Stabil in Schräglage
Kubische Konstruktion der Neuen Akademie des Jüdischen Museums in BerlinDas Gebäude lässt sich als „Herausforderung in Holz“ bezeichnen: kühne kubische Konstruktionen – ausgeführt als „Haus-am-Haus“- und „Haus-im-Haus“-Konzept. Den Entwurf von Star-Architekt Daniel Libeskind für die Neue Akademie des Jüdischen Museums in Berlin verwirklichte ein erfahrenes Zimmerer-Team.
Es war eine Baustelle, die sich ständig im Blickpunkt von Politik und Öffentlichkeit befand und in der Ausführung besondere Erfahrungen und Qualitäten erforderte: Die Skizzen von Architekt Daniel Libeskind gaben für den Neubau der Akademie des Jüdischen Museums in Berlin einen schrägwandigen Würfel als Eingangshalle und zwei weitere ähnliche Kubenformen als Räume innerhalb einer ehemaligen Blumengroßmarkthalle vor.
Das vorgegebene Werkmaterial bestand bewusst in Seekisten-Optik in Nicht-Sicht-Qualität, mit OSB-Platten und Brettsperrholz sowie Ausbau-Platten aus Vollholz. Im Außenbereich kam bei den Verkleidungen Accoya-Holz, zum Innenbereich hin Radiata-Kiefernholz zum Einsatz.
Zimmermeister Felix Harth aus Ingelheim am Rhein bekam den Zuschlag nach dem Bieter-Wettbewerb. „Freude, Begeisterung, aber auch tiefes Durchatmen, das waren die ersten Reaktionen, als wir vom Zuschlag hörten“, erinnert sich der Zimmermeister. Dann musste aber auch schon an die Umsetzung gedacht werden.
Zuvor hatte er mit seinem Team bei einem anderen Berliner Bauprojekt erfolgreich mitgearbeitet, es ging dabei um die Instandsetzung von Kolonnaden und Kuppelkonstruktionen. „Aber ein Neubau der Akademie des Jüdischen Museums, größtenteils innerhalb eines bestehenden Gebäudes – das war natürlich eine ganz andere Herausforderung. Vor allem, weil wir als Zimmerer natürlich eine klare Linienführung und eine stabile Statik umsetzen mussten“, erinnert sich Zimmermeister Harth.
Vorgaben, Vorarbeiten, Voraussetzungen
Die bindenden Vorgaben vom Architekten Daniel Libeskind legten dagegen bis zu 20 Grad schräge Wandflächen der Holzwürfel fest! Mit dieser seh- und fühlbaren Darstellungsweise soll an die zahllosen, eben nicht gerade verlaufenden Schicksale und Lebensläufe, Fahrten, Fluchten, Wanderungen und Vertreibungen jüdischer Menschen erinnert werden. Für die vielen Zeugnisse davon sollen die beiden innen liegenden Kuben als „Sammlungsorte“ dienen. Sie vereinen das Archiv, die Bibliothek, Bildungs- und Informationsvermittlung mit Medien und privaten Familiennachlässen.
„Dieses gedankliche Umsetzen in Material, Optik und Ausführung seiner Konstruktionen ist für Libeskind das A und O. Daher auch in diesem Fall der bewusste Einsatz von nicht so hochwertigen Holzoberflächen bei den Brettsperrholz-Platten (7-lagig, 20 cm dick) sowie bei der Innenwandverkleidung mit der amerikanischen Kiefer Radiata Pine“, erläutert Zimmermeister Felix Harth.
Trotzdem musste die künftige Beständigkeit dieser „unedlen“ Kuben-Konstruktionen sichergestellt sein. Nach entsprechender Bemusterung der vorgegebenen Holzwerkstoffe entschied sich Harth mit einem Firmen-Fachvertreter schließlich für folgendes Vorgehen: Die Abschlussbeschichtung der Holzfassade vom außen liegenden Würfel sollte – trotz der Schalung mit Accoya-Holz – mit der farblosen „Holzschutz-Creme“ gestrichen werden, das Finish der beiden innen liegenden Holzwürfel mit „Hartwachs-Öl“. Beide Produkte lieferte der Hersteller Remmers aus Löningen. Nach der Musterbesichtigung gab Architekt Libeskind dafür sein „OK“.
Bei der „Holzschutz-Creme“ handelt es sich um eine lösemittelbasierte, transpartente Premium-Holzschutz-Lasur. Das dünnschichtige und diffusionsoffene Produkt dringt äußerst tief ein und schützt das Holz vor Feuchtigkeit, holzverfärbenden Pilzen (Bläue) und holzzerstörenden Pilzen (Fäulnis).
Das „Hartwachs-Öl“ wurde hauptsächlich für Holzfußböden und Treppen im Innenbereich konzipiert. Da es aber genauso zum Veredeln hochwertiger Massivholzmöbel, Paneele und Leisten verwendet werden kann, wählte es Zimmermeister Harth für die natürlich anmutende Veredelung der Wände der beiden inneren Holzwürfel aus.
Montage und Logistik
Eine große Schwierigkeit war die Statik: Der Bestandsbau, ein ehemaliger Blumengroßmarkt, entstand Anfang der 1960er Jahre. Um die Blumen zu lagern und zu kühlen, wurde ein riesiger Kellerraum gebaut, dessen Decken allerdings statisch nicht sehr belastbar waren.
