Upcycling im Handwerk
In der heutigen Zeit ist es für Handwerksbetriebe schwierig, die Balance zwischen Innovation und Tradition zu finden. Im Interview spricht Zimmerer Moritz Bacher über seine Leidenschaft für das Upcycling und darüber, wie die Handwerkstradition auch in einer digitalisierten Welt relevant bleibt.
Deine Leidenschaft für alte Dinge und sinnvolles Recycling scheint in der Familie zu liegen. Kannst du mehr darüber erzählen, wie deine Großeltern dich beeinflusst haben?
Moritz Bacher: Mein Opa ist Antiquar und hat viel mit alten Gegenständen und Möbeln zu tun gehabt. Meine Oma sammelt leidenschaftlich Stühle und zwei meiner Onkel sammeln und handeln hobbymäßig mit Antiquitäten. Ich denke, man kann sagen, dass ich „Upcycler-Gene“ habe. Meine Eltern hingegen sind das Gegenteil: Was nicht gebraucht wird, muss weg. Zum Glück haben wir viel Platz und eine große Scheune. So konnte ich schon früh beginnen, Dinge einzulagern. Mittlerweile sehen meine Eltern, dass Gegenstände und Möbel durch meine Arbeit ein neues Leben bekommen und oft schnell einen neuen Besitzer finden.
Wie kamst du ursprünglich auf die Idee, alte Skateboards upzucyceln?
Vor fünf Jahren entstand aus der Idee, einer Freundin zum Geburtstag neben einer Flasche Wein einen selbstgemachten Korkenzieher zu schenken, das erste Upcyclingprojekt aus alten Skateboards
Foto: Moritz Bacher
Zwei meiner großen Hobbies sind Skateboardfahren und das Arbeiten mit Holz. Vor etwa fünf Jahren brauchte ich ein Geburtstagsgeschenk für die Freundin eines meiner besten Freunde. Ich wollte eine Flasche Wein mitbringen und dachte mir: Warum nicht einen Korkenzieher aus recycelten Skateboards bauen? Gesagt, getan: Das Feedback auf der Party war so gut, dass ich begann, mehr alte, kaputte Skateboards upzucyceln und mir einen Social-Media-Account zuzulegen, um meine Leidenschaft zu teilen. Dort war das Feedback ebenfalls sehr positiv, was mich weiter motivierte.
Die Leidenschaft für die Restaurierung alter Möbel und das Upcycling wurde Moritz Bacher früh mitgegeben – sein Großvater betreibt ein Antiquariat
Foto: Daniel Dückminor
Du bist gelernter Zimmerer. Welche Techniken aus dem Zimmererhandwerk nutzt du bei der Restaurierung alter Möbelstücke oder dem Upcycling von Skateboards?
Ich habe eine Zimmererlehre absolviert und anschließend Holztechnik in Rosenheim studiert. Beide Erfahrungen haben mir sehr geholfen. Ich habe den Umgang mit verschiedenen Werkzeugen gelernt und weiß, welches Werkzeug für welche Aufgabe am besten geeignet ist. Zudem habe ich ein Bewusstsein für die Gefahren bei der Verwendung von elektrischen Maschinen entwickelt. Mein Studium hat diese Kenntnisse vertieft. Bei der Restaurierung von Möbelstücken oder dem Neubau von Möbeln aus alten Skateboards greife ich gerne auf klassische Holzverbindungen zurück, die ihren Ursprung im Schreiner- und Zimmererhandwerk haben.
Wie wichtig ist dir gute Arbeitskleidung?
Gute Arbeitskleidung ist für mich im Handwerk sehr wichtig. Beim Arbeiten mit Holz und Metall wird die Kleidung extrem beansprucht. Mein Lieblingsstück ist eine Weste von Carhartt, die ich oft über meiner normalen Arbeitskleidung trage.
Gibt es bestimmte Ausrüstungsgegenstände oder Kleidungsstücke, ohne die du nicht arbeiten könntest?
Ein „Must Have“ bei meiner täglichen Arbeit ist ein Bleistift mit manuellem Minenvorschub und Halterung für die Arbeitshose, ein Meterstab und meine leichte Weste mit vielen Taschen für kleines Werkzeug, wenn es die Temperaturen zulassen.
Welche Empfehlungen hast du für junge Menschen im Handwerk, wenn es um die Auswahl der richtigen Arbeitskleidung geht?
Ich empfehle allen Handwerkern, sich Arbeitskleidung zuzulegen, die zur Tätigkeit passt, zum Beispiel Hosen mit verstärkten Kniepolstern für Fliesenleger oder Hosen mit Schnittschutz im Forstbereich. Die Arbeitskleidung sollte bequem sein, da man viel Zeit darin verbringt. Preis und Leistung sollten ebenfalls passen. Es lohnt sich, den Chef oder Ausbilder um Erstattung oder Zuzahlung der Kosten zu bitten, da die Sicherheit der Mitarbeitenden jedem Betriebsinhaber am Herzen liegen sollte.
Moritz Bacher ist in den sozialen Medien sehr aktiv und teilt dort seine Erfahrungen, schätzt aber auch die Traditionen des Handwerks
Foto: Daniel Dückminor
Wie siehst du die Zukunft des Handwerks in einer zunehmend digitalisierten und automatisierten Welt?
Definitiv ein zweischneidiges Schwert. Man sollte als Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit der Zeit gehen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Das bedeutet, in neue Technik zu investieren und den Mitarbeitenden die Möglichkeit zu geben, sich fortzubilden. Trotzdem finde ich es wichtig, dass das Handwerk seine Traditionen bewahrt. Ohne Handarbeit geht es nicht, trotz CNC, Laser und 3D-Drucker. Ich bin stolz darauf, Zimmerer zu sein, und finde, dass jeder handwerkliche Beruf ehrenwert ist. Jeder kann stolz darauf sein, etwas zu erschaffen, zu bauen oder zu kreieren.
Wie kann man deiner Meinung nach mehr junge Menschen dafür motivieren, eine handwerkliche Ausbildung zu beginnen?
Der Hauptgrund, warum man arbeiten geht, ist für viele: Geld zu verdienen. Genau hier müsste man ansetzen. Junge Leute müssen das Gefühl bekommen, dass es sich lohnt, einer körperlich anstrengenden Arbeit nachzugehen. Ein Erlass der Studiengebühren oder BAföG ohne Rückzahlung für alle, die vor dem Studium eine Lehre absolvieren, wäre eine Möglichkeit. Aufklärung über Werbung und Social Media könnte ebenfalls helfen. Es ist wichtig, zu zeigen, dass eine handwerkliche Ausbildung kein Nachteil ist. Auch die Integration junger Menschen mit Migrationshintergrund könnte durch weniger Bürokratie erleichtert werden und die Sprache würde sich in einer Ausbildung schneller erlernen lassen. Content-Creator können junge Menschen ebenfalls beeinflussen. Ich versuche, beispielsweise, meine Handwerksvideos lustig zu gestalten, um zu zeigen, dass Handwerk Spaß macht.
Mehr über die Upcycling-Projekte und die Arbeit von Moritz Bacher erfahren Sie unter: www.instagram.com/2ndlife_mfr.[Link auf https://]
AutorinMareen Eichinger ist Inhaberin der Agentur „macheete“ für PR, Social Media und digitales Marketing in Berlin.