Hohe Kuppeldächer in Holzbauweise
In einer ehemaligen Reiterkaserne auf dem Gelände der Kunstakademie in Münster entstanden neue Ateliers. Dafür wurden die bestehenden Dächer abgetragen und neue Kuppeldächer in Holzbauweise erstellt. Umlaufende Lichtbänder zwischen Traufe und Dachfläche sorgen für helle Atelierräume.
Die Kunstakademie Münster ist seit Ende der 1990er Jahre auf dem Gelände und in den Gebäuden einer ehemaligen Reiterkaserne beheimatet. Zu den Bestandsgebäuden auf dem ehemaligen Kasernengelände gesellten sich im Laufe der Jahre Neubauten, die sich klar vom Bestand abheben. Die Neubauten wurden auf dem Platz in der Mitte des Geländes errichtet. Dieser Platz, der früher als Reitplatz gedient hat, wird von einem L-förmigen Gebäuderiegel umschlossen, in dem sich heute Büros und Ateliers befinden.
Einen neuen Weg wollte man mit dem Bau von Ateliers beschreiten, die in den Dachgeschossen zweier „Türme“ entstanden. Der Eingriff in den Bestand sollte so wenig wie möglich auffallen. Große Veränderungen an den Dächern der Türme, die sich im langgezogenen Gebäuderiegel befinden, waren von Seiten der Denkmalpflege nicht gewünscht. Die Architekten standen daher vor der Aufgabe, Räume mit genügend Tageslicht für künstlerisches Arbeiten zu entwerfen, gleichzeitig sollten aber keine Dachfenster eingebaut werden. Die geschlossenen Dachflächen sollten aus Denkmalschutzgründen weiterhin Bestand haben. Der Weg zum Entwurf war steinig, weil das Dach zunächst nicht umgebaut werden sollte. Die alte Dachkonstruktion mit Stützen im Innenraum verhinderte aber das Erstellen eines großen, offenen Raumes.
Kuppeldach statt Pfettendach
Die Planer griffen zu einem interessanten Kniff, der die Dachlandschaft nicht störte und gleichzeitig viel Tageslicht in die großen Räume leitete. Sie fügten ein schräges, umlaufendes Lichtband zwischen Traufe und Dachfläche in die Konstruktion der Dächer ein. Das Lichtband wird nur im Bereich der Anschlussdächer unterbrochen. Außerdem veränderten die Planer das statische System mit dem Neuaufbau grundlegend. Aus einem Pfettendach mit mehreren Stielen wurde eine Kuppelkonstruktion.
Der Bestand war kein besonderes Dach, sondern eine Typenlösung, wie sie in deutschen Kasernen vermutlich oft gebaut wurde. Die Dachstruktur war einfach gehalten, sechs Stützen trugen unregelmäßig über den Raum verteilt einen Teil der Lasten ab. Ursprünglich war in den Räumen das Heu-Lager für die darunterliegenden Ställe untergebracht.
Vorarbeiten am Mauerwerk
Zu Baubeginn wurden die beiden Bestandsdächer komplett abgebrochen. Übrig blieben die Bestandsmauern des Außenmauerwerks mit Ziegeln im Reichsformat. Um auf diese Wände die beiden Kuppeln in Holzbauweise aufsetzen zu können, mussten einige Vorarbeiten am Mauerwerk geschehen. Mit einer Ausgleichslage aus Beton wurde der obere Mauerabschluss ausnivelliert. Auf der nun ebenen Fläche konnten die neuen Dachelemente versetzt werden. Die Betonkante wurde in der Mauerziegelfarbe gestrichen. Durch die Gesims-Konstruktion und die daraus resultierenden Schatten ist sie ohnehin nicht leicht einzusehen, sodass der neue Ring aus Beton kaum auffällt.
Elemente für Dächer doppelt produziert
Zu einer interessanten Lösung griff Architekt Andreas Schüring bei den Abmessungen der Kuppeln. Obwohl der Bestand der beiden Türme in seinen Abmessungen nicht exakt gleich war, so war er doch ähnlich genug, um zwei Mal die gleichen Dachelemente zu produzieren. Als „Spielraum“ nutzten die Planer die breite Auflagerfläche der Bestandswände: Da die gesamte Wandkonstruktion etwa 60 cm dick ist, fand die neue Konstruktion genug Platz, um Toleranzen auszugleichen. Mit diesem Trick konnten auf die zwei Türme die in ihren Maßen jeweils gleichen Kuppeln gesetzt werden.
