Neues Leben in alten Speichern

Sanierungsarbeiten auf den Dächern des Blocks X in der Hamburger Speicherstadt

Die Speicherstadt in Hamburg ist mit ihren neugotischen Architektur und der lebendigen Kulturszene ein Besuchermagnet der Hansestadt. Kürzlich wurde der Block X des Lagerhaus-Ensembles nach den Anforderungen des Denkmalschutzes saniert. Dabei wurde auch die Dachhaut erneuert.

Kaum ein anderes Quartier in Hamburg steht exemplarisch für die Freie und Hansestadt wie die zwischen neuer Hafencity und alter Innenstadt gelegene Speicherstadt. Dank neugotischer Backsteinarchitektur, lebendiger Kultur- und Ausstellungsszene und nächtlicher Illumination ist die Speicherstadt heute der Besuchermagnet schlechthin. Um dem stetig steigenden Anspruch an Bautechnik und Gebäudeausstattung Rechnung zu tragen, wird der Gewerbekomplex seit Jahren abschnittsweise umfassend saniert – zuletzt der Block X des Lagerhaus-Ensembles. Hierbei galt es sowohl den Anforderungen des Denkmalschutzes wie auch denen der modernen Bautechnik und des wirtschaftlichen Betriebes gerecht zu werden. Der Speicher Block X ist in zwei Bauabschnitte unterteilt, im ersten Abschnitt wurde die Gebäudehülle, sprich die Fassade sowie das Dach saniert. Im Gebäude selbst modernisierte man die Treppenhäuser sowie die Aufzugsanlagen.

Vereinbarung von Tradition und Moderne

Wie bei den vorhergehenden Sanierungen der Dächer in der Speicherstadt betreute Alexander Haffki, Bauplanung und Realisierung bei der HHLA (Hamburger Hafen und Logistik Aktiengesellschaft), die durchgeführten Maßnahmen. Ausgangssituation bei dem Dach des Block X war folgende: Aufgrund der baulich vorgegebenen Brandabschnitte unterteilt sich die rund 1000 m2 große Dachfläche in drei Dachteilflächen. Die mit 11 Grad Dachneigung ausgebildeten Satteldachflächen werden durch 150 cm hohe Brandwände voneinander getrennt. Diese wurden bereits zu einem früheren Zeitpunkt mit einer Doppelstehfalzdeckung in Kupfer bekleidet. Dennoch galt es, die Brandwände fachtechnisch einwandfrei in die neue Flächenabdichtung der Satteldächer einzubinden. Die Entwässerung der Dachflächen erfolgt über traufseitige Kastenrinnen. Beide Traufseiten werden durch unterschiedlich dimensionierte Dachaufbauten wie Zier- und Fluchttürme sowie Windenhäuser unterbrochen. Dazwischen sind schmiedeeiserne Geländer zur Absturzsicherung angeordnet.

Den gestiegenen Ansprüchen anpassen

Ziel der mittlerweile abgeschlossenen Teilsanierung war neben der Erstellung eines weitgehend wartungsfreien Daches auch die deutliche Verbesserung des Wärmeschutzes. Um die Ansicht des Dachstuhls von unten zu erhalten, entschied man sich im Bereich der Satteldachflächen für einen Warmdachaufbau oberhalb der Sparren. Alle übrigen Flächen, die sich aus den zahlreichen Aufbauten ergeben, wurden oberhalb der obersten Geschossdecke gedämmt. Aufgrund des Anhebens der Abdichtungsebene ergaben sich an allen aufgehenden Bauteilen neue Anschlusshöhen. Auch die traufseitigen Kastenrinnen mussten komplett neu angelegt und zusätzlich fleetseitig in das Backsteinmauerwerk der Fluchttürme eingearbeitet werden (die norddeutsche Bezeichnung Fleet steht für die noch vorhandenen Wasserverbindungen in Hamburg. Mit der Fleetseite ist die Hausseite, die dem Wasserlauf zugewandt ist, gemeint).

Historische Ausgangslage

Nach dem Großbrand in Hamburg im Jahre 1842 wurden fast alle Dächer aus Brandschutzgründen mit Schiefer aus Wales gedeckt, dem sogenannten Penryhn-Schiefer. Auch die Dächer der erst 1885 begonnenen und 1927 komplett fertiggestellten Speicherstadt erhielten eine Schieferdeckung. Jedoch wandelte sich im Laufe der Zeit das Deckmaterial. Heute finden sich vor allem Kupfer und Bitumen als Deckmaterialien. Aber auch Schiefer ist auf einigen Dachflächen noch vorhanden. Bei der Sanierungsplanung galt es zu entscheiden, welches Material zur Abdichtung der Satteldachflächen zum Einsatz kommen sollte. Dabei waren neben den denkmalpflegerischen Aspekten auch Fragen der Wirtschaftlichkeit in der Verarbeitung und Nutzung sowie der funktionalen Eigenschaften von Bedeutung. Aufgrund durchweg positiver Erfahrungen mit dem Werkstoff bei früheren Sanierungen, brachte Alexander Haffki die Dach- und Dichtungsbahn Evalon vom Unternehmen Alwitra in die Diskussion. Neben der reinen Materialfrage spielte auch die Farbgebung eine nicht unwesentliche Rolle.

