Spiegelfassade, die das Gebäude unsichtbar erscheinen lässt.
AutorKay Rosansky betreibt das Redaktionsbüro rosanskypresse in Verl und unterstützt Alucobond bei der Pressearbeit.
Bautafel (Auswahl)
Projekt Casa Invisibile, das unsichtbare Haus
Architekt Delugan Meissl Associated Architects, A-1040 Wien, www.dmaa.at
Verantwortlich für die Planung/ Bauleitung Gerhard Gölles
Verarbeitung Fassade Kern Metalltechnik GmbH, 8075 Hart bei Graz
Holzbau Sporn Holzbau, Gasteigweg 4,
A-5400 Hallein, www.sporn.at
Produzent für die zukünftige Fertigung List smart results GmbH, A-2842 Edlitz-Thomasberg,
Planungsbeginn Februar 2013
Fertigstellung Juli 2013
Nutzfläche gesamt 45 m²
Bruttogrundfläche 50 m²
Herstellerindex (Auswahl)
Aluminium-Verbundplatte Alucobond, 3A Composites GmbH, 78224 Singen/Hohentwiel
Konstruktion, Decken-, Dach- u. Wandkonstruktion
KLH Massivholz GmbH, A-8842 Teufenbach-Katsch