Biberschwanz schmückt Rathaus
Beim Rathaus von Dietramszell hatte die Witterung das Dach mürbe gemacht. Die Feuchtigkeit hatte sogar das Tragwerk angegriffen, das Dach musste also dringend saniert werden. Nun sorgen Biberschwanz-Ziegel dafür, dass zwischen Dachfenstern, Gauben und eingebundenen Kehlen eine neue Dachlandschaft entstanden ist.
Ein wenig Spott ist mit dabei, wenn der Volksmund sagt: „Der aus dem Rathaus herauskommt ist schlauer, als derjenige, der hineingeht.“ Für den ortsansässigen Dachdecker Erwin Matheis war es jedoch kein Denkzettel, den er sich in seinem Rathaus in Dietramszell abgeholt hat. Vielmehr offenbarten ihm die Schäden am Dach und letztlich auch die Ausschreibungsunterlagen, dass sowohl am Tragwerk als auch an der Ziegeldeckung des stolzen Bürgerhauses dringend Handlungsbedarf bestand. Statt simpler Ausbesserungen konnte der Handwerker ganze Arbeit leisten: Nun schmücken besonders widerstandsfähige Sinterbiber die Dachlandschaft auf dem Rathaus von Dietramszell.
Längst hatten viele Biber aus der ärmlichen Nachkriegszeit nicht mehr die Qualität, um den starken Wetterkapriolen des Voralpengebietes zu trotzen. Mehr als 50 Jahre hatten an den Ziegeln Materialermüdungen entstehen lassen, Feuchte konnte auf das Unterdach dringen und bildete Fäulnis bis in die Sparren hinein. Vor allem Traufbereiche mit ihren Schneefängen hatten durch jahrelange Überbelastungen stark gelitten und waren in einem maroden Zustand.
Während sich der Dachstuhl partiell ausbessern ließ, gab es bei der alten Biberdeckung keine Diskussion. Zur beschlossenen Sache wurde nicht nur eine einfache Neudeckung. Auch bei der repräsentativen Ausstrahlung wollte man am Rathaus „eins draufsetzen“ und für eine gute Qualität sorgen. Deshalb kamen eingebundene Kehlen statt simpler Blechkehlbleche in die Ausschreibung; wo es notwendig war, wurden neue Wohnraumdachfenster eingesetzt und die Reihe an Gauben teils erneuert, teils ergänzt. Nicht zum Leistungsumfang der Zimmerer gehörte die neue Dämmung. Dabei wurden natürliche Rohstoffe verwendet, die in die Hohlräume zwischen den Sparren eingeblasen wurden.
Naturrote Biber in besonderer Qualität
Nach Jahrzehnten war das nuancierte Naturrot der alten Biber längst einer natürlichen Patinierung gewichen. Bei der Neudeckung wählte der Bauausschuss wiederum ein Naturrot, doch wollte man bei der Qualität keine Kompromisse eingehen. Die Entscheidung fiel auf den hochwertigen, klinkerharten Sinterbiber, den der Hersteller Erlus bereits seit 20 Jahren fertigt. Er kann durch seinen 1200 Grad hohen Sinterbrand (herkömmlicher Ofenbrand = rund 1000 Grad) den Anforderungen an die geforderte Langlebigkeit gerecht werden. Leichte Nuancen im Sinterrot sind sichtbares Zeichen für diesen klinkerfarbigen unengobierten Biberschwanz-Rundschnitt im Format 18 x 38 x 1,5 cm. Auf insgesamt 730 m2 Dachlandschaft liegen jetzt etwa 26 000 Rundschnitt-Biber auf Traglattung, Unterdeckung sowie einer 24 mm dicken Schalung. Sie werden das Rathaus etliche Jahrzehnte vor den zu erwartenden Witterungseinflüssen schützen.
