Bogenbohlendächer und ihre Geschichte

Im Laufe der Baugeschichte sind zahlreiche Dachtragwerke entwickelt worden. Besonders in Zeiten der Holzknappheit suchte man nach holzsparenden Lösungen beim Errichten von Dachwerken. Ein Ergebnis dieser Innovationen war das Bogenbohlendach, das in allen Teilen Deutschlands und auch in Frankreich gängig war.

Die Anfänge der Bogenbohlendächer reichen in das Mittelalter zurück. Die ehemalige Klosterkirche der Franziskaner in Saalfeld ist ein beeindruckendes Beispiel dafür. In der Renaissance (also im 15. / 16. Jahrhundert) findet man erste schriftliche Belege für das Bohlenbogendach. Als Erfinder gilt der französische Hofarchitekt Philibert de l´Orme. In seinem Buch von 1561 „Neue Erfindungen um gut zu bauen mit geringen Kosten“ beschreibt er sehr ausführlich das Dachtragwerk. So zum Beispiel die der Schlösser St. Maur oder St. Germain. Es fand in Frankreich das Bogenbohlendach zahlreiche Anwendungen und einige sind bis in die heutige Zeit erhalten. Im Jahre 1782 wurde die Getreidehalle von Paris nach einem Wettbewerbssieg als Kuppelbauwerk in Holz errichtet. Der Durchmesser betrug 40 m.

Ende des 18. Jahrhunderts entdeckte der preußische Landbaumeister David Gilly die Bohlendächer neu. Bereits ab 1790 wurden kleinere Bauten mit dieser Dachkonstruktion in Preußen errichtet. In den 1800er Jahren folgten zahlreiche größere Bauwerke. Ein Beispiel dafür ist die Reiterhalle des Regimentes von Goecking in Berlin. Das Dachwerk hatte eine Spannweite von 18,80 m. In den folgenden Jahren wurde das Bogenbohlendach auch in anderen Landesteilen in Deutschland bis etwa 1840 angewendet. Heute noch sind in Sachsen nachweislich 34 Gebäude mit Bogenbohlendächern erhalten.

Konstruktion

Das Dachtragwerk besteht aus zwei bis drei aufrecht stehenden nebeneinandergelegten Bohlen. Die Bohlen sind versetzt gestoßen und bilden den bogenförmigen Sparren. Die Breite der Bohlen beträgt 15 bis 30 cm und die Länge 1,20 m bis 2,50 m. Die Breite wurde zwischen 3,5 cm und 6 cm gewählt. Die Bohlenbreite war abhängig von der Spannweite des Dachtragwerkes. Bei einer Spannweite bis 11,50 m baute man jeweils 4 cm starke Bohlenstücke ein. Eine von 6 cm wendete man bei Spannweiten zwischen 15,70 m und 17,30 m an. Zur Wahl der Bohlenstärke schreibt Stade in dem Buch „Holzkonstruktionen“ (1904): „Die Stärke der Bohlenbögen richtet sich nach deren Spannweite und zwar rechnet man: für 7 m bis 11 m zwei Bohlen à 4 cm Dicke, für 11 m bis 12 m Spannweite 2 Bohlen à 5 cm für 12 m bis 15 m Spannweite 3 Bohlen à 4 cm Stärke. Für je 3 m größere Spannweite legt man den Sparren 2,5 cm bis 3 cm Stärke zu.“

Verbindung mit Nägeln

Die Verbindung erfolgt an den Stößen mit eisernen Nägeln. Diese Nägel wurden umgeschlagen. Im Mittelteil der Bohle schlug man hölzerne Nägel im Abstand von 20 cm bis 30 cm ein. Die Holznägel hatten eine ovale Form. Dabei sollte die längere Seite in Faserrichtung liegen. Man setzte auch Keile zur Sicherung der Holznägel ein. Die Keile wurden an der spitzen Seite des Holznagels eingeschlagen. Durch das Zuschneiden der Bohlenstücke wurden viele Fasern zerschnitten. Deshalb wurden die inneren Seiten oft auch gerade belassen. Bei größeren Spannweiten baute man ein inneres Traggerüst (liegenden Stuhl) mit liegenden Stuhlsäulen und abgesprengten Firstsäulen ein.

