Dachbegrünung des ehemaligen Hertie-Kaufhauses in Lünen
Eine Spiel- und Liegewiese mitten in der Stadt entstehtIn Lünen entstand ein Gründach mitten in der Stadt auf einem ehemaligen Kaufhaus. Eine doppelte Dämmschicht und eine Abdichtung aus EPDM-Dachbahnen bilden die Basis für den nur 16 cm hohen Gründachaufbau. Das Gründach wird von unten vollautomatisch mit Wasser versorgt.
Am nördlichen Rand des Ruhrgebiets, in der Nähe von Dortmund, liegt die Stadt Lünen. Sie ist mit knapp 88 000 Einwohnern die größte Stadt im Kreis Unna. Im Zentrum der Stadt eröffnete 1969 ein Hertie-Warenhaus, um 40 Jahre lang das Einkaufsleben in der Stadt mitzubestimmen. Im Jahr 2009 schloss es für immer. Vier Jahre später kaufte der Bauverein zu Lünen das schlichte quaderförmige Gebäude, nachdem Projektentwickler die Verantwortlichen mit einem kühnen Plan zum Umbau des Warenhauses überzeugt hatten.
Für diesen Plan sollten Teile des Gebäudes abgebrochen und andere umgebaut werden. Am Ende sollte es so aussehen, als wenn aus dem riesigen Quader mit einem tiefen Schnitt das Mittelstück herausgenommen worden wäre. Nur das Erdgeschoss sollte im mittleren Teil des Gebäudes übrigbleiben, darüber 850 m² begrünte Dachfläche entstehen. Links und rechts davon der Südriegel mit zwei und der Nord-riegel mit drei Etagen.
Die Grundlagen schafft der Dachdecker
Auf der etwa 850 m² großen Dachfläche wurde von den Planern eine nutzbare Rasenfläche vorgesehen, mit Fußwegen zur Erschließung der Wohnungen im Südriegel und den Terrassen des Nordriegels. Um das zu ermöglichen wurde das Dach mit einem Warmdachaufbau mit wurzelfester Abdichtung ausgestattet.
Nach der Verlegung einer Bitumenschweißbahn als Dampfsperre mit einer Aluminium-Polyester-Kombination mit Glasgewebe als Einlage wurde eine druckfeste Dämmung aufgebracht. Auf Grund der bauseits beschränkten Aufbauhöhe kam eine Kombination aus PU-Hartschaumplatten mit 80 mm Dicke und beidseitiger Aluminiumdeckschicht und eine hoch druckbelastbare EPS-Dämmplatte, zugeschnitten als Gefälledämmung mit einer Dicke von 80 mm, zum Einsatz. So wurden die Ansprüche der EnEV bei einer Dicke der Wärmedämmung von insgesamt 160 mm erfüllt. Darüber erfolgte die einlagige Abdichtung mit einer „Resitrix SK W“-Dachbahn von Carlisle, einer vollflächig selbstklebenden, per Heißluft verschweißbaren EPDM-Bahn. Die wurzelfeste Dachbahn mit FLL-Prüfzeugnis ist speziell für Gründächer geeignet.
Planungsaufgabe und Lösung
Für die geplante intensive Dachbegrünung gab es zwei wichtige Punkte zu beachten: Zum einen wollten Planer und Bauherr fast auf der gesamten Fläche eine nutzbare Rasenfläche, zum anderen stand nur eine sehr geringe Anschlusshöhe zur Verfügung. Zudem sollte alles möglichst barrierefrei gestaltet sein. Durch Türen und Fenster waren die Anschlusshöhen vorgegeben und mehr als 15 bis 18 cm standen weder bei den Terrassen und Wegen noch für die Rasenfläche zur Verfügung.