„Um nach der Fertigstellung der Dachflächen eine harmonisch gleichmäßige Dachlandschaft präsentieren zu können, haben wir vorab mehrere Musterflächen mit verschiedenen Farbtönen verlegt, um in Zusammenarbeit mit dem verantwortlichen Denkmalschutz eine gemeinsam einvernehmliche Gestaltung für diese und auch weitere Sanierungsmaßnahmen festzulegen“, erläutert Alexander Hafki. „Am Ende haben wir uns dann bewusst für einen speziellen „Grün-Ton“ entschieden, um einen deutlichen Akzent zu setzen. Außerdem harmoniert das Grün der Dachbahn besser mit der Kupferpatina der Doppelstehfalzdeckung.“

Interessante Materialkombination

Alle übrigen Abdichtungen, Anschlüsse und Details wurden in Kupfer ausgeführt. Einzig die komplizierte Einbindung der Absturzsicherungsgitter in die Dachabdichtung erfolgte später mit Flüssigkunststoff in passender Farbe. Die Materialkombination von unterschiedlichen Stoffen ist dann regelgerecht, wenn sie von den jeweiligen Herstellern geprüft wurde. Im aktuellen Beispiel liegt diese Materialverträglichkeit mit Dichtfunktion seit Jahren vor.

Ein weiterer wichtiger Schritt zur Sanierung der Dachflächen war die umfassende Untersuchung des Dachstuhls. In Rahmen eines Holzgutachtens wurde unter anderem überprüft, inwieweit die Trag- und Schalhölzer sowie die im Mauerwerk liegenden Balkenköpfe geschädigt sind. Natürlich tauschte man defekte Hölzer komplett aus. Insgesamt betraf dies jedoch nur etwa fünf Prozent des gesamten Dachstuhls.

Zahlreiche Details

Mit der Ausführung der kompletten Dachsanierung einschließlich aller Klempnerarbeiten wurde die Friedrich Lindemann GmbH & Co. KG aus Dannenberg beauftragt. Damit die Dachdecker die Flächenabdichtung fachgerecht an den vorhandenen Brandwänden anschließen konnten, musste hier zunächst die Doppelstehfalzbekleidung bis zur erforderlichen Arbeitshöhe entfernt werden. Sowohl die Dampfsperre wie auch die Elastomerbitumenbahn wurden dann im Zuge der Sanierung entsprechend an der Brandwand hochgeführt. Die Fixierung erfolgte anschließend mit einem Verbundblech. Es bildet die Grundlage für die Evalon-Anschlussbahn. Diese konnte dank der werkseitigen Kaschierung vollflächig auf dem Verbundblech mittels Heißluft verschweißt werden. Nach Anschluss der Flächenbahn an die Anschlussbahn stellten die Dachhandwerker die Brandschutzmauerbekleidung aus Kupfer wieder her. Das glatte Kupferblech mit Tropfkante nieteten die Handwerker an der vorhandenen Doppelstehfalzbekleidung fest.

Auch alle weitere Aufbauten und Abdeckungen im Dachbereich wurden mit Kupfer ausgeführt. Dazu zählen die unterschiedlichen Windenhäuser und Türme, die allesamt eine Doppelstehfalzdeckung aus Kupfer erhielten. Auch die Abdeckbleche der Wandanschlüsse stellten die Dachdecker aus Kupfer her. Selbst die schweren Luken der Dachausstiege erhielten eine neue Kupferabdichtung und passen sich so homogen in das neue Dachbild ein.

Durchdachte Lösungen

Um die Kastenrinnen an die neuen Anschlusshöhen der Dachfläche anzupassen, waren fleetseitig auch Eingriffe in das Backsteinmauerwerk der Fluchttürme und Aufbauten notwendig. Der Anschluss der Flächenabdichtung an die Kastenrinnen erfolgte ebenfalls mittels kaschierter Evalon-Verbundbleche. Details ergaben sich desweiteren aus den wiederhergestellten Windenhauben in Verbindung mit neuen Wasserab- und -einläufen. Einen besonders kritischen Einlauf stellt ein schmaler Streifen zwischen zwei Aufbauten an der straßenseitigen Traufe dar. Über den gesamten Tagesverlauf liegt dieser Bereich im Schatten, so dass es im Winter zu Eisschollenbildung kommen kann. Dies wiederum verhindert den fachgerechten Abfluss des Wassers von den angrenzenden Dachflächen. „Um an dieser Stelle dauerhaft schadensfrei zu bleiben, kann sowohl der Wassereinlauf wie auch die schmale Dachfläche im Winter beheizt werden“, erklärt Alexander Haffki.

Neben dem Dach und der Backsteinfassade inklusive Fenster wurden im Rahmen der Sanierung auch die Treppenhäuser sowie die dazugehörigen Aufzugsanlagen saniert und auf den neusten Stand gebracht. Nach einer Gesamtsanierungszeit von etwa 12 Monaten bietet der Block X heute aktuelle Technik in einer denkmalgeschützten Hülle.

Autor

Josef Löcherbach ist Produktmanager der Alwitra Flachdachsysteme GmbH & Co. in Trier.

Aufgrund der Anhebung der Abdichtungsebene ergaben sich neue Anschlusshöhen

Um eine gleichmäßige Dachlandschaft zu ­erhalten, wurden vorab Musterflächen verlegt

Neuer Dachaufbau

Für die Satteldachflächen entwickelten die Planer nachfolgenden neuen Aufbau ab Holzschalung oberhalb der Sparren:

Dampfsperre, fachgerecht an alle aufgehenden Bauteile angeschlossen;

Wärmedämmung aus Polyurethan, 115 mm;

kaltselbstklebende Elastomerbitumenbahn als Notabdichtung;

Evalon V 1,5, vollflächig mit Alwitra-Systemklebstoff aufgeklebt und im Bereich der Überlappungen mate­rialhomogen heißluftverschweißt.

Besuchermagnet auf Holzpfählen

Hamburgs städtebauliches Bindeglied zwischen Altstadt und HafenCity ist das weltweit größte Lagerhaus-Ensemble, welches auf Kiefern- und Fichtenpfählen gegründet wurde. Die Speicherstadt wurde im Zeitraum von 1885 bis 1927
erbaut. Treppengiebel, Zinnen und Spitzbögen sind nicht nur einprägsame Stilmittel der Gebäude, sondern auch Tradition der gotischen Backsteinarchitektur der Hansestädte. Auf rund 26 ha verteilt erstreckt sich die Speicherstadt mit rund 1,5 km Länge und 150 bis 250 m Breite. Gleichzeitig wird der Lagerhauskomplex von insgesamt sechs Fleeten durchzogen. Die einzelnen Lagerhäuser haben auf der einen Seite die Anbindung zur Straße, auf der anderen zum Wasser. Auf insgesamt fünf „Böden“ wurde hier vor allem Stückgut wie Kaffee, Tee und Gewürze aber auch Getreide gelagert. Über die am Hausgiebel montierten Seilwinden waren die jeweiligen Geschosse zu erreichen. In den unbeheizten Speichern mit ­Holzböden herrschten weit-
gehend gleichmäßige klimatische Bedingungen. Seit Januar 2003 ist die Speicherstadt aus dem Gebiet des Freihafens herausgenommen worden, seit 1991 steht sie unter Denkmalschutz. Die heutige Nutzfläche umfasst etwa 300 000 m2. Neben Quartiersleuten beherbergt die Speicherstadt bis heute Kaffee-, Tee- und Teppichhändler, aber auch zahlreiche Museen, Agenturen, Mode-Label und Büros.

„Das Schwierigste bei dieser Unternehmung war die Kalkulation“

dach+holzbau: Worin lag aus Ihrer Sicht die größte Herausforderung bei der Dachsanierung des Block X?

Friedrich Lindemann jr.: Das Schwierigste war die Kalkulation. Es war bekannt, dass die Baustelle in den Winter hineingeht. Hier die Zeitwerte richtig zu ermitteln war nicht ganz einfach. Die fachliche Ausführung war kein Problem, da wir sehr gut ausgebildete Mitarbeiter haben.

dach+holzbau: Das Dach umfasst eine Vielzahl von Details. Konnte deren Rea­lisierung schon im Vorfeld festgelegt­ ­werden oder gab es auch „spontane“ ­Lösungen?

Friedrich Lindemann jr.: Gerade bei Sanierungen kann man nicht alles im Vorfeld ­planen. Da kommt es schon vor, dass man sich spontan etwas ausdenken muss.

dach+holzbau: Für viele Dachdecker ist die Kombination von Kupfer und Kunststoff-Dachbahn unvorstellbar. Wie war das für Sie? Haben Sie schon mal in dieser Materialkombination und -gewichtung gearbeitet?

Friedrich Lindemann jr.: Wir haben speziell in der Speicherstadt schon oft mit dieser Materialkombination gearbeitet, darum stellte es für uns kein Problem dar. Hier macht es sich dann auch bezahlt, dass wir unsere Mitarbeiter regelmäßig schulen.

dach+holzbau: Wie lässt sich ein solches Objekt im Vorfeld kalkulieren?

Friedrich Lindemann jr.: Wie schon gesagt, der Einfluss der Witterung war das Hauptproblem. Ansonsten haben wir gerade im Bereich der Sanierung große Erfahrungen. Wir wissen die Leistungen unserer Mitarbeiter sehr gut einzuschätzen, zumal auch wir im Vorfeld vom Auftraggeber sehr gut mit Informationen bezüglich des Bauvorhabens versorgt wurden.

Bautafel (Auswahl)

Objekt Dachsanierung Speicherstadt Hamburg, Block X

Bauherr Hamburger Hafen und Logistik
Aktiengesellschaft (HHLA)

Betrieb Friedrich Lindemann GmbH & Co.
Dannenberg

Material Evalon V 1,5, vollflächig mit Systemklebstoff geklebt

Hersteller Alwitra GmbH, Trier

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