Die Aussteifung des Bohlendachtragwerkes erfolgte durch verkeilte Riegel. Oftmals wurde unten noch eine Schalung angebaut. Der Seitenschub wurde durch die Holzbalkendecke beziehungsweise durch Zugstangen aufgenommen. Bei Reithallen leitete man die Schubkräfte direkt in das Sockelfundament.

Vorteil: sparsamer Holzverbrauch

Der große Vorteil gegenüber anderen Dachtragwerken ist der sparsame Holzverbrauch. Durch die Bauweise entsteht auch ein großer Innenraum ohne Stützen. Es konnten große Hallen mit großen Spannweiten errichtet werden. Aufgrund seiner gebogenen Form konnte man eine gute architektonische Wirkung erzielen. Nach Landbaumeister David Gilly sollte auch das Brandverhalten besser sein.

Aber es gab auch einige Nachteile: Durch die Anschnitte der Holzfasern kommt es zur Verminderung der Festigkeit des Holzes. Zur Errichtung eines Bohlenbogendaches waren viele Verbindungsmittel nötig und es entstanden zahlreiche Fugen. Waren die Dachwerke flach ausgebildet benötigte man Zugstangen oder es traten Verformungen auf. Außerdem konnten flach gekrümmte Bohlendächer nicht mit Dachziegeln ausreichend dicht eingedeckt werden. Als Alternative zu Dachziegeln verwendete man Schiefer mit untergelegter Dachpappe oder Metallblech. Die Handwerker bauten bisweilen auch statt gekrümmten, gerade Sparrenteile ein – damit entstand ein Vieleck und so konnten auch Ziegel und Schiefer besser gelegt werden.

Die Anwendung der Bogenbohlendächer erstreckt sich von Wohnhäusern über Reithallen zu landwirtschaftlichen Gebäuden, hier einige Beispiele:

Wohnhaus in Rochlitz – halbkreisförmige Dachform

Eines der ältesten erhaltenen Wohngebäude mit Bogenbohlendach befindet sich in der Innenstadt von Rochlitz zwischen Leipzig und Dresden (Hauptstraße 18). Obergeschoss und Dachgeschoss sind mit Dachgauben versehen. Das kleine vorgesetzte Gebäude mit einem Kuppeldach wurde erst später angebaut. Die Dachform ist halbkreisförmig  und einmalig unter den erhalten Bogenbohlendächern. Die Spannweite des Daches beträgt zwischen den Innenseiten der Sparren 8,80 m. In Höhe von 2,75 m sind zur Aussteifung des Daches Kehlriegel eingezogen.

Vorwerk (Wirtschaftsgut) Nimbschen bei Grimma

Der Wirtschaftshof des Klosters ist ein Teil des ehemaligen Klostergutes. Um 1800 gehörte es der Landesschule (Fürstenschule) an. Der Hof wurde in seiner heutigen Anordnung von 1809 bis 1813 errichtet. Er umfasst sieben Gebäude. Davon sind fünf Gebäude mit Bogenbohlendächern erbaut worden. Die Bogenformen sind etwa gleichartig. Alle Dächer kommen mit zwei Bohlen pro Sparren aus. Durch die verschiedenen Gebäudetiefen wurden unterschiedliche Stärken der Bohlen angewendet. Sie beträgt 3,5 cm bis 4,5 cm. Alle Dächer kommen ohne die sonst eingebaute Queraussteifung aus. Die Längsaussteifung erfolgte in drei verschiedenen Höhen und erstreckt sich oft nur über ein Sparrenfeld. Zwei der Gebäude haben eine Länge von 60 m. Dieser Wirtschaftshof ist der größte erhaltene Gebäudekomplex und ist eines der eindrucksvollsten Beispiele für die Stabilität von Bogenbohlendächern.