Neuer Holzbaubetrieb nach monatelangem Baustopp
Doch zunächst folgte auf den Abriss der Baustopp und der Bau stand über einen langen Zeitraum offen. Ein vor dem Rückbau eingebautes Notdach verhinderte das Eindringen von Regenwasser. Über zwei Kernbohrungen konnte das angesammelte Wasser entweichen. Erst acht Monate später ging es mit einem neuen Holzbauunternehmen weiter. Mit dem neuen Partner Holzbau Brüggemann lief das Projekt wie am Schnürchen. Eine umfassende Planung, die bis zur Simulation der Fugenbreitentoleranzen viele Details beinhaltete, führte schließlich zu einem weitgehend reibungslosen Bauablauf.
Glas scheint über Dachrinnen zu schweben
Der nächste Schritt war die Installation der Fachwerkträger. Auf einem Neoprenlager und einem Ringanker aus Furnierschichtholz wurden die Elemente montiert und mit Bolzen im Mauerwerk verankert. Sie übertragen die Lasten der darüber liegenden Dachkonstruktion in das Mauerwerk. Gleichzeitig bilden die diagonal eingebauten Fachwerkträger ein umlaufendes Band mit offenen Flächen. Die Isolierverglasung der umlaufenden Lichtbänder wurde mit Glashalterungen an den Obergurten des Fachwerks befestigt. Unten liegt die Verglasung in einer Halterung an der Traufe auf und scheint über den Dachrinnen zu schweben. Tatsächlich befindet sich hier eine nicht sichtbare Stützkonsole, die am Fachwerk befestigt ist.
Verlegung der rautenförmigen Dachelemente
Über dem Fachwerk wurden auf jedem Turm 24 Dachelemente montiert, die eine freitragende Kuppelkonstruktion ergeben. Sie wurden just in time angeliefert und Stück für Stück versetzt. Dabei wurden die Holzbauer immer schneller. Während sie für die Verlegung der Elemente des ersten Turms noch acht Tage benötigten, war das Dach des zweiten Turms bereits in fünf Tagen komplett montiert. Während der Arbeiten waren Stützgerüste im Inneren des Baus nötig, da das statische System der Kuppel erst mit dem Einbau des letzten Bauteils funktionierte.
Holzrauten bilden statisch eine Kuppel
Die bis zu 22 m langen Dachelemente sind aus „Kerto“-Furnierschichtholz mit Einlagen aus Stahl in den Knotenpunkten gefertigt. Auf einer 27 mm dicken Holzplatte aus Fichten- und Tannenholz wurden dabei im Abstand von 62,5 cm Rippenelemente aufgeleimt. Die Platten wurden in zwei Breiten verbaut: 2,20 m und 1,81 m. Die Holzelemente sind rautenförmig und laufen diagonal über das Dach. Die einzelnen Elemente sind als Scheiben ausgebildet und wurden mit Bolzen verbunden. So entstand am Ende statisch gesehen ein Kuppeldach. Zunächst sollten die Rippen auf der Innenseite liegen und später verkleidet werden, doch dann entschied man sich, die Elemente umzudrehen. Das hatte einen einfachen Grund: Die Bauteile sollten ursprünglich mit Zellulosedämmung gefüllt werden, was vor Ort aber schwierig geworden wäre. Daher montierte man die Elemente so, dass sich die tragende Platte innen befindet und die Rippen oben. Zwischen den Rippen wurden Mineralwolldämmplatten verlegt, die mit Folien überspannt wurden. Darüber montierte man die Konter- und Traglattung.
Hohlziegel aus traditioneller Brennerei
Die beiden Türme waren schon früher farblich unterschiedlich gedeckt. Das nahmen die Architekten wieder auf und entschieden sich auch bei der Sanierung für zwei verschiedene Farbtöne: Ein Dach strahlt im Farbton „naturrot nuanciert“, das andere in „blaugrau gedämpft“. Natürlich konnte auch diese Entscheidung nicht ohne Abstimmung mit der Denkmalpflege erfolgen. Da die alten Dachflächen Patina angesetzt hatten, war der Farbunterschied dort zunächst nicht aufgefallen. Erst die Luftbildaufnahmen verdeutlichten die ursprüngliche Farbgebung.
Mit dem nun verlegten Hohlziegel kam ein historisch korrektes Modell auf das Dach. Die neue Ziegeleindeckung stammt aus der Ziegelei Meyer in Vrasselt am Niederrhein. Aufgrund des Brennverfahrens, bei dem die notwendige Hitze mit Kohle erzeugt wird, entstehen je nach Sauerstoffzufuhr und Oxidationsgrad lebendig wechselnde Farben. Jede Brenncharge variiert farblich zu den anderen. Um ein gleichmäßiges Farbbild in der Verlegung zu erhalten, mussten die Dachdecker bei beiden Türmen Ziegel aus mehreren Paketen parallel verarbeiten.