Während unter den Terrassenplatten noch eine Standardlösung zu realisieren war, wurde für die Spiel- und Liegewiese ein spezieller Aufbau gesucht. Die Firma Grün+Dach schlug den modifizierten Zinco-Systemaufbau „Sommerwiese“/„Dachgarten“ mit einer Unterflurbewässerung vor. Das brachte eine Lösung, die auch mit wenig Aufbauhöhe einen Spiel- und Gebrauchsrasen erfolgreich gedeihen lässt.
Die Funktion der Wasserversorgung übernehmen dabei das Drainageelement „Aquatec AT45“ und das „Dochtvlies DV40“. Die Funktionsweise beruht auf der gleichmäßigen Verteilung von Wasser in den Mulden des Drainageelementes. Das wird durch im Element verlegte Tropfschläuche erreicht. Das Dochtvlies sorgt durch kapillaren Aufstieg des Wassers für die Wasserversorgung der Rasenfläche. Die Bewässerung wird automatisch von einem sogenannten „Bewässerungs-Manager“ gesteuert, dessen Programmierung an die örtlichen Gegebenheiten angepasst wird. Da das Wasser so direkt an die Wurzeln gebracht wird, entfallen die sonst üblichen Verluste durch Verdunstung bei einer Beregnung von oben. So wird weniger Wasser verbraucht. Gleichzeitig kann der Schichtenaufbau in der Höhe reduziert werden. Eine nutzbare Rasenfläche lässt sich so auf einer Substrathöhe von nur 10 cm verwirklichen.
Schutzvlies schützt die Dachabdichtung
Auf der EPDM-Abdichtung verlegten die Dachgärtner von Grün+Dach im ersten Arbeitsgang ein „Systemfiltervlies PV“ als Trenn- und Schutzlage. Dieses Vlies mit einer Flächenmasse von 300 g/m² schützt die Dachabdichtung innerhalb des weiteren Begrünungsaufbaus vor schädigenden Einflüssen. Das Vlies wird vollflächig auf der Dachfläche mit etwa 20 cm Stoßüberdeckung verlegt. Eine zusätzliche Wasserspeicherung auf dieser Ebene ist nicht notwendig. Diese wird mit der nächsten Lage, dem Wasserverteil-, Speicher- und Dränelement „Aquatec AT 45“, sichergestellt. Mit den integrierten Verbindungsnoppen des 45 mm hohen Dränelements lassen sich die einzelnen Elemente fest verbinden und in Reihen verlegen. Sie sind ausreichend druckfest und haben in ihren Mulden ein Wasserspeichervolumen von etwa 17 l/m².
Tropfschläuche für die Bewässerung
In dem Dränelement „Aquatec AT 45“ sind Aufnahmen für Tropfschläuche integriert. Diese Schläuche wurden im nächsten Arbeitsschritt verlegt und in die Halterungen eingerastet. Eine zuvor erfolgte Planung gibt die Verlegung vor. Sie beinhaltet die Lage von Zuleitungen, Abzweigen, Kugelhähnen, Grund- und Spülleitungen und bei großen Flächen auch eine Aufteilung in einzelne Sektoren.
Der Tropfschlauch mit innenliegenden Tropfern für die Bewässerung von Dachbegrünungen hat einen Außendurchmesser von 16 mm. Die Tropferleistung liegt bei rund 1 Liter pro Stunde. Der Tropferabstand von 10 cm gewährleistet eine gleichmäßige Verteilung in die Mulden. Danach folgte die Verlegung des „Dochtvlieses DV 40“, das einseitig mit kapillar wirksamen Fasern bestückt ist. Optisch ist es fast vergleichbar mit einem Flokati-Teppich, bei dem die Fasern aber nach unten hängen (siehe Foto auf der gegenüberliegenden Seite). Das Polyestervlies hat Fasern von 40 mm Länge. Diese Länge ist ausreichend, damit die Fasern bis in die wassergefüllten Mulden des Dränelements hängen. Die Saugwirkung und die Anzahl der Fasern sind abgestimmt auf die Bedürfnisse der Begrünung. Das Vlies wird vollflächig verlegt, bei einer Überlappung von 10 cm.