Goethe-Theater Bad Lauchstädt

Einer der ersten Gebäude mit Bogenbohlendach außerhalb von Berlin ist das Goethe-Theater Bad Lauchstädt. Es diente als Spielstätte für das Weimarer Hoftheater. Das Theater wurde 1802 in nur drei Monaten errichtet und am 26. Juni 1802 seiner Bestimmung übergeben. Den Zweiten Weltkrieg überstand das Goethe-Theater ohne nennenswerte Schäden. Berühmte Künstler und Ensembles schätzen die einmalige Atmosphäre ebenso wie die große Anzahl der Besucher. Das Theater ist eines der letzten Bauwerke mit Bogenbohlendachtragwerk.

Die Bohlenbögen weisen eine halbkreisförmige Form auf. Diese Bögen reichen bis zum Sockel herab. Die Spannweite beträgt etwa 16 m und die Bohlen haben einen Abstand von 3 m untereinander. Der Grund für den großen Abstand war die Holzeinsparung. Durch den großen Abstand mit den entsprechenden Belastungen kam es zum Absinken und Ausweichen der Bohlenbögen. Die einzelnen Bögen bestehen aus jeweils zwei Bohlen mit einem Querschnitt von 5 cm Dicke und 26cm Höhe. Im oberen Bereich weist die Bogenbohlenkonstruktion drei Bohlen auf.

Ein weiteres beeindruckendes Zeugnis der Bogenbohlenbauweise ist die Alte Reithalle des Landesgestüts Moritzburg bei Dresden. Erbaut ist die Reithalle 1837 bis 1838. Die Gesamtbreite der Halle beträgt von Außenkante zu Außenkante 19,20 m und die Gebäudelänge 40,85 m.

Herausforderung Sanierung

Gebäude mit Bogenbohlendächern sind noch heute zahlreich erhalten geblieben. Der Autor Klaus Erler (siehe Buchtipp) hat vor allem die Bohlendächer in Ost- und Mitteldeutschland erfasst. Eine genaue Übersicht gibt es momentan nicht, obgleich es – wie schon erwähnt – in ganz Deutschland solche Dachkonstruktion gibt. Diese einmaligen Zeugnisse aus den Anfängen des 19. Jahrhunderts sollten den nachfolgenden Generationen erhalten werden. Die Sanierung eines Bogenbohlendachtragwerkes stellt eine besondere Herausforderung dar. Dazu sind fundierte Kenntnisse über die Konstruktion und ihr Tragverhalten notwendig.

Autor
Lutz Reinboth ist Bauingenieur und Baujournalist aus Leipzig. Er beschäftigt sich vertieft mit der Baugeschichte.

Vorteile waren der geringe Holzverbrauch und große Spannweiten ohne Stützen

Kultur trifft auf Bohlendach – Goethes sächsisches Arkadien in Bad Lauchstädt

Das in Rekordzeit errichtete Theater in Bad Lauchstädt 1802 kann als Höhepunkt in der Entwicklung des historischen Badeortes gelten. Das Interesse der Studenten und Professoren aus Halle (Saale) an zeitgenössischer Dramatik sorgte dafür, dass Goethe hier einen anspruchsvollen Spielplan umsetzen konnte. In dem von Heinrich Gentz nach Goethes Ideen geplanten Theaterbau fanden über 600 Zuschauer Platz. Die Bühne entsprach bis ins Detail der des Weimarer Hoftheaters. Der Verwandlungsmechanismus gestattete einen flüssigen Verlauf der Inszenierungen ohne Unterbrechungen. Nach wie vor wird das seit 1908 als Goethe-Theater bezeichnete Haus im Sinne seines Gründers genutzt. Pro Jahr finden rund 50 Opern- und Theateraufführungen statt.

www.goethe-theater.com

Kuppeln und Bogendächer aus Holz

Das Buch beschreibt die Entwicklung der Kuppel- und Bogendächer als hölzernes Dachtragwerk von den Anfängen bis zum heutigen Tage. Der Autor erläutert das Prinzip der Bauweise von bogenförmigen Konstruktionen aus Holz. In dem Fachbuch werden über 300 Gebäude aus den einzelnen Errichtungszeiträumen vorgestellt, zudem geht er auf die Schönheit von bogenförmigen Dachtragwerken ein.

Erler, Klaus:

Kuppeln und Bogendächer aus Holz, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, 2013

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