45 Grad in Richtung Sonne

Neubau der Hahn+Kolb Gruppe in Ludwigsburg mit Photovoltaik-Modulen belegt

Der Neubau der Hahn+Kolb Gruppe in Ludwigsburg wurde in einer außergewöhnlichen Geometrie erstellt: Die mit 45° geneigte Südfassade der Unternehmenszentrale ist vollflächig mit Photovoltaik-Modulen belegt. Abgedichtet wurde das Dach des neuen Firmengebäudes mit Kunststoffdachbahnen.

Der Neubau der Unternehmenszentrale des Werkzeug-Dienstleisters Hahn + Kolb Gruppe in Ludwigsburg ist ein architektonisches Highlight in der Region. Am vorherigen Standort in Stuttgart-Feuerbach war das Unternehmen mehr als 100 Jahre ansässig, doch die fehlende Kapazitäten vor Ort machten eine Erweiterung unmöglich. Das neue Areal bot hingegen ideale Voraussetzungen für einen Neubau. Innerhalb von 15 Monaten wurden ein modernes Logistik-Zentrum sowie ein Verwaltungsgebäude auf einem insgesamt 48 000 m2 großen Grundstück errichtet.

Die neuen Gebäude von Hahn + Kolb (eine Tochter der Würth-Gruppe) wurden in einer außergewöhnlichen Geometrie entworfen: Von Süden nach Norden dynamisch ansteigend, mündet das knapp 20 m hohe Vertriebszentrum in einem kristallinen Glaskörper. Die nach Norden gerichtete, bis zum Boden reichende Dachfläche dient zudem als Freitreppe zum Loungebereich im ersten Obergeschoss. Eine absolute Besonderheit sind die um 45 Grad – ebenfalls bis zum Boden  – geneigten Südfassaden, welche vollflächig mit Photovoltaikelementen bestückt sind. Aus statischer Sicht war die individuelle Geometrie des Vertriebs- und Technologiezentrums eine Herausforderung: Die massiven Schrägfassaden sind architektonische Besonderheit und zugleich die fundamentalen Elemente des Tragwerks. Wie auch die restlichen Dachflächen wurden die Steilfassaden mit Kunststoffbahnen von Sika abgedichtet.

Abwechslungsreiche Begrünung

Die insgesamt 3600 m2 große Dachfläche teilt sich auf sechs unterschiedliche Einzelflächen auf. Zunächst wurden auf allen Flächen bituminöse Dampfsperren und Wärmedämmungen angebracht. Bei den waagrechten Hauptdachflächen setzte man anschließend die Kunststoffbahn „Sarnafil TG 66-20“ ein. Da diese Dächer im Anschluss intensiv und extensiv begrünt wurden, musste die Dachabdichtung hier besonderen Anforderungen entsprechen: Sie ist in hohem Maße gegen Wurzeln, Rhizome und mechanische Einwirkungen beständig, daher eignet sich die FPO-Kunststoffdachbahn besonders für Auflastdächer mit ­Begrünung. Sie ist aus flexiblem Polyolefin, weichmacherfrei, langlebig und recycelbar und damit ökologischer als andere Produkte. Die Dachabdichtung wurde lose verlegt, bevor abschließend gepflanzt wurde – Sedum auf der extensiv begrünten Dachfläche und auf der intensiv begrünten Dachfläche verschiedene Bäume, Sträucher, Stauden und Lavendel. Die insgesamt 1650 m2 große Dachbegrünung passt optisch zur großen Grünzone mit einheimischen Bäumen und Biotopen auf dem Gelände.

