Nicht nur für Ballungsgebiete
Dachbegrünung steht heute nicht mehr nur für den Schutz der Bausubstanz, für ökologischen Ausgleich und optische Highlights auf dem Dach. Der Beitrag gibt einen Überblick über die neuen Möglichkeiten der Dachbegrünung und Lösungsvorschläge für die Begrünung in Ballungsgebieten.
Zunehmende Starkregenereignisse mit der Folge von Überflutung, immer längere Trockenperioden, Überhitzung und zu hohe Feinstaubwerte sind Probleme, mit denen sich viele Städte heute konfrontiert sehen. Vor dem Hintergrund fortschreitender Verstädterung und weiterer Flächenversiegelung wird deutlich, dass die Probleme in den Städten nicht kleiner werden, sondern größer.
Demgegenüber steht das Bedürfnis des Menschen nach einem grünen, lebendigen Lebensumfeld. Um dieses Ziel zu verwirklichen, sind Grünflächen seit Jahrzehnten auf Dächern zu finden. Dachbegrünungssysteme sind in Sachen Wasserrückhalt, Verdunstung und Biodiversität fortschrittlicher geworden. Wir geben einen Überblick über aktuelle Systeme.
Speichern und zeitverzögert abfließen lassen
Dachbegrünung speichert Regenwasser und lässt es zeitverzögert abfließen oder auf dem Dach verdunsten. Bei einer Extensivbegrünung, also einem anspruchslosen und pflegearmen Bewuchs wie Moosen und Gräsern, geht man von einer Größenordnung von 20 bis 40 l/m² Wasser aus, die abfließen oder verdunsten. Bei einer Intensivbegrünung, einem anspruchsvollen Bewuchs mit viel Pflegeaufwand wie Bäumen, Sträuchern oder Stauden geht man von 50 und 100 l/m² aus. Das zweiteilig aufgebaute „Retentions-Gründach“ von Zinco verstärkt diesen Rückhalte-Effekt. Es kann Niederschlagsspitzen bei Starkregenereignissen ausgleichen und damit die Kanalisation entlasten.
Alle Begrünungs- und Nutzungsformen möglich
Unterhalb des eigentlichen Begrünungsaufbaus wird das Dränelement „Floradrain FD 60 Neo“ als sogenannter Abstandshalter („Spacer“) verwendet. Es ermöglicht eine Speicherung von bis zu 60 l/m² Regenwasser – und zwar zusätzlich zu der eingangs erwähnten Wassermenge. Das im „Floradrain FD 60 neo“ gespeicherte Wasser fließt dann über ein Drossel-Element, das im Gully verankert ist, in einem Zeitraum zwischen einem und mehreren Tagen in die Kanalisation ab. Der über dem Abstandshalter liegende Begrünungsaufbau sorgt für den Luft-Wasser-Haushalt im Wurzelraum. So sind alle Dachbegrünungs- und Nutzungsformen möglich, auch Geh- und Fahrbeläge.
Wirksam gegen Überhitzung
Die zunehmende Versiegelung bewirkt außerdem, dass die Innenstädte durch Wärmestrahlung sehr viel mehr aufgeheizt werden als das Umland. Das „Klima-Gründach“ von Zinco ist auf eine hohe Verdunstung ausgelegt. Das ist gerade in trockenen, heißen Perioden sinnvoll. Zum Verdunsten muss der Bepflanzung kontinuierlich Wasser zur Verfügung stehen, das aus ökologischer Sicht kein Frischwasser, sondern Grauwasser sein sollte. Grauwasser ist Wasser, das zum Händewaschen, Duschen oder Wäsche waschen benutzt wird und danach als Bewässerung noch einmal genutzt wird.
Über Tropfschläuche bewässert
Ein entscheidendes Element zur kontinuierlichen Bewässerung ist das zweischichtig aufgebaute „Aqua-fleece AF 300“, das über Tropfschläuche automatisch bewässert wird. Kombiniert wird es etwa mit dem Dränelement „Floraset FS 50“. Das unterseitige Gewebe des „Aquafleece“ verteilt Wasser zuerst in der Fläche und lässt es erst durchtropfen, wenn das oberseitige Vlies wassergesättigt ist. Durch kapillaren Aufstieg gelangt das Wasser in das darüber liegende Substrat und wird von den Pflanzen verdunstet.
Verdunstung wird gesteigert
Ein ausgewachsener, gut mit Wasser versorgter Stadtbaum kann an einem heißen Sommertag 300 - 500 l Wasser verdunsten. Eine 100 m² große, klassische extensive Dachbegrünung kommt bei guter Wasserversorgung durchaus in dieselbe Größenordnung, nicht aber bei anhaltender Trockenheit. Mit dem Systemaufbau „Klima-Gründach“ lässt sich die Verdunstungsrate auf etwa 700 bis 1000 l pro Tag bei 100 m² steigern und auch in Trockenperioden aufrecht erhalten. Gleichzeitig übernimmt das „Aquafleece“ die Funktion des sonst im Dachbegrünungsaufbau notwendigen Systemfilters als Abgrenzung zwischen Substrat und Dränageschicht. Und unterhalb des „Aquafleece“ wird das Dränelement entsprechend dem Dachgefälle ausgewählt. Das Spektrum reicht vom 0°-Dach bis zu einem Neigungswinkel von über 5°.
Förderung der biologischen Vielfalt
Naturbelassene Dachbegrünungen sind Rückzugsräume für Tier- und Pflanzenarten. Das „Biodiversitäts-Gründach“ ist gekennzeichnet durch Module, die den Biotopcharakter und die Artenvielfalt des Gründachs steigern sollen. Während für Sedumarten und andere Sukkulenten 6 cm Substrathöhe ausreichend sind, lässt sich der Wurzelraum für eine artenreiche Kräuter- und Gräservegetation durch einzelne Anhügelungen auf 12 bis 15 cm erhöhen. Förderlich ist dafür auch ein humus- und nährstoffreicheres Substrat. Bei der Pflanzenauswahl empfehlen sich Futterpflanzen für Insekten und Vögel. Abgestorbene Äste und Stämme lassen sich als Strukturelemente einsetzen und werden von Moosen, Flechten und Pilzen als Lebensraum genutzt. Sehr dienlich sind Nisthilfen, vom Insektenhotel für Wildbienen über Hummelnistkästen bis zu Ameisensteinen.
Nutzen von Dachbegrünung
Insgesamt stand Dachbegrünung schon immer für ökologischen Ausgleich und nutzbare Freifläche. Sie schützt die Dachabdichtung, wirkt als Wärmedämmung, Schallschutz und bindet Staub und Schadstoffe.
Autor
Roland Appl ist technischer Leiter bei der Zinco GmbH in Nürtingen.