So erforderte vor allem das technische Umsetzen dieses Libeskind-Planungsteils – mit zwei schrägen Holzwürfeln als Häuser im Haus – einen nicht ungefährlichen und eingeschränkten Einsatz der beiden Krane, denn der Boden konnte während des Baus nur begrenzt und abschnittsweise belastet werden. Dies war – zusammen mit den Anschlüssen der schrägen Holzwandelemente – für die Zimmerleute die größte Herausforderung.
Im Innenbereich des ehemaligen Blumengroßmarktes wurden von den Zimmerern großformatige BSP-Elemente gestellt. Als Deckenträger kamen Furniersperrholz-Träger zum Einsatz, die große Spannweiten überbrücken können (Kerto S-Träger von Finnforest Merk).
Die an den Wänden angebrachte vorgehängte hinterlüftete Fassade wurde mit Aluminiumwinkeln als Abstandshalter vorbereitet. Auf die Mineralfaser-Dämmung bekam der Aufbau eine windichte Fassadenbahn. Die Konterlattung wurde an die Aluminiumwinkel geschraubt, die senkrechte sichtbare Schalung (Kiefer Radiata Pine) wurde im letzten Schritt mit Edelstahlschrauben befestigt.
Im Vergleich dazu erschien – zumindest aus statischer Sicht – die schräglagige Holzwürfel-Konzeption der Eingangshalle einfach. Die Wand- und Deckenelemente wurden in BSP-Bauweise geplant und ausgeführt. Auf das Dach des Außenbereiches wurde zunächst eine wasserdichte Vordeckbahn verlegt. Danach wurde von den Handwerkern eine Bitumenschweißbahn aufgebracht, darauf eine Lattung (die als Opferlattung fungiert und ebenfalls mit der Schweißbahn eingedichtet ist). Diese Bahn fungiert als wasserführende Schicht, Ablaufrinnen sind nicht vorhanden. Die Entwässerung verläuft so nicht sichtbar unter der Fassade. An die Lattung wurden Aluminiumwinkel als Abstandshalter befestigt, an diesen ist dann die Holzschalung aus amerikanischen Kiefer Radiata Pine (im Acetylierungsverfahren zu Accoya-Holz veredelt) mit Schattenfuge montiert. Als Endbeschichtung wurde wie oben erwähnt die „Holzschutz Creme“ verwendet, damit soll vor allem der Vergrauung vorgebeugt werden.
Mit dem Neubau ist Architekt Libeskind eine symbolträchtige Geste gelungen. Die drei geneigten Kuben sollen einerseits an Transportkisten erinnern, andererseits an die Arche Noah. Sie symbolisieren die Überlieferung der Vermächtnisse, die dem Jüdischen Museum Berlin aus aller Welt zugehen und die in der Akademie bewahrt und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen. Der Holzbau war prädestiniert für dieses Projekt, die Ausführung eine Herausforderung, der sich die Zimmerleute gerne und mit Bravour stellten.
Autor
Jürgen Dirkes ist Produktmanager Holzschutz und Holzveredelung bei der Remmers Baustofftechnik GmbH in Löningen.
„Es gab Freude und Begeisterung, nachdem wir den Bieter-Wettbewerb gewonnen hatten, aber auch Respekt vor der Umsetzung“
Im Internet finden Sie einen Film vom Bau der Akademie des Jüdischen Museums in Berlin. Geben Sie hierzu bitte den Webcode in die Suchleiste ein.
Baubeteiligte (Auswahl)
Projekt Neue Akademie des Jüdischen Museums, 10969 Berlin,
Auftraggeber Stiftung Jüdisches Museum,
10969 Berlin
Architekt Daniel Libeskind
Bauzeit August 2010 bis Mai 2013
Ausführendes Zimmererunternehmen Felix Harth, 55218 Ingelheim/Rhein
Produkte Innenwände: „Hartwachs-Öl“,
Außenwände: „Holzschutz-Creme“, Remmers-Baustofftechnik, 49624 Löningen, www.remmers.de
Holzprodukte Kerto Furnierschicht-Träger
(ehemals Finnforrest Merk, heute Merk Timber GmbH, 86551 Aichach)
Accoya-Holz
Accoya-Holz ist acetyliertes Holz, das in einem Verfahren der chemischen Holzmodifikation mit Essigsäureanhydrid behandelt wurde, um die Besiedlung durch holzzerstörende Pilze oder Insekten zu erschweren und so seine gebrauchstaugliche Einsatzdauer im Außenbereich zu verlängern. Durch die Acetylierung wird die natürliche Dauerhaftigkeit des Holzesdeutlich verbessert. Ein Herabsetzen der maximalen Gleichgewichtsfeuchte auf 10 bis 20 Prozent bei acetyliertem Holz verhindert die für das Pilzwachstum erforderliche Mindestholzfeuchte. Verschiedene Hölzer können durch Acetylierung vollständig gegen Braun-, Weiß- oder Moderfäule geschützt werden und eine Dauerhaftigkeitsklasse von 1 erreichen.
Die Acetylierung kann den photochemischen Verwitterungsvorgang im Holz (also zum Beispiel an der sonnenzugewandten Seite dunkelfarbige Abbauprodukte) nicht aufhalten, ihn jedoch etwas hinauszögern.