Substrat für dünne Rasentragschichten
Nach Abschluss dieser Arbeiten wurde das Vegetationssubstrat angeliefert. Unter dem Aspekt, eine nur 10 cm dicke Schicht aufbringen zu können, kam ein Vegetationssubstrat für extensive Dachbegrünungen und dünnschichtige Rasentragschichten zum Einsatz. Aus Silofahrzeugen wurde das Substrat durch Schläuche auf die Dachflächen geblasen. Das Substrat erfüllt die Vorgaben der Düngemittelverordnung, ist flugfeuerbeständig, frostbeständig und strukturstabil.
Fertigrasen verlegt und gewässert
Im letzten Schritt zur fertigen Rasenfläche wurde der Spiel- und Gebrauchsrasen als Fertigrasen angeliefert, verlegt und ausreichend von oben gewässert. In den ersten Tagen erfolgt die Bewässerung erst einmal von oben, bis das Wurzelwachstum der Rasenmischung eingesetzt hat und die Kapillarität des Systems hergestellt ist.
Automatisierte Bewässerung
Danach übernimmt der Bewässerungs-Manager „BM 4“ die Steuerung der unsichtbaren Unterflurbewässerung. In einer durch den Hersteller fertig montierten Kopfstation aus Edelstahl für die automatisierte Bewässerung befinden sich die Kupplung für die Wasserzuleitung, ein Filter, ein Druckminderer und eine elektronische Steuereinheit, die vier Magnetventile je nach Programmierung öffnet und schließt. So läuft die Unterflurbewässerung automatisch und wird nur unterbrochen, wenn ein mitgelieferter Regensensor Regen meldet.
Zwei Bäume auf das Dach gepflanzt
Die etwa 630 m² große Rasenfläche wird in der Mitte durch eine Glaspyramide mit einer Kantenlänge von 6 x 12 m geteilt, die einen Innenhof überdeckt. Auf jeder der zwei Rasenflächen wurde ein Baumquartier installiert. Eine Schlosserei lieferte dazu einen Rahmen aus feuerverzinktem Stahl in vier Teilen. Die Einzelteile wurden vor Ort zu jeweils einem 4 x 4 m großen Hochbeet auf der vorhandenen Substratschicht montiert. Die Hochbeete wurden mit einem für Intensivbegrünungen hergestellten Vegetationssubstrat aufgefüllt. Die Baumpflanzung erfolgte mit einer Unterflurbefestigung/Ballenverankerung auf einer vorher eingelegten, stabilen Baustahlmatte. Oberirdisch ist so nur der Baum ohne störende Befestigungselemente zu sehen.
Nach Vorschlag des Autors wurden zwei Carpinus betulus „Fastigiata“ (Pyramiden-Hainbuchen) für das Gründach verwendet. An diesem Standort ist im fortgeschrittenen Alter eine Höhe von zehn bis zwölf Metern bei einem Stammdurchmesser von bis zu 40 cm zu erwarten.
Bau der Terrassen und Wege
Neben den beiden Rasenflächen waren die Wege und Terrassen anzulegen. Die Herstellung dieser Flächen erfolgte oberhalb der Dämmschicht und der EPDM-Abdichtung des Daches in folgendem Systemaufbau: Auf der Trenn- und Schutzlage aus Polypropylen wurde das Drain- und Wasserspeicherelement „Floradrain FD40“ verlegt. Dieses ist 40 mm hoch und hat eine Druckfestigkeit von etwa 135 kN/m² im nicht verfüllten Zustand. Unter Platten- oder Pflasterflächen werden die Diffusionsöffnungen, die sich eigentlich an den oberen Noppen befinden, nach unten gedreht. So ergeben sich Mulden, aus denen Regenwasser nach unten ablaufen kann. Diese wurden mit Lava der Körnung 2 bis 8 mm verfüllt und mit gleicher Schüttung bis zu 7 cm überdeckt. Auf dieser Bettung wurden im weiteren Verlauf Gehwegplatten aus Beton verlegt.
