Die Kunst des „Selbständig-Seins“ ist, sich Freiräume zu schaffen, um seine Arbeit zu reflektieren

Liebe Leserin, lieber Leser, viele Ihres Berufstandes kennen das: Sie gehen in die Selbständigkeit, weil sie ihr eigener Herr sein wollen, selbst entscheiden möchten, welche Aufträge angenommen werden und welche nicht – einfach „frei sein“. Falls es so eine idealistische Vorstellung von der Selbständigkeit auch bei Ihnen gab, Sie aber dann nach einiger Zeit auf den harten Boden der Realität trafen, dann sind Sie nicht allein.

Gerade zu Beginn der Selbständigkeit sind lange Arbeitstage eher die Regel als die Ausnahme, um sich einen sicheren Stand im Berufsalltag zu schaffen. Läuft der Laden dann und hat man finanziell zum ersten Mal Boden unter den Füßen, braucht man Angestellte, aber mit den Angestellten kommen auch Pflichten. Und schon ist man in einer Spirale, die einem – wenn zu viele Aufträge kommen oder der Preiskampf um das günstigste Angebot beginnt – kaum Luft zum Atmen lässt. Da passieren dann auch mal Fehler – sei es bei der Planung, in der Buchhaltung oder auf der Baustelle selbst. Und wenn die Qualität nicht stimmt, muss nachgebessert werden, Zeit bleibt auf der Strecke und die Unzufriedenheit bei der Kundschaft wächst. Und womöglich bleiben dann sogar die Kunden aus.

In unterschiedlicher Weise kennt das sicher jeder, und ich könnte hier weiterspinnen. Die Kunst des „Selbständig-Seins“ ist wohl, sich immer wieder an seine ursprünglichen Ideale zu erinnern, um mit Freude an die Arbeit zu gehen. Um Nachdenken zu können, braucht es aber Freiräume, auch um Neues auszuprobieren.

Das hat auch der Zimmereibetrieb Holzbau Schäfer im fränkischen Neubrunn getan: „Wir haben sehr viel gearbeitet, aber es kam einfach zu wenig dabei rum“, sagt Seniorchef Bernd Schäfer. Dann hat er sich einem Handwerker-Netzwerk angeschlossen und sich auf die Modernisierung von Einfamilienhäusern zum Festpreis spezialisiert. Zielgruppe sind Eigenheimbesitzer, die nach dem Auszug der Kinder ihr Wohnhaus umgestalten wollen. Mit Anregungen und Hilfen anderer Partnerbetriebe konnten Abläufe im Betrieb geändert und so verbessert werden. Die Idee des Partnernetzwerks ist auch, nicht mehr jede Leistung anzubieten – und ein Gemischtwarenladen zu sein –, sondern sich auf ein Kerngeschäft zu spezialisieren.

„Vor allem der ständige Austausch und der konstruktive Dialog mit den Partnerbetrieben des Netzwerks sind wichtig und gewinnbringed“, resümiert Bernd Schäfer. Er und sein Sohn Simon haben jedenfalls mit dieser neuen Strategie Erfolg, wie Sie im Beitrag ab Seite 11 lesen können.

Ihnen wünsche ich einen guten Abschluss der Arbeiten im alten Jahr, damit die Dächer vor dem Winter vollends dicht werden. Und ich wünsche Ihnen Stunden der Besinnlichkeit an Weihnachten. Vielleicht mit der zündenden Idee, mal etwas Neues auszuprobieren oder etwas zu ändern!

Die Kunst des „Selbständig-Seins“ ist, sich Freiräume zu schaffen, um seine Arbeit zu reflektieren

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