Industriekletterer dichteten Steilfassaden ab

Den Höhepunkt der Verlegearbeiten bildeten die Steilfassaden an der Südseite des Verwaltungsgebäudes. Die Neigung um 45 Grad war eine besondere Aufgabe für den Berliner Dachdeckerbetrieb Dachland GmbH – die Dachdecker mussten angeseilt arbeiten und eine spezielle Schutzausrüstung tragen. Ein Großteil der Dachland-Mitarbeiter besitzt bereits eine Ausbildung zum Industriekletterer, beste Voraussetzungen für anspruchsvolle Dachflächen. Vor allem bei der Nahtverbindung mittels Heißluftverschweißung kam es auf eine zuverlässige Sicherung der verwendeten Geräte und der Dachdecker an. Im perfekt eingespielten Team von Dachland konnte sich hier jeder auf den anderen verlassen. Um auch in einer Höhe von bis zu 20 m beste Verlegeleistung zu erbringen, mussten noch weitere Herausforderungen gemeistert werden: Die Dachbahnen sollten komplett am Stück verlegt werden, um so viele einzelne Zuschnitte rund um die nachträglich angebrachten Stützenfüße der Photovoltaik-Anlage zu vermeiden. Dies war bei der 45 Grad-Neigung jedoch keine leichte Aufgabe. Die Handwerker mussten zusätzlich mit Kanthölzern als Verlegehilfe arbeiten, damit die Dachbahnen beim Ausrollen nicht abrutschen konnten. Außerdem fertigten die Dachdecker vorab immer zwei Bahnen vor, um die Anzahl der Nähte am Dach so gering wie möglich zu halten. Wegen der steilen Dachneigung wurde hierfür die Kunststoffdachabdichtung des Typs „Sarnafil TS 77-20 E“ verwendet. Sie eignet sich für mechanisch befestigte Dächer mit Dachneigungen über 20 Grad und weist darüber hinaus einen erhöhten Brandschutz auf. Die 2 mm dicke Kunststoff-Dachbahn aus flexiblem Polyolefin ist auch wegen ihrer Langlebigkeit die ideale Abdichtung unter einer Photovoltaik-Anlage.

Detailarbeit für PV-Anlage

Nachdem die Kunststoffdachabdichtung Stück für Stück mechanisch befestigt wurde, stand die Detailarbeit an: Da die Stützenfüße für die Photovoltaik-Anlage nachträglich angebrachte wurden, musste die Dachbahn für den Einbau der Photovoltaik-Halterungen an insgesamt 170 Stellen wieder vorsichtig aufgeschnitten werden. Die anschließende erneute Abdichtung erfolgte mittels vorgefertigter Rohreinfassungen, die jeweils über die Halterungen gestülpt wurden und per Heißluftverschweißung einen homogenen Verbund mit der Abdichtung eingingen. So wird sichergestellt, dass auch die Steilfassaden dauerhaft dicht bleiben. Im letzten Schritt montierten die Handwerker die rahmenlosen Photovoltaikmodule von Würth Solar. Die Energiefassade liegt nun wie eine Haut über beiden Gebäudeteilen und sorgt für einen jährlichen Stromertrag von 88 000 kWh. Zudem wird das gesamte Gebäudekonzept in Teilen Aspekten der Nachhaltigkeit gerecht: Mit Betonkern aktivierten Klimadecken wird im Sommer mit Wasser umweltfreundlich gekühlt, in dem das Wasser im Erdreich abgekühlt wird. Im Gebäude entstanden helle Arbeitsplätze durch die haushohen Glasfassaden, Dachfenster und ein großzügiger Lichthof sorgen für ideale Arbeitsbedingungen und eine optisch gelungene Integration in die Umgebung.

Professionelle Unterstützung rund um die Baustelle

Die Sika Deutschland GmbH bot als Hersteller der Dachabdichtung bei diesem außergewöhnlichen Projekt professionelle Unterstützung für alle am Bau Beteiligten. Dazu zählten die Windlastberechnung und die Erstellung von Befestigungsplänen für die unterschiedlichen Dachflächen. Ferner wurde Dachland Berlin regelmäßig und individuell von den Sika-Anwendungstechnikern auf der Baustelle betreut.

Den Umzug in die neue Unternehmenszentrale haben die rund 300 Mitarbeiter in nur wenigen Wochen gemeistert. Im Herbst 2013 wurde schließlich die große Eröffnung des neuen Vertriebs- und Technologiezentrums gefeiert.

Autor

Claus Schurr ist Gebietsleiter „Technik und Verkauf Roofing Region Süd“ bei der Sika Deutschland GmbH in Stuttgart.

Die um 45 Grad geneigten Südfassaden sind vollflächig mit PV-Elementen bestückt

Die Dachdecker mussten bei einer Neigung um 45 Grad angeseilt arbeiten und eine spezielle Schutzausrüstung tragen

Bautbeteiligte (Auswahl)

Bauherr  Grundstücksgesellschaft Waldäcker, Ludwigsburg

Dachdecker Dachland GmbH, Berlin, www.dachland-berlin.de 

Architekten Architekturbüro Erich Kalis, Künzelsau

SHA Sigrid Hintersteininger Architects, Stuttgart

Produkte und Hersteller (Auswahl)

Dachabdichtung „Sarnafil TG 66-20“, „Sarnafil TS 77-20 E“, Sika Deutschland GmbH, www.sika.de

Photovoltaik „GeneCIS 70W“-Modul, Würth Solar,

www.wuerth.de

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