Die saubere Trennung zu den Rasenflächen wurde durch ein Aluminiumprofil hergestellt. Das Dachtraufprofil „DP“ aus 1,5 mm Aluminium als Winkel gekantet, mit einer Höhe vom 120 mm und ausgestattet mit Entwässerungs-Schlitzöffnungen, wurde in Mörtel über dem Drainageelement eingebaut. Der aufliegende Schenkel ragt dabei immer unter die Plattenfläche.
Fassaden- und Terrassenrinnen
Vor den Anschlüssen an Wohnungs- und Terrassentüren wurden Rinnen aus verzinkten und beschichteten Stahlblech-Rinnenkörpern eingebaut. Das sorgt beim barrierearmen Bauen dafür, dass kein Wasser in die Wohnungen eindringt. Über die Rinnen wird das anfallende Regenwasser aufgenommen und direkt in die Drainageebene abgeleitet. Die hier verwendeten Rinnen haben Abdeckungen aus feuerverzinkten Stahl-Gitterrosten mit einer Maschenweite von etwa 34 x 11 mm. In allen anderen Anschlussbereichen an aufgehende Bauteile wurden Kiesstreifen in unterschiedlichen Breiten angeordnet.
Die auf der gesamten Dachfläche angeordneten Dachabläufe wurden mit Kontrollschächten überbaut, die jederzeit eine Kontrolle und gegebenenfalls eine Reinigung der Abläufe ermöglichen. Während in der Rasenfläche Kontrollschächte aus Aluminium mit abnehmbarem und trittstabilem Deckel eingebaut wurden, kamen in den Plattenflächen Terrassenroste zum Einsatz, die den Fassaden- und Terrassenrinnen gleichen. Die Roste lassen sich zur Reinigung der Abläufe abnehmen.
Das Beispiel der Dachbegrünung des ehemaligen Hertie-Kaufhauses in Lünen zeigt, wie aus alten, nicht mehr zeitgemäßen Immobilien mit Phantasie und innovativem Denken neue Bauwerke entstehen können, ohne die alte Bausubstanz komplett zurückzubauen. Dazu braucht es bisweilen mutige und für Neues offene Investoren, die bereit sind, ausgetretene Pfade zu verlassen. Wenn Planer neue Visionen entwickeln dürfen und können, sind auch die Industrie und ausführende Handwerksbetriebe begeisterte Mitstreiter, wenn es darum geht, gute Ideen zu verwirklichen. Eine für die Bewohner des neuen „Hertie-Hauses“ als Spiel- und Liegewiese nutzbare Rasenfläche mit angrenzenden Wegen und Terrassen ist nur ein Beispiel zahlreicher Möglichkeiten.
AutorDipl.-Ing. Jürgen Quindeau ist Gärtner und Dachdecker. Neben seiner Ausbildung zum Gärtner und dem Studium der Landschaftsarchitektur ist er seit 1997 in der Handwerksrolle als Dachdecker eingetragen. Seit 2003 realisiert er mit der Firma Grün+Dach Dachbegrünungen.
Bautafel (Auswahl)
Projekt Umbau des ehemaligen Hertie-Kaufhauses in Lünen zu einer Wohn- und Geschäftsimmobilie
Bauherr Bauverein zu Lünen Bewirtschaftungs GmbH, 44532 Lünen, www.bauverein.de
Planung UDING Projektmanagement GmbH, 44534 Lünen, www.uding.de
Dachabdichtung Norbert Kühn Bedachung und Gerüstbau GmbH, 44536 Lünen, www.dachkuehn.de
Dachbegrünung GRÜN+DACH, Jürgen Quindeau, 42579 Heiligenhaus, www.gruenunddach.de