Innenraum in Sichtholz
Erst nach der Fertigstellung des Daches wurde die Innenraumschale montiert. Hier war die Robustheit des verwendeten Materials gefragt, denn in den Künstlerateliers landet schnell mal ein Nagel in der Wand. Die einfachen Dreischichtplatten, die an den Innenwänden montiert wurden, nehmen das nicht übel – aufgrund ihrer starken Maserung fallen optische Beschädigungen nicht so stark auf.
Hinter den Dreischichtplatten befinden sich ein Holzständerwerk, eine Innendämmung und eine Luftschicht. Die innere Verkleidung wurde verschraubt, die Schrauben wurden sichtbar gelassen. So lassen sich die Platten bei Bedarf einfach austauschen. Ausgespart sind die Bestandsfenster. Sie wurden in das Konzept integriert. Neue, zusätzliche Fensterflügel, die geöffnet werden können, befinden sich an der Innenseite der Wandkonstruktion.
Sichtbare Hölzer sollen unbehandelt bleiben
Spannend ist die Untersicht auf das Dach: Hier ist tatsächlich das Tragwerk zu sehen, auch wenn das rautenförmige Muster den Betrachter leicht in die Irre führen kann. Doch die Maserung des Holzes gibt die Laufrichtung der Elemente vor, die quer dazu laufenden Linien sind lediglich Schattenfugen, die die großen Flächen optisch unterteilen. „Alle Hölzer im Innenraum sind unbehandelt. Die Böden, ursprünglich ebenfalls in Sichtholz, wurden nach langer Diskussion mittlerweile grau gestrichen – in einem bestimmten RAL-Ton, der die Standardfarbe aller Ateliers der Kunstakademie ist. Die sichtbaren Hölzer sollen so lange wie möglich unbehandelt bleiben. Es besteht aber die Möglichkeit, die Bereiche unter dem Lichtband weiß zu streichen“, sagt Architekt Andreas Schüring.
Einfache Haustechnik
Die Haustechnik in den Ateliers ist auf das Notwendige beschränkt. Sie fand ihren Platz in zwei historischen Dachgauben. Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung bringt in der unteren Dachgeschoss-Ebene Frischluft ins Gebäude. Auch eine mechanische Fensterlüftung ist möglich. Die alten Fenster können geöffnet werden, im Bereich der Traufe befinden sich Lüftungsklappen, über die Frischluft ins Gebäude gelangen kann.
Ein technischer Kunstgriff ist auch der Blendschutz im umlaufenden Fensterband. Er passt genau zwischen die Holzrippen und wird über einen Seilantrieb mit Umlenkrollen von unten nach oben gefahren. Die Wärmebereitstellung übernimmt eine umfunktionierte Fußbodenheizung, sie erwärmt den Hohlraum unter dem aufgeständerten Holzboden bei Bedarf. Der Brandschutz war in dem öffentlichen Gebäude selbstverständlich auch ein Thema: Da eine Fensterrettung vorgesehen ist, dürfen sich nicht mehr als 25 Personen gleichzeitig in den Räumen aufhalten.
Um heute optisch alt von neu in den Atelierräumen zu unterscheiden, muss man sich die Konstruktion schon genau anschauen. Große Glasscheiben und großformatige Holzelemente prägen den modernen Innenraum. So fügen sich Neu und Alt zwar harmonisch zusammen, sind bei genauer Betrachtung aber deutlich voneinander zu unterscheiden.
Autorin
Christina Vogt ist freie Baufachjournalistin und lebt in Gladbeck. (www.textstricker.at)
Bautafel (Auswahl)
Projekt Neue Ateliers in ehemaliger Reiterkaserne auf dem Leonardo-Campus, Münster
Bauherr Land NRW / BLB Münster
Architekten Andreas Schüring Architekten,
48145 Münster, www.schueringarchitekten.de;
Bühler und Bühler Architekten, 80337 München, www.buehler-buehler.de
Tragwerksplanung Ingeniergemeinschaft Führer Kosch Jürges, 52072 Aachen,
Zimmerer Brüggemann GmbH & Co KG, 48485 Neuenkirchen, www.brueggemann-holzbau.de
Dachdecker Hugendieck GmbH, 48429 Rheine,
Dachziegelhersteller Alfons Meyer Dachziegelwerk GmbH & Co. KG, 46446 Emmerich-Vrasselt,