Entsprechend der aktuellen Fachregeln müssen selbst 15 mm dicke Biber mit rund 70 kg Flächengewicht noch gegen Windsog gesichert werden, auch wenn die Windsogsicherung dieses Ziegels deutlich geringer ausgefallen ist, als bei dünnen, nordischen Bibern mit zum Teil nur 12 mm Dicke und 55 kg Flächengewicht. Das Team der Zimmerei Erwin Matheis verwendete mal Schrauben, mal Klammern, mal korrosionsbeständigen Draht (in den Kehlen), um den Ziegeln sicheren Halt auf der Traglatte zu verschaffen. Ob die Biber zusätzlich mit einer besonderen Sturmklammer beziehungsweise mit Schrauben befestigt werden müssen, kann die Hersteller-Software von Erlus zur Windsogsicherung bestimmen. Je nach Dachneigung, Ort sowie den zu erwartenden Windverhältnissen fallen die Vorgaben unterschiedlich aus. Bei einer Dachneigung von etwa 42 Grad sind es hier 1,5 m breite Streifen an den Ortgängen, an denen nur jeder zweite Biber eine Windsogsicherung bekommt.
Ungleichhüftige eingebundene Kehlen
Waren die Kehlen zwischen Hauptdach und Anbau zunächst mit einfachen Blechen ausgeführt, so bindet das neue Ziegeldach jetzt die ungleichhüftigen Kehlen ins Deckbild homogen ein. Dadurch gewinnt die Dachlandschaft erheblich an Ausdrucksstärke. Jeder Ziegel in den eingebundenen Kehlen wird befestigt. Dort wo durch Anschnitt keine Befestigungsmöglichkeit mehr vorhanden sein sollte, lässt sich der Sinterbiber mit speziellen Hartkeramikbohrern bohren. Was die ungleichhüftige Kehle mit ihren unterschiedlichen Dachneigungen charakterisiert: Während die Kehle auf der einen Seite gleichmäßig durch zwei Kehlgebinde auf einem Deckgebinde ausläuft, springen die Biber auf der flacheren Seite deutlich unruhiger hin und her, um die differierende Gebindeanzahl aufnehmen zu können, die sich aufgrund der unterschiedlichen Dachneigungen ergibt. Um diese Einbindung fachgerecht zu realisieren, ist deutlich mehr Aufwand durch Zuschnitte erforderlich.
Weitere Details runden die Sanierung ab
Zwei Schneeschutzsysteme verteilen die bisher nur punktuell im Traufbereich gefangene Schneelast. Nur so wurde die erneute Überbelastung der Schneeschutzsysteme vermieden. Hier flossen die Berechnungsgrundlagen des neuen ZVDH-Gelbdrucks „Merkblatt Einbauteile für Dachdeckungen“ ein.
Die Sanitärlüfter aus Keramik oder Kunststoff wurden ausgetauscht, da sie in den vergangenen Jahrzehnten Schwächen zeigten. Sie wurden spröde oder kamen durch Eis und Schnee zu Schaden. Durch solides, hoch belastbares Aluminium sind diese Schwachstellen mit der Neueindeckung kein Thema mehr.
Für den Hochpunkt der Ziegeleindeckung hat Erlus einen Biberfirstziegel im Programm, der gleichzeitig auch die Belüftung des Daches sicherstellen kann. So kann die Holzfeuchte der Trag- und Konterlattung auch in den eisstaugefährdeten Bereichen an den Schneeschutzsytemen deutlich reduziert werden.
Fazit: Alles hat geklappt
Dietramszell gibt mit dem neuen Rathausdach eine repräsentative Visitenkarte ab – so wie es sich die Auftraggeber in der Gemeinde vorgestellt haben. Auf eine Nachfrage im Rathaus, ob denn über die Sanierung etwas in der Zeitung gestanden habe, stellt eine Mitarbeiterin verwundert die Gegenfrage „Warum denn? Es hat doch alles bestens geklappt!“
Autoren
Thomas Dietrich ist freier Journalist aus Solingen, Paul Zielinski ist Mitglied verschiedener Normenausschüsse und leitet die Abteilung Technische Beratung/Produktbetreuung bei der Erlus AG.
Der klinkerharte Sinterbiber wird durch seinen 1200 Grad hohen Sinterbrand den Anforderungen an die Langlebigkeit gerecht