Liebe Leserin, lieber Leser,
Seit dem 1. Oktober dürfen Polystyrol-Dämmstoffe, die den Brandhemmer Hexa-bromcyclododecan (HBCD) enthalten, nur noch so entsorgt (meist verbrannt) werden, dass der gefährliche Stoff zerstört wird.
So weit so gut, denn der Stoff ist gesundheitsgefährdend und wird zurecht als Problemstoff behandelt, der einer entsprechenden Entsorgung zugeführt werden muss. Das heißt, nur zertifizierte Müllverbrennungsanlagen (MVA) dürfen diese Abfälle verbrennen, um die gefährlichen Inhaltsstoffe vollständig zu vernichten.
Doch der Gesetzgeber hat die Rechnung ohne die Handwerksbetriebe gemacht: Seit Oktober entsteht auf den Baustellen und in den Dachdeckerbetrieben der Republik ein Entsorgungsstau, denn nicht alle Müllverbrennungsanlagen wollen den Problemstoff annehmen. Säckeweise stapeln sich die Polystyrolplatten seither bei den Betrieben. Schlagzeilen wie „Wohin mit dem Styropor-Sondermüll“ und „Styropor-Krise bedroht Jobs“ machen die Runde.
Die Umweltministerien der Länder reagierten mit Erlassen, um das Problem in den Griff zu bekommen. In Nordrhein-Westfalen wollten verschiedene MVA Dämmmaterialien mit HBCD bis zu einer Menge von maximal zwei Tonnen annehmen. Doch in Einzelfällen funktioniert das nicht so wie angekündigt. Und spätestens beim Bezahlen merkt der Chef, dass die Kosten bis zu zwei Drittel in die Höhe geschnellt sind.
Eines sollte nun aber auf keinen Fall geschehen: reflexartig Forderungen stellen, die das Gesetz ad absurdum führen. Der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe, Felix Pakleppa, fordert, die Abfallverzeichnis-Verordnung zu ändern, damit die Dämmstoffe, die HBCD enthalten, nicht länger als gefährlicher Abfall eingestuft werden. Eine solch dreiste Forderung ist das gleiche wie die willkürlichen Herauf- oder Herabstufung von Grenzwerten bei anderen (Umwelt)Giften. Aber damit löst man das Problem nicht!
Richtig ist: Dachdeckerbetrieben, die vor allem mit Flachdachsanierungen zu tun haben, muss geholfen werden, den Abfall irgendwo zu lagern, bis eine geeignete Verwertung geklärt ist. Dieses Problem darf nicht einen ganzen Betrieb lahmlegen. Und auch wenn es unpopulär ist: Ich finde es richtig, dass wir nun endlich merken, dass seit Jahren billiger Sondermüll verbaut wird. Das Bauen mit vermeintlich kostengünstigen Baustoffen fällt uns nun auf die Füße, und das müssen wir einfach aushalten oder daraus lernen: Verbraucher, aber auch Sie, stehen in der Pflicht, verantwortlich mit unseren Ressourcen umzugehen. Das beginnt bei der fachgerechten Ausführung, um ein langlebiges Dach zu erstellen, geht über die Frage nach der Vorgehensweise bei einer Sanierung (womöglich muss ein Dach gar nicht rückgebaut werden) und letztlich der Überlegung: Braucht es Polystyrol oder ist eine Alternative möglich?
Eine Forderung, die wir bei unserer Recherche gehört haben, leuchtet mir ein: Sollen doch die Hersteller dieses Problemstoffs den „Müll“ – besser den Wertstoff –, den sie vor Jahren produziert haben, zurücknehmen. Zumindest regt diese Forderung bei mir Gedankenspiele nach einem Pfandsystem an, das wäre im besten Fall ein Beitrag zur Müllvermeidung.
Freuen Sie sich auf eine spannende Lektüre mit diesem Top Thema und mit den neuesten Produkten, die es auf der BAU im Januar zu sehen gibt.
Ich wünsche Ihnen einen guten Jahresabschluss und einen guten Start ins